Honecker, Darm, Frauen Schulbücher mangelhaft
27.09.2007, 17:24 UhrKomplizierte Texte mit vielen Fehlern: Zahlreiche Schulbücher für Biologie und Geschichte haben von der Stiftung Warentest schlechte Noten bekommen. In den zehn getesteten Biologie-Büchern fanden die Tester im Schnitt auf jeder fünften Seite einen schwerwiegenden Fehler, wie die Zeitschrift "Test" in ihrer Oktoberausgabe schreibt.
Bei den sieben getesteten Geschichtsbüchern sehe es kaum besser aus, hieß es in "Test" weiter. So seien unter anderem falsche Daten für den Sturz des DDR-Staatschefs Erich Honecker genannt worden. Außerdem gebe es teils große Lücken im vermittelten Lernstoff. Einige Schulbuchverlage kündigten bereits Verbesserungen an, wehrten sich jedoch auch vehement gegen die Kritik.
Neben kleineren Mängeln wie fehlenden Bildunterschriften entdeckten die Tester zum Teil erhebliche Fehler in den Schulbüchern: Ein Experiment mit Brennspiritus beispielsweise wurde ohne die erforderlichen Warnhinweise abgedruckt und die Funktion von Leber und Galle fehlerhaft dargestellt. Außerdem sei der Darm eines Blauwals nicht - wie in einem Buch angegeben - 56 Mal so lang wie sein Körper, sondern nur vier bis fünf Mal. Auch müssten "Muskelzellen" korrekt "Muskelfasern" heißen. Sie hätten zudem nicht wie angegeben einen, sondern viele Zellkerne.
In den Geschichtsbüchern bemängelte die Stiftung Warentest vor allem die Kapitel zur Geschichte der DDR. Hier gebe es gehäuft Fehler und Verzerrungen, hieß es. So werde die Lebenssituation in vielen Büchern vereinfacht dargestellt, die Rolle der Frau auf das sozialistische Ideal beschränkt und die Einführung der Jugendweihe mal mit 1954, mal mit 1955 angegeben. Außerdem würden den Schülern Wertungen manchmal zu stark vorgegeben.
Didaktisch seien viele Bücher ebenfalls schwach, hieß es. So würden unnötig schwere Texte abgedruckt, der Lernstoff nicht nutzerfreundlich aufbereitet und volle Seiten mit kleiner Schrift präsentiert. In beiden Fächern gebe es jeweils lediglich ein Buch, das sowohl in der fachlichen Eignung als auch in der Didaktik mit "gut" abgeschnitten habe. Für das Fach Biologie war das "Nautilus Biologie 2. Ausgabe A", für den Bereich Geschichte "Zeiten und Menschen 4".
"Das falsche Datum von Honeckers Rücktritt im Geschichtsbuch werden wir sofort korrigieren", sagte der Programmgeschäftsführer für den Sekundarbereich der Verlage Westermann, Schroedel, Diesterweg in Braunschweig, Peter Schell. Allerdings sei es völlig übertrieben, von Fehlern auf jeder fünften Seite von Schulbüchern zu sprechen. "Wir müssen Inhalte sachlich reduzieren, um sie Jugendlichen zu vermitteln."
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) forderte in einer Reaktion eine Prüfung, ob wirklich von jedem Schulbuch mehrere länderspezifische Ausgaben hergestellt werden müssten. "Ein größeres Maß an Einheitlichkeit kann sicher nicht schaden", sagte GEW- Schulexpertin Marianne Demmer. Die veröffentlichten Mängel seien "nicht akzeptabel". Lehrer und Lernende müssten sich auf die Schulbücher verlassen können.
Der niedersächsische Philologenverband sah das Versagen vor allem beim Kultusministerium. Schließlich prüfe das dem Ministerium untergeordnete Niedersächsische Landesamt für Lehrerbildung und Schulentwicklung (NILS), ob ein neues Schulbuch zugelassen wird. Das Ministerium kündigte an, sein Verfahren zu überprüfen. Es könne nicht sein, dass trotz der vielen Schritte Fehler übersehen würden, sagte ein Sprecher.
In Nordrhein-Westfalen sorgte der Bericht für eher gelassene Reaktionen. Gut ausgebildete Lehrer würden Fehler bemerken und im Unterricht ansprechen, sagte der Landesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), Udo Beckmann, in Dortmund. Schulbücher seien nicht die einzigen didaktischen Mittel im Unterricht.
Der Cornelsen Verlag in Berlin kritisierte die Vorgehensweise der Stiftung Warentest. "Es gibt keine 'richtige' Didaktik beziehungsweise Methodik", sagte eine Sprecherin. "Das Testergebnis ist als eine subjektive Bewertung durch die Tester zu sehen."
Stiftung Warentest hatte Bücher für die 7. bis 10. Klasse an Gymnasien in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Niedersachsen getestet.
Quelle: ntv.de