Schadenersatz bei Justizfehlern Unschuldig in Haft
29.04.2014, 18:30 Uhr
Sie sitzen beim Frühstück zu Hause, als plötzlich ihre Wohnung gestürmt wird. Sie werden in eine Gefängniszelle gesperrt, obwohl sie unschuldig sind. Für viele Menschen ist wahrscheinlich allein die Vorstellung ein Alptraum. Doch einigen Menschen ist genau dies passiert. Sie saßen jahrelang für einen anderen hinter Schloss und Riegel, oder ihre Wohnung wurde verwüstet. Die finanzielle Entschädigung ist meist nur ein mehr als schwacher Trost.
Dies ist ein Alptraum. Schwer bewaffnete Polizisten stürmen eine Wohnung. Jürgen Finke ist das passiert. Er saß gerade in der Wohnung seiner Mutter beim Kaffee trinken: "Der Hund ist dann reingesprungen und hat mich dann angefallen und gebissen. Ich wurde dann Richtung Wohnzimmer getrieben und sollte mich dann auf den Boden legen."
Falsche Wohnung durchsucht
Das Problem: Die Polizisten hatten sich in der Tür geirrt. Statt in die linke Wohnung waren sie fälschlicherweise in die rechte eingedrungen. Strafrechtler kennen solche Ausnahmesituationen. Hausdurchsuchungen kommen viel öfter vor, als sich die meisten Menschen vorstellen. Und - man muss sie hinnehmen, wie Ulrich Sommer vom Deutschen AnwaltVerein (DAV) erläutert: "Es gibt einen Durchsuchungsbeschluss, der ist von einem Richter unterzeichnet, und daraufhin braucht sich der durchführende Polizeibeamte keine weiteren Gedanken zu machen. Es ist gerechtfertigt, es ist legitimiert. Und jeder Bürger, dem dies hingehalten wird, muss sich still in die Ecke setzen und eine solche Durchsuchung anschließend dulden."
Jürgen Finke wurde vom Polizeihund gebissen, verletzt und musste zweimal operiert werden. Die Polizei gibt zu, dass der Einsatz irgendwie falsch gelaufen sei: "Wir haben jetzt alles veranlasst, dass der Schaden, der materielle Schaden, der den Beteiligten entstanden ist, so schnell wie möglich reguliert wird."
Schmerzensgeld und Schadenersatz
Jürgen Finke will mehr. Er will Schmerzensgeld und Schadenersatz. Seine Aussichten sind aber eher schlecht, wie Ulrich Sommer vom DAV erläutert: "Ersatzansprüche nach Hausdurchsuchungen, da sprechen sie eines der dunkelsten Kapitel unserer Justiz an. Da muss man vielleicht grundsätzlich sagen: Die Justiz soll zwar für Gerechtigkeit sorgen, aber wenn es darum geht, eigenen Ungerechtigkeiten, die man begangen hat, wieder gut zu machen, kennen sie unsere Justiz nicht wieder."
Die Erfahrung, dass man gegenüber dem Staat oft schlechte Karten hat, macht auch ein junger Mann, der seinen Namen nicht nennen will. Er saß drei Tage unschuldig in Untersuchungshaft: "Im vergangen Jahr wurde ich auf dem Weg nach Hause verhaftet. Die Polizei warf mir vor, zusammen mit einem Freund in großen Stil Drogen verkauft zu haben. Ich hatte mit diesen Geschäften aber gar nichts zu tun."
Wer unschuldig in Haft sitzt, hat meist nur dann Anspruch auf Schadenersatz, wenn er von einem Gericht auch freigesprochen wird. Und selbst dann gibt es keinen kompletten Ersatz für Gehaltseinbußen und andere wirtschaftliche Schäden. Pro Tag zahlt der Staat nur 25 Euro. "Dass möglicherweise ihr Leben ruiniert ist, dass tatsächlich ihr Job weg ist, dass ihre Reputation, nach dem Motto irgendwas bleibt immer hängen, in der Umgebung, in der sie leben, öffentlich und privat möglicherweise auf Jahre hinaus ruiniert ist. Das wird ihnen niemand erstatten.", erklärt Ulrich Sommer vom DAV.
Quelle: ntv.de