Bürger kriegen lebenslänglich Neue Steuernummern für alle
25.06.2007, 08:31 UhrWenn Sie demnächst unerwartet Post vom Finanzamt bekommen - nicht wundern. Wahrscheinlich will Ihnen der Fiskus nur Ihre neue aktuelle Steuer-Identifikationsnummer mitteilen. Denn ab dem 1. Juli wird jeder einzelne Bundesbürger - vom Baby bis zum Greis - durchnummeriert. Eine elfstellige Zahlenkombination wird jeden einzelnen Bundesbürger dann ein Leben lang begleiten. Die Finanzbehörden wollen damit Bürokratie abbauen und gleichzeitig Steuersündern besser auf die Schliche kommen. Doch Kritiker sehen erhebliche Risiken in der neuen Identifikationsnummer: Sie erleichtere dem Fiskus nicht nur die Kontrolle des Bürgers, sondern ließe sich auch für ganz andere Zwecke missbrauchen.
Barbara Hendricks, Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium verteidigt die neue Steuernummer. Sie mache es den Bürgern einfacher: "Jetzt steht der Mensch im Zentrum, nicht mehr die Bedürfnisse der Finanzverwaltung." Es geht also um Bürokratieabbau. Bisher bekamen Steuerpflichtige nämlich bei jedem Umzug in eine andere Stadt auch eine neue Steuernummer. Ab dem 1. Juli wird alles einfacher, dann werden die neuen, lebenslänglichen Nummern nach und nach vergeben.
Zunächst übermitteln die rund 5000 Einwohnermeldestellen Listen ihrer gemeldeten Bürger an das Bundeszentralamt für Steuern in Bonn. Dort werden die Millionen Datensätze überprüft, anschließend wird jedem Bundesbürger eine eigene Steuer-ID zugeteilt. Sie besteht aus zehn Ziffern und einer zusätzlichen Prüfzahl. Darin werden Name, frühere Namen, Titel, Anschrift, Geschlecht, Geburtstag und -ort sowie das zuständige Finanzamt verschlüsselt.
Schleichende Kontrollzunahme
So viele gebündelte Personeninformationen rufen die Datenschützer auf den Plan. Zwar darf die neue ID per Gesetz nur für Steuerzwecke verwendet werden. Doch Gesetze kann man ändern. "Unter der einheitlichen Identifikationsnummer könnte man theoretisch sämtliche Verwaltungsinformationen bündeln", meint Bettina Gayk von der Landesdatenschutzbehörde Nordrhein Westfalen. Das sei zwar nicht mit der Verfassung vereinbar, aber: "Der Weg dahin ist mit dieser Nummer bereitet. Man muss wachsam sein, dass keine weiteren Schritte in diese Richtung übernommen werden", so Gayk.
Dass Behörden die ihnen zugestandenen Befugnisse auch bereitwillig anderweitig nutzen, zeigt das Beispiel des Kontenabrufverfahrens: Seit zwei Jahren können Finanzämter auf Knopfdruck abfragen, über welche Konten und Depots ein Bürger verfügt. Mehrere hundert Male täglich machen die Ämter davon Gebrauch, und inzwischen haben auch weitere Behörden Zugriff auf die Daten. Ursprünglich hatte das Gesetz aber einen ganz anderen Zweck, nämlich die Gelder von Terroristen einzufrieren.
Mit der lebenslangen Steuer-ID wird das Kontrollnetz der Behörden noch enger. Das Ergebnis: Der gläserne Bürger. Schließlich wird über die Nummer das ganze Erwerbsleben transparent. "Die Gefahr, dass auch andere Stellen außer den Finanzämter darauf zugreifen wollen und können, ist im Moment noch nicht einschätzbar", warnt die Datenschützerin Gayk.
Missbrauch ausgeschlossen?
Im Bundesfinanzministerium weist man solche Szenarien weit von sich: Ein Missbrauch der Steuer-ID sei gesetzlich so gut wie ausgeschlossen. "Die Steuernummer darf nicht weitergegeben werden, auch nicht an andere Behörden. Das ist eindeutig geregelt", beschwichtigt Barbara Hendricks. Auf die missbräuchliche Verwendung der Nummer stehen Geldstrafen von bis zu 10.000 Euro.
Bei allem Bürokratieabbau bleibt ein fader Beigeschmack. Die Kontrolle durch den Fiskus endet nicht einmal am Grab: Weil Steuerstraftaten erst nach langer Zeit verjähren, erlischt die elfstellige Nummer erst zwanzig Jahre nach dem Tod.
Quelle: ntv.de