Return to Sender Online-Handel leidet unter Retouren
10.04.2013, 18:35 UhrDer Handel in Deutschland ist in einem großen Umbruch. Läden, Ketten, Offline, Online – alles verschmilzt, da fällt es schwer als Verbraucher den Überblick zu behalten, was man eigentlich darf und was nicht. Deshalb haben wir uns das Thema Rückversand – also Retouren – mal etwas genauer angeschaut. Schließlich ist das Internet Teil des täglichen Lebens geworden. Alles gibt es, jeder kauft ein und schickt vor allem zurück!
Wenn Peggy Schliebs mal wieder in einem neuen Outfit nach dem anderen vor ihrem Spiegel tanzt, war in der Regel kurz zuvor der Paket-Bote da. Denn die Berlinerin shoppt am liebsten via Mausklick: “Es ist einfach, mal am Abend, nach der Arbeit ein bißchen im Internet zu surfen. Um sich die Kleidung anzugucken und auch die Preise zu vergleichen.“
Das Angebot im Internet ist in den letzten Jahren explodiert. Kleidung, Möbel, elektronische Geräte. Es gibt nichts, was es nicht gibt. Und in der Regel sind die Preise kleiner als im Geschäft, weil kostenintensive Ladenflächen und Beratung für die Anbieter weg fallen. Wer im Internet bestellt, wickelt ein so genanntes Fernabsatz-Geschäft ab.
Retourkosten übernimmt der Händler
Wenn die Ware nicht gefällt und mehr als 40 Euro gekostet hat, darf man sie umsonst zurück schicken. Die Retourkosten übernimmt der Händler. Alles darf natürlich nicht zurückgeschickt werden, weiß Bernd Ruschinzik von Verbraucherzentrale in Berlin: “Grundsätzlich gibt es ein 14-tägiges Widerrufsrecht. Aber es gibt da Ausnahmen. Wenn Sie beispielsweise eine Pizza bestellen, dann können Sie dem Pizzaboten nicht sagen, ich habe es mir anders überlegt. Oder wenn Sie sich etwas anfertigen lassen, dann gibt es auch kein Widerrufsrecht.“
Alle anderen Waren dürfen 2 Wochen kostenlos zurück geschickt werden. Vor allem bei Kleidung ist das Gang und Gebe. Die Branche spricht hier von etwa 40 Prozent Retouren. Peggy Schliebs schickt in der Regel mehr als die Hälfte zurück: “Der Nachteil ist natürlich, man weiß nicht, wie die Qualität der Stoffe ist und wie sich das Kleidungsstück anfühlt, der Vorteil ist natürlich, man kann mehrere Sachen bestellen, und sie dann zu Hause anschauen.“
Kleidung, die nicht gefallen hat, könnte am Ende unter anderem bei Hermes Fulfilment in Hamburg landen. Die 100-prozentige Tochter der Otto Group kümmert sich um die zurückschickte Ware der eigenen Gruppe und zahlreicher externer Kunden.
Kunde wird zum Mehrkauf verleitet
Ein wachsendes Geschäft. Ein Grund dafür ist die Möglichkeit, Ware auf Rechnung zu bestellen – das war schon zu Zeiten von Katalog-Bestellungen möglich und gibt es so im Ausland nicht, weiß Geschäftsführer Dieter Urbanke: “Das heißt er bestellt Ware und bekommt die auch, ohne sein Konto belastet zu bekommen und ohne Vorkasse machen zu müssen. Das ist etwas, was den Kunden natürlich schon dazu verleitet, mehr zu bestellen, als er wirklich behalten möchte. Wenn er per Kreditkarte oder gegen Bar, tatsächlich schon zahlen muss, dann haben viele Sorge, dass sie am Ende nur schwierig an ihr Geld kommen, wenn sie es zurückgeben.
Bei Hermes Fulfilment durchläuft zurück geschickte Ware einen aufwendigen Rückabwicklungsprozess. Jedes einzelne Paket wird zunächst ausgepackt und für die Warenbeurteilung vorbereitet. Jeder einzelne Artikel wird danach an einem von rund 200 rechnergestützten Arbeitsplätzen anhand des Strichcodes auf der Verpackung identifiziert und schließlich ausgepackt. Die Ware wird genau geprüft, ob sie weiterhin neuwertig ist und notfalls gesäubert. Kann ein Kleidungsstück in den Wiederverkauf gehen, wird es wieder genauso verpackt und wird erneut versendet. Für den Versandhändler ist dies natürlich mit Kosten verbunden. Allein am Standort Hamburg wickelt Hermes Fulfilment etwa 50 Millionen Retouren im Jahr ab. Sabine Pur vom Marktforschungsinstitut ibi-Research aus Regensburg hat sich bei den Online-Händlern umgehört, wie viel am Ende eine Retouren-Abwicklung insgesamt kostet: “Die kompletten Rücksendekosten , inklusive den Wiedereinlagerungskosten und Personal- und Materialkosten, da war man so im Schnitt bei 20 EURO. Aber man muss das differenziert betrachten. In der Bekleidungsbranche ist eher seltener, dass die Kosten über 15 EURO sind. Das liegt vermutlich daran, dass dort weniger weggeschmissen werden muss, als in anderen Branchen, wenn retourniert wird.“
Zurück geschickte Technik kommt zum Beispiel häufig in nicht wiederverwendbarer Umverpackung. Regelmäßig ist sie zum Teil beschädigt und kann deshalb nicht wieder verschickt werden.
Hoher Aufwand für die Unternehmen
Viele Geräte sind außerdem deutlich aufwendiger zu retournieren als zum Beispiel Mode, so Christoph Wenk-Fischer vom Bundesverband des Deutschen Versandhandels: “Wenn ich einen Laptop verkauft habe und bekomme den zurückgeschickt, dann muss ich ihn mühsam aufbereiten. Das heißt, die Festplatte löschen, ich muss gucken ist die Verpackung in Ordnung und und und...! Kein Kunde möchte gebrauchte Ware haben und schon mal gar nicht, wenn da sensible Daten drauf sein sollten. Das ist ein hoher Aufwand mit hohen Kosten. “
Allerdings sind die Retouren-Quoten bei technischen Geräten auch deutlich geringer als bei Mode. Doch auch im Bereich Kleidung könnte sich hier in naher Zukunft einiges ändern. Denn im kommenden Jahr tritt eine neue EU-Verbraucherrichtlinie in Kraft, weiß Bernd Ruschinzik von der Verbraucherzentrale Berlin: “Derzeit ist es so, dass es unterschiedliche Rückgabefristen gibt, in vielen Ländern gibt es nur ein 7-tägiges Rückgaberecht. Beispielsweise ist es in Italien so, dass der Widerruf per Einschreiben erklärt werden muss, um Wirksamkeit zu erlangen und diese Unterschiedlichkeiten, die sollen mit der EU-Richtlinie aufgehoben werden. “
Unter anderem dürfen dann die Unternehmen die Kosten für Retouren auch an die deutschen Verbraucher weiter geben. Noch ist der Retouren-Schein hier allerdings umsonst.
Neue EU-Richtlinie tritt in Kraft
Und da der Kunde König ist, haben die großen Versandhäuser und Online-Anbieter bereits angekündigt, trotz neuer EU-Verbraucherrichtlinie auch künftig kostenlos die Ware zurück zu nehmen. Für Dieter Urbanke, Geschäftsführer bei Hermes Fulfilment gibt es dafür auch gute Gründe: “Weil der Kunde sehr häufug auch mit Recht retourniert. Man wird in endlose Streitereien geraten, ist der Artikel richtig abgebildet gewesen, hat er die Qualität, die versprochen wurde. Und solche Diskussionen und gerade auch ernsthafte Auseinandersetzungen mit dem Kunden, kann man als Händler nicht gewinnen. Die sollte man gar nicht führen. “
Viele kleinere Händler hatten dagegen laut der aktuellen ibi-Research-Studie überlegt, die teuren Retouren-Kosten künftig an die Kunden weiterzugeben. Doch der Marktdruck ist scheinbar größer, so dass sich im großen und ganzen an der Markttpraxis wenig ändern wird, meint Sabine Pur vom Marktforschungsinstitut ibi research an der Universität Regensburg: “Da die großen sich schon ausgesprochen haben, dass sie es nicht machen werden und es als Teil ihres Servicegedankens verstehen, glaube ich, dass die kleinen nachziehen müssen und auch weiterhin kostenfrei Rücksendungen anbieten.“
Das Geschäft mit dem Online-Shopping dürfte also genauso erfolgreich weiterlaufen wie bisher.
Quelle: ntv.de