Ratgeber

Riskant und teuer Öko-Test zerpflückt Direktversicherung

In kleinen und mittleren Firmen soll die betriebliche Altersvorsorge zur Selbstverständlichkeit werden. Direktversicherungen sind erste Wahl. Doch mit vielen Tarife tun sich weder Firmen noch Mitarbeiter einen Gefallen.

Arbeitnehmer können sich ihren Tarif normalerweise nicht selbst aussuchen.

Arbeitnehmer können sich ihren Tarif normalerweise nicht selbst aussuchen.

In Großunternehmen werden beim Einstellungsgespräch oft auch gleich die Konditionen der Betriebsrente geklärt . Anders sieht es oft bei Mittelständlern und Kleinbetrieben aus. Auch sie müssen zwar auf Nachfrage eine Betriebliche Altersvorsorge organisieren, Standard sind die Angebote hier aber nicht. Die Bundesregierung will das ändern und hat im Koalitionsvertrag vereinbart, die betriebliche Altersvorsorge zu stärken und Hemmnisse abzubauen. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles denkt unter anderem über eine Betriebsrentenpflicht nach, der man sich nur entziehen kann, wenn man die Altersversorgung aktiv abwählt. Der Versicherungsbranche kommen solche Überlegungen entgegen. Aber ist damit auch den Mitarbeitern geholfen?

Nicht unbedingt, sagt "Öko-Test". Der vermeintliche Königweg zur Altersvorsorge berge einige Stolperfallen, warnt das Verbrauchermagazin, das 220 Direktversicherungstarife von 40 Gesellschaften verglichen hat. Solange der Gesetzgeber keine Mindeststandards für die Tarife setze und so den Markt bereinige, kauften sich Mitarbeiter und Firmen in unkalkulierbare Risiken ein, so das Fazit der Tester. Zudem würden die Verträge immer unrentabler. Wer sich heute entscheide, im Zuge der Entgeltumwandlung auf Gehalt zu verzichten, erhalte weniger Leistung als diejenigen, die ein paar Jahre früher angefangen hätten. 

Am Ende wird's teuer

Das Konzept der Direktversicherung ist einfach: Der Arbeitgeber schließt für den Arbeitnehmer eine Rentenversicherung ab, entweder als klassische oder als fondsgebundene Variante. Die Versicherungsprämien werden direkt aus dem Bruttogehalt abgeführt. Bis zu 4656 Euro im Jahr können Arbeitnehmer steuerfrei in ihre Altersvorsorge investieren, Jahresbeiträge bis zu 2856 Euro sind auch von Sozialabgaben befreit. Das dicke Ende kommt aber bei der Auszahlung: Die Rente muss voll versteuert werden, außerdem werden die vollen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung fällig, also sowohl der Arbeitgeber- als auch der Arbeitnehmeranteil. Unterm Strich mache das Betriebsrenten unrentabel, so "Öko-Test".

Doch auch wenn sich die Rahmenbedingungen ändern – und das ist durchaus möglich – sei die Direktversicherung nicht unbedingt eine gute Wahl, kritisiert "Öko-Test". Die Mitarbeiter bekämen für den Gehaltsverzicht immer weniger Leistung. Einem 30-jährigen Arbeitnehmer, der 100 Euro einzahlt, wurden vor zwei Jahren im Schnitt noch gut 195 Euro Bruttorente garantiert. Heute sind es für den Neukunden nur noch gut 182 Euro. Die sichere Leistung ist also um 6,7 Prozent gesunken. Rechnet man noch die prognostizierte Überschussbeteiligung mit ein, kommen am Ende sogar 57 Euro weniger heraus.

Frauen profitieren etwas von Unisex

Seit Ende 2012 dürfen Versicherungen nicht mehr nach Geschlechtern trennen. Für früher abgeschlossene Tarife ändert sich aber nichts.

Seit Ende 2012 dürfen Versicherungen nicht mehr nach Geschlechtern trennen. Für früher abgeschlossene Tarife ändert sich aber nichts.

Schuld sind nicht nur die sinkenden Überschussbeteiligungen aufgrund der andauernden Zinsflaute. Auch die 2012 eingeführten Unisex-Tarife drücken die Rendite – zumindest für Männer. Bei den neuen Tarifen müssen Frauen bei gleichen Beiträgen auch di e gleichen Renten bekommen wie Männer. Weil ihre statistische Lebenserwartung höher ist, kommen Frauen nun auf eine etwas höhere Rentenrendite – wenn sie denn tatsächlich so lange leben wie die Generationensterbetafel prognostiziert. Männer sind hingegen schlechter dran als früher.

Entwickeln sich die Überschussbeteiligungen und Rentenerhöhungen tatsächlich so, wie es die Versicherer ausrechnen, kommen Männer am Ende auf eine durchschnittliche Rendite von 2,69 Prozent und Frauen auf 2,83 Prozent. Steuern und Sozialabgaben müssen da aber noch abgezogen werden. Für ältere Arbeitnehmer lohne sich der Einstieg fast nie, warnt Öko-Test: Wer erst mit Mitte 50 eine Betriebsrente abschließt, dem seien auf Basis der Garantierente sogar Verluste sicher.

Neben der Unisex-Kalkulation drücken vor allem die Vertragskosten die Rendite. Für Vertrieb und Verwaltung zahlen Versicherte heute schon etwas mehr als vor einem Jahr. Unterm Strich kommt damit weniger Rente heraus. Besonders hoch sind die Kosten, wenn Mitarbeiter individuelle Einzeltarife bekommen. Sie sind oft teurer als normale, ungeförderte Rentenversicherungstarife. Besser sind die Kunden dran, wenn der Arbeitgeber einen Kollektivvertrag für die Belegschaft aushandelt.

Nicht alle sind schlecht

Bei all der Kritik sollte nicht übersehen werden, dass "Öko-Test" auch durchaus günstige Anbieter ausgemacht hat: Europa und Interrisk punkten bei den klassischen Einzeltarifen durch geringe Kosten, die Ergo gehört hier zu den teuersten Anbietern. Bei den Kollektivtarifen schneidet sie allerdings neben der Continentale mit am besten ab.

Immer mehr Versicherer setzen angesichts der mageren Zinsen auf fondsgebundene Rentenpolicen. Hier müssen sie keinen Zins garantieren, sondern lediglich den Kapitalerhalt sicherstellen. Dafür sollen die Kunden mit höheren Renditen belohnt werden. Sämtliche Prognosen und Modellrechnungen sind allerdings völlig unverbindlich. Und: Weil die Fondsinvestitionen volatil sind, muss der Kapitalerhalt nur zum Rentenbeginn garantiert werden. Wechselt der Versicherte vorher seinen Arbeitgeber, muss die bisherige Firma womöglich noch Beiträge nachschießen.

Längst nicht alle Produkte, die als betriebliche Altersvorsorge verkauft werden, sind dafür also auch tatsächlich geeignet. Meistens können das aber weder die Firmen noch ihre Mitarbeiter ohne Weiteres erkennen. Deshalb, so das Fazit von "Öko-Test", könne die betriebliche Altersvorsorge per Direktversicherung nur funktionieren, wenn der Staat verbindliche Mindeststandards für die angebotenen Produkte setze.   

Quelle: ntv.de, ino

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