Sturm auf gesetzliche Krankenkassen Patienten suchen Schlupflöcher
08.01.2012, 10:05 UhrEigentlich darf man private Krankenkassen nur in Ausnahmefälle verlassen. Dennoch wechseln immer mehr in die gesetzlichen Krankenkassen, um den starken Beitragserhöhungen zu entgehen.

Bei schweren Vertragsverletzungen kann die Versicherung den Kunden ausschließen.
(Foto: pauline, pixelio.de)
Immer mehr Privatpatienten wollen laut offenbar in die gesetzliche Krankenversicherung wechseln. "Bei uns häufen sich die telefonischen Anfragen von Privatversicherten, die zur AOK kommen wollen", sagt Wilfried Jacobs, Chef der AOK Rheinland/Hamburg dem "Spiegel".
Von der privaten Konkurrenz zur Barmer GEK wechselten demnach im vergangenen Jahr rund 27.600 Versicherte, neun Prozent mehr als im Jahr zuvor. Zur Techniker Krankenkasse seien etwa 68.000 Privatpatienten gegangen, fast zwölf Prozent mehr als im Jahr 2010.
Das hat der Gesetzgeber eigentlich nur in Ausnahmefällen, etwa bei Arbeitslosigkeit oder einem Absinken des Gehalts, vorgesehen. Anderen Wechselwilligen, die den teils starken Erhöhungen der Beiträge in der Privatversicherung entgehen wollen, helfen manche Kassen aber offenbar dabei, Schlupflöcher zu finden. "Es gibt Tricks, mit denen wir Privatpatienten helfen können", sagte ein Krankenkassenmanager dem "Spiegel". Die Voraussetzung sei jedoch immer, dass der Arbeitgeber einverstanden sei.
Ungeachtet dessen, sollten Privatversicherte ehrlich sein, wenn sie wieder in die gesetzliche Krankenversicherung zurück wollen. „Sich ein Wechselrecht mit Tricks zu erschleichen, ist gefährlich“, sagte Thorsten Rudnik vom Bund der Versicherten in Henstedt-Ulzburg bei Hamburg. Fliege der Schwindel auf, verlören die Versicherten unter Umständen ihren Schutz in der gesetzlichen Krankenversicherung und müssten sich wieder privat versichern. Auch Schadenersatzforderungen seien eine mögliche Folge.
Der Wechsel von der privaten in die gesetzliche Krankenversicherung ist an strenge gesetzliche Vorgaben geknüpft. „Wer im Jahr weniger als 50.850 Euro brutto verdient, wird wieder in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert“, erklärte Rudnik. Auch Bezieher von Arbeitslosengeld könnten sich eine gesetzliche Kasse suchen. „Bezieher von Arbeitslosengeld II müssen allerdings in der privaten Krankenversicherung bleiben.“ Auch wer älter als 55 Jahre ist, könne nicht mehr in die gesetzliche Krankenversicherung zurück.
Allerdings könnten Privatversicherte mit ihrem Arbeitgeber darüber verhandeln, das Gehalt zu reduzieren. „Dadurch würde ich dann wieder unter die Versicherungsgrenze rutschen und wäre damit wieder in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert“, sagte Rudnik. Über die Einzelheiten sollten Betroffene aber auch mit der Krankenkasse sprechen. Denn für einen Verbleib in der gesetzlichen Krankenversicherung müssten bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein.
Haben Privatversicherte keine Möglichkeiten, wieder zu einer gesetzlichen Kasse zu wechseln, könnten sie sich bei ihrer Versicherung nach einem billigeren Tarif umsehen. Mit einem solchen Schritt ließen sich monatlich mehrere hundert Euro monatlich sparen. Allerdings sollten die Leistungen dabei genau verglichen werden.
Nicht empfehlenswert sei es, zu einem anderen Versicherungsunternehmen zu wechseln. „Das ist der schlechteste Rat, den man geben kann“, sagte Rudnik. Denn damit sei meist eine neue Gesundheitsprüfung verbunden. Zudem gingen die bisher erworbenen Altersrückstellungen verloren.
Quelle: ntv.de, AFP/dpa