Ratgeber

Tüten voller Rechnungen Immer mehr Privatinsolvenzen

Die Schuldenfalle schnappte bei Carsten Hansen im Jahr 2005 zu: Erst ging die einst florierende Massage-Praxis seiner Frau pleite, dann verlor der Kaufmann seinen Job. Die Ehe litt, das Paar ließ sich scheiden. Am Ende saß der vierfache Vater auf einem Schuldenberg von rund 40.000 Euro und meldete Privatinsolvenz an. Wie Hansen haben jüngst immer mehr Menschen in Deutschland nach diesem Rettungsanker gegriffen. Die Zahl hat einen neuen Höchststand erreicht.

Das Statistische Bundesamt in Wiesbaden verzeichnete im vergangenen Jahr 105.238 Verbraucherinsolvenzen - neun Prozent mehr als 2006 und so viele wie nie zuvor. Der Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen (BDIU) in Berlin rechnet für dieses Jahr mit einem neuen Höchststand von 125.000 Privatinsolvenzen - auch, weil das Entschuldungsverfahren jetzt vereinfacht werden soll. Für die Betroffenen bietet die sogenannte Privatinsolvenz eine Perspektive.

Nach sechs Jahren ist alles vorbei

Für viele ist die erste Hürde, sich die schwierige Situation überhaupt einzugestehen. "Wir haben hier durchaus Leute, die kommen mit Plastiktüten mit hundert ungeöffneten Briefen an", sagt Cordula Koning, die Leiterin der Schuldnerberatung der Diakonie in Hamburg. Die Schuldnerberater - das können Mitarbeiter von Wohlfahrtsverbänden und Verbraucherzentralen oder Rechtsanwälte sein - verschaffen sich einen Überblick über die Vermögensverhältnisse, also über unbezahlte Rechnungen und offene Raten. "Danach wird darüber entschieden, ob sie so sehr verschuldet sind, dass ein Insolvenzverfahren eingeleitet werden muss", erläutert Koning.

Das Verfahren sieht zunächst einen außergerichtlichen Einigungsversuch zwischen Gläubigern und Schuldner vor. "Meist scheitert der aber", hat Koning in ihrer Arbeit beobachtet. Danach kann der Schuldner beim Insolvenzgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragen. Ist es förmlich eingeleitet, wird sechs Jahre lang das zur Verfügung stehende, pfändbare Vermögen des Schuldners verwertet, also auf die Gläubiger verteilt. Danach können sie von sämtlichen Restschulden befreit werden.

Während der sechs Jahre soll der Betreffende möglichst arbeiten oder sich Arbeit suchen und muss zum Beispiel auch Erbschaften teilweise herausgeben. Die pfändbaren Beträge hat der Gesetzgeber in Tabellen genau festgelegt.

Insolvenz wird billiger

In Zukunft könnte dieser Weg aus der Verschuldung erleichtert werden. Das Bundeskabinett hat sich 2007 auf eine Reform des Privatinsolvenz-Verfahrens geeinigt, das den Neuanfang erleichtern soll. Wenn bei Schuldnern ohnehin nichts zu holen ist, soll die bis zu 2300 Euro teure, förmliche Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegfallen. Betroffene sollen dann direkt in die sechsjährige Phase der Schuldentilgung einsteigen können. Endgültig beschlossen ist die Reform nicht - derzeit steht das neue Verfahren aber wieder auf die Agenda.

Dass die Zahl der Verbraucherinsolvenzen so kontinuierlich steigt, ist nach Ansicht von Koning unter anderem darauf zurückzuführen, dass diese Möglichkeit, Schulden loszuwerden, "immer populärer" wird. Selbst im Fernsehen kann man inzwischen in Reality-Formaten Schuldnerberatern bei der Arbeit zusehen: "Es wird immer normaler, ins Insolvenzverfahren zu gehen."

Quelle: ntv.de

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