Fairer, ökologischer Handel Gutes Gewissen ist geil
20.10.2009, 10:21 Uhr
Es gibt mehr Faktoren als den Preis, die das Einkaufsverhalten der Kunden beeinflussen.
(Foto: G, pixelio.de)
Umweltschutz und fairer Welthandel: Es sind neue Töne, die deutsche Supermärkte in jüngster Zeit anschlagen. Hatten sie sich über Jahre einen erbarmungslosen Preiskampf geliefert, so entdecken nun immer mehr Supermärkte und Discounter das Thema Nachhaltigkeit - wohlwissend, dass ökologisches und soziales Engagement bei den Kunden immer wichtiger wird. Kritiker sprechen dagegen von Augenwischerei und fordern eine umfassende Strategie gegen die Ausbeutung von Mensch und Natur.
Marktforscher beobachten schon länger, dass Verbraucher nicht nur mit Butter und Eiern vom Wocheneinkauf heimkommen wollen, sondern auch mit einem guten Gewissen. "Der soziale und ökologische Hintergrund von Produkten und Anbietern spielt eine große Rolle", sagt Dietmar Pech-Lopatta von der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK). Dies gelte erst recht, seit Wirtschaftskrise und Klimawandel die Deutschen nachdenklicher gemacht haben.
Der Marktforscher hält ökologisches und soziales Engagement für einen Wettbewerbsfaktor, den Unternehmen genauso im Blick haben müssen wie die Qualität und Verpackung ihrer Produkte. Seiner Beobachtung nach lautet die Devise zunehmend "Gutes tun" statt "Geiz ist geil". "Niemand kann es sich leisten, diesen Trend zu verschlafen", sagt Pech-Lopatta.
CO2-Ausstoß senken
So geißelte der Chef des Supermarktriesen Rewe, Alain Caparros, kürzlich vor seinen Branchenkollegen den Discountwahn in Deutschland und versprach, den CO2-Ausstoß des Konzerns bis 2015 um 30 Prozent zu senken. Und auf der "Penny"-Homepage können Kunden sich nicht nur durch Sonderangebote, sondern auch durch Produkte mit Umwelt- oder Fair-Trade-Siegeln und durch Informationen über Tierschutzmaßnahmen klicken. Der Handelskonzern Metro wiederum rief kürzlich einen Nachhaltigkeitsrat ins Leben, der verbindliche Standards für nachhaltiges Wirtschaften verankern soll.
Auch die Stiftung Warentest sieht einen Trend zu mehr unternehmerischer Gesellschaftsverantwortung, neudeutsch Corporate Social Responsibility. "Da tut sich was", sagt Sprecherin Heike von Laak. In speziellen Untersuchungen prüft die Stiftung seit sechs Jahren ökologische und soziale Standards von Produkten - durch Befragungen, auch vor Ort. Während sich früher viele Unternehmen weigerten, Auskunft zu geben, will heute kaum jemand riskieren, als Öko- oder Sozialignorant dazustehen.
Eine aktuelle Studie der GfK und der Unternehmensberatung Roland Berger kommt zu dem Schluss, dass sich gesellschaftliches Engagement in barer Münze auszahlen kann. Demnach kann ein Teehersteller vor allem mit menschenwürdigen Arbeitsbedingungen und Ökostandards beim Verbraucher punkten, eine regionale Molkerei eher mit einer Spende für den örtlichen Kindergarten.
Augenwischerei?
Kritische Verbraucherorganisationen wie die "Supermarkt-Initiative" werfen der Branche dagegen Augenwischerei vor. Bislang gebe es nur vereinzelte Initiativen und Absichtserklärungen, sagt Sprecherin Marita Wiggerthale. "Kein Unternehmen stellt menschenwürdige Arbeitsbedingungen und Umweltschutz in der gesamten Lieferkette sicher."
Die in der Initiative zusammengeschlossenen 23 Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften beklagen Ausbeutung und ökologischen Raubbau in Anbauländern wie Costa Rica, wo Ananas für den deutschen Markt angepflanzt werden und wo giftige Pestizide, Hungerlöhne und Gewerkschaftsverbote den Arbeitern das Leben schwer machen. Da fordere ein Discounter seine Lieferanten per Brief auf, Sozial- und Ökostandards einzuhalten, biete ihnen aber gleichzeitig wenig Geld für ihre Produkte. "Das passt nicht zusammen", sagt Wiggerthale.
Sie wünscht sich, dass Verbraucher endlich die Möglichkeit bekommen, mit ihrem Einkaufszettel Politik zu machen. Prüfsiegel wie das staatliche "Bio-Siegel", das MSC-Siegel für schonenenden Fischfang oder das Fair-Trade-Siegel seien Schritte in die richtige Richtung.
Quelle: ntv.de, AFP