Recht verständlich Kündigung wegen Testverweigerung?
21.12.2021, 10:42 Uhr
Laut Urteil dürfen Arbeitgeber auch kumulative Schutzmaßnahmen wie Antigen-Schnelltests vorsehen.
(Foto: imago images/Christian Ohde)
In einem Personenbeförderungsunternehmen werden Corona-Schnelltests angeordnet und zur Verfügung gestellt. Ein Fahrer verweigert den Abstrich in der Nase als unnötigen invasiven Eingriff mit Verletzungsgefahren. Der Arbeitgeber kündigt – zu Recht?
Das Arbeitsgericht Hamburg entschied kürzlich (Az.: 27 Ca 208/21), dass ein Arbeitgeber während der Pandemie zum Schutz von Mitarbeitern und Kunden auch ohne eine gesetzliche Verpflichtung - Corona-Schnelltests anordnen kann. Billiges Ermessen ist bei einem anerkannten Antigen-Schnelltest mit Nasenabstrich im vorderen Nasenbereich, der durch den Arbeitgeber am Arbeitsort und zur Mitnahme nach Hause für Folgetage zur Verfügung gestellt wird, eingehalten. Eine sofortige Kündigung als Reaktion auf einen Verstoß gegen diese Pflicht ist jedoch ohne vorherige Abmahnung unverhältnismäßig und unwirksam.
Wie war der Fall?
Ein Dienstleister im Bereich der Personenbeförderung übernahm in Hamburg Fahrten des öffentlichen Personennahverkehrs mit jeweils bis sechs Personen in einem Fahrzeug. Das Unternehmen ordnete - neben den üblichen Schutzmaßnahmen wie Abstand, Hygiene, Maske und Lüften - für Fahrer regelmäßige Selbsttests mindestens zweimal die Woche an und stellte dafür Antigen-Schnelltests zur Verfügung, die einen Nasenabstrich im vorderen Nasenbereich erfordern und die vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte anerkannt sind. Für die korrekte Durchführung des Tests gab es eine Online-Schulung und der erste Selbsttest sollte am Arbeitsort vor Aufnahme der Arbeit erfolgen, weitere Testkits wurden dann für die Tests zweimal pro Woche mitgegeben. Die Testpflicht galt nicht für geimpfte Fahrer. Im Rahmen der Abfahrtkontrolle sollte der Negativtest in einer App eingegeben werden.
Ein Fahrer weigert sich an drei aufeinanderfolgenden Tagen im Juni 2021, die Tests zu machen. Er verwies unter anderem darauf, dass diese invasive Art mittels Nasenabstrich ein unverhältnismäßiger Eingriff in die körperliche Unversehrtheit sei und wegen der drohenden Reizung der Nasenschleimhaut und der Verletzungsgefahren nicht zumutbar sei. Er brachte aber auch keinen alternativen Test mit. Der Kläger wurde ohne Test nicht eingesetzt und auf die Verpflichtung hingewiesen. Nach der dritten Weigerung erhielt er eine Kündigung. Hiergegen erhob er Kündigungsschutzklage.
Das Urteil
Das Arbeitsgericht erklärte die Kündigung im Ergebnis zwar für unwirksam, es machte jedoch deutlich, dass - anders als dies der Kläger meinte - der Arbeitgeber sehr wohl im Rahmen seines Weisungsrechtes während der Pandemie auch eine regelmäßige Testpflicht für Fahrer anordnen kann. Dies gelte auch dann, wenn es hierfür keine gesetzliche Verpflichtung gebe. Der Arbeitgeber könne dies hier zum Schutz von anderen Mitarbeitern und zu befördernden Kunden als Infektionsschutzmaßnahme vorsehen, wenn er einen anerkannten Antigen-Schnelltest nehme und diesen zur Verfügung stelle. Auch die Tatsache, dass mindestens ein Schnelltest vor Ort (und nicht zu Hause) erfolgen musste, sei nicht zu beanstanden.
Der Eingriff in die körperliche Integrität sei bei einem Nasenabstrich im vorderen Nasenbereich äußerst gering und wesentlich weniger stark als bei einem Abstrich im hinteren Nasen- und/oder Rachenbereich. Das bei dem hier anzuwendenden Test nur "leicht unangenehme Gefühl" sei hinzunehmen, insbesondere bei einem Selbsttest, und dieses sei abstrakt - generell auch nicht weniger unangenehm oder invasiv als bei einem Gurgel- oder Spucktest. Arbeitnehmer haben insoweit keinen Anspruch auf einen aus subjektiver Sicht weniger beeinträchtigenden Test. Eine besondere Empfindlichkeit sei durch den Mitarbeiter nicht vorgetragen oder belegt worden. Auch das Persönlichkeitsrecht sei nicht verletzt, da der Test bis auf das erste Mal in der Regel zu Hause gemacht werden könne und die Eingabe in der App lediglich auf Vertrauensbasis erfolgte, ohne dass die Testabnahme zu Hause und das Ergebnis durch den Arbeitgeber wirklich kontrolliert werden konnte. Damit entsprach die Anordnung billigem Ermessen und war auch einzuhalten, zumal die Schutzinteressen der anderen Mitarbeiter und der zu befördernden Kunden in der Pandemie überwiegen, auch wenn es schon andere Schutzmaßnahmen wie Trennwand im Auto und Maskenpflicht gebe.
Die Begründung
Laut Urteil dürfen Arbeitgeber auch kumulative Schutzmaßnahmen vorsehen. Schuldhafte Pflichtverstöße liegen hier durch die 3-maligen Testverweigerungen vor. Ob der Kläger auf eigene Kosten einen anderen Test hätte machen und dann offizielle Negativbescheinigungen hätte vorlegen können, musste das Gericht nicht entscheiden, denn solche Tests hat er nicht gemacht.
Dennoch darf die Kündigung in solchen Fällen nicht sofort ohne vorherige Abmahnung ausgesprochen werden. Nur weil der Arbeitgeber eine schriftliche oder mündliche vorherige Abmahnung als milderes Mittel hier nicht nachweisen konnte, verlor er letztlich den Rechtsstreit. Denn das Gericht sah hier kein so deutliches Fehlverhalten, bei dem eine vorherige Abmahnung entbehrlich sein könnte.
Wichtig ist, dass es sich hier um eine Einzelfallentscheidung handelt, die nicht ohne Weiteres auf andere Fälle übertragbar ist. Es müssen immer die beiderseitigen Interessen abgewogen werden. Die Arbeitsrichter machten auch deutlich, dass eine Bewertung "anders ausfallen" könne, "sobald das abstrakte Risiko von gefährlichen Krankheitsverläufen mittels einer flächendeckenden Immunisierung stark verringert ist". Im Juni 2021 gab es diese flächendeckende Immunisierung jedenfalls noch nicht, angesichts der Virusmutationen wird auch dies immer eine Frage des Einzelfalls bleiben, einschließlich der Frage, ob dann vielleicht weniger Anordnungsfreiheit bei kumulativen Schutzmaßnahmen durch Arbeitgeber bestehen könnte.
Rechtsanwältin Dr. Alexandra Henkel ist Fachanwältin für Arbeitsrecht, Wirtschaftsmediatorin und Business Coach.
Quelle: ntv.de