Todesgefahr am Klettersteig Experten warnen Alpin-Touristen
30.08.2012, 19:02 Uhr
Doppelt gesichert an fest verankerten Stahlseilen: Klettersteige sollen sichere Ausblicke und Nervenkitzel garantieren.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Der tödliche Absturz eines deutschen Jugendlichen stellt grundsätzliche Konstruktionsprinzipien in der Klettersteig-Ausrüstung in Frage. Mehrere Hersteller rufen elastische Sicherungssets vorsorglich zurück. In einer gemeinsamen Aktion klären Alpenvereine aus Österreich, der Schweiz, Südtirol und Deutschland über die Hintergründe auf.

Ein Produktbeispiel aus der DAV-Sicherheitsforschung: Zwei elastische "Äste" verbinden die Karabiner zum Einklinken ins Stahlseil mit dem Klettergurt (nicht im Bild).
(Foto: alpenverein.de)
Nach einem tödlichen Kletterunfall in Tirol Anfang August haben mehrere Alpenvereine vor gefährlichen Mängeln an verschiedenen Klettersteigsets unterschiedlicher Hersteller gewarnt.
Betroffen seien Modelle mit sogenannten elastischen Ästen - diese verbinden den am Klettergurt befestigten Fangstoßdämpfer mit den Karabinern, die der Kletterer im Stahlseil des Klettersteiges zur Sicherung einhängt.
Die Alpenvereine DAV, OeAV, SAC und AVS riefen Kletterer auf, ihre Sets zu prüfen. Vier Hersteller haben ihre Modelle bereits zurückgerufen. Bei dem Unfall in Tirol war ein Jugendlicher aus Nordrhein-Westfalen 100 Meter tief abgestürzt, nachdem beide Äste seines Klettersteigsets gerissen waren.
Der Unfall stellte selbst erfahrene Alpinisten vor ein Rätsel: Noch nie zuvor war es in vergleichbaren Situation zu einem Abriss beider Sicherungsstränge gekommen. "Bei korrekter Anwendung, ohne vorherige Beschädigung des Klettersteigsets und ohne Scharfkanteneinwirkung erschien so etwas als nicht möglich", heißt es in einer Erklärung des deutschen Alpenvereins DAV.
Den Erkenntnissen der staatsanwaltlichen Ermittlungen vorgreifen wollen die DAV-Experten allerdings nicht. Sie betonen, dass die Warnung vor Klettergurten mit elastischen Karabinerbefestigungen nicht auf behördliche Angaben zurückgeht. Die Alpenvereine berufen sich ausdrücklich auf eigene Untersuchungen der DAV-Sicherheitsforschung in Zusammenarbeit mit dem Tüv München und den Prüfungen der Hersteller. Das Ergebnis des gerichtlichen Gutachtens liegt demnach noch nicht vor.
Mangel im Konstruktionsprinzip
"Bei den Untersuchungen an Klettersteigsets vom Typ des Unfall-Modells hat sich gezeigt, dass oftmaliges Dehnen der elastischen Äste zu einer Schwächung der tragenden Fasern führt", heißt es beim DAV. Ein solches Dehnen sei bei einer normalen Klettersteig-Begehung üblich. "Wenn elastische und tragende Fasern zusammen verwoben sind, schwächt häufiges Dehnen die tragenden Fasern; unter Umständen können solche Lastarme dann bei einem Sturz am Klettersteig reißen."
Das Konstruktionsprinzip mit ineinander verwobenen elastischen und nichtelastischen Fasern kommt demnach nicht nur bei Klettersteigsets des bekannten Bergsport-Ausrüsters Edelrid, sondern auch bei Modellen anderer Hersteller zur Anwendung. Die Firmen Edelrid, Austrialpin, Edelweiss und Singing Rock haben die betroffenen Sets mittlerweile zurückgerufen. Herkömmliche Klettersteigsets ohne elastische Fangstoßdämpfer sind ausdrücklich nicht von dieser neu entdeckten Problematik betroffen.
Die Alpenvereine rufen alle Klettersteiggeher auf, ihre Ausrüstung mit einer eigens bereit gestellten Tabelle zu vergleichen und im Zweifel mit dem Hersteller Kontakt aufzunehmen.
Touristenmagnet Klettersteig
In den vergangenen Jahren haben sich Klettersteige zu wichtigen Anziehungspunkten für den Sommertourismus in den Alpen entwickelt. Die Zahl der Nutzer stieg deutlich an. Immer mehr Regionen setzen auf diese Form eines sanften, auch für Laien leicht zugänglichen Bergsports.
Konditionell und psychisch gut vorbereitet, galten Klettersteigtouren als vergleichsweise sicherer Einstieg in die Welt des Bergsteigens, auch für Kinder und Jugendliche.
Gerade die elastischen Fangstoßdämpfer sollten dabei den Umgang mit den beiden Sicherungskarabiner beim Wandern entlang der fest im Fels verankerten Stahlseile erleichtern - und die im Sturzfall auftretende Kräfte abmildern.
Der tödliche Unfall Anfang August nahe Walchsee in Tirol dürfte die gesamte Branche zu erweiterten Sicherheitsvorkehrungen zwingen.
Quelle: ntv.de, mmo/dpa