Musikindustrie hilft sich selbt Umstrittene Abmahn-Aktionen
29.05.2008, 07:58 UhrSo genannte Peer-to-Peer-Tauschbörsen im Internet sind vor allem bei Jugendlichen sehr beliebt. Denn hier gibt es alles, was das Herz begehrt, unter anderem natürlich jede Menge Musik. Doch was viele nicht wissen: Was über eine Tauschbörse auf den Computer gelangt, wird gleichzeitig wieder ins Internet gestellt. Wer also eine Musikdatei herunterlädt, bietet sie gleichzeitig wieder jedem anderen Tauschbörsennutzer an - und wird somit zum virtuellen Musikalienhandel. In vielen Fällen ist das illegal. Inzwischen geht die Musikindustrie massiv gegen solche Urheberrechtsverstöße vor. Und das kann richtig teuer werden.
So wie für Hans-Dieter Kolke. 6000 Euro Schadenersatz forderte ein Rechtsanwalt von ihm, weil über seinen Internet-Anschluss mehr als 1000 Musikdateien in einer Tauschbörse angeboten worden sein sollen. Dabei wusste Kolke nicht einmal genau, was eine Tauschbörse überhaupt ist. Das ist für die Abmahner aber auch nicht entscheidend. "Im Haushalt leben zwar mehrere Personen, aber der Anschluss läuft auf meinen Namen. Deshalb hat man sich an mich gewandt", erklärt Kolke.
Das Prinzip solcher Peer-to-Peer-Tauschbörsen ist einfach: Suchbegriff eingeben, aus einer Liste auswählen und herunterladen. Der Tauschbörsen-User lädt die Musik nicht von einer einzigen Person, sondern von mehreren gleichzeitig. Von jedem bezieht er kleine Datenpakete. Gleichzeitig steht der private Computer des Nutzers allen anderen Tauschbörsennutzern offen. Sie laden also Musik von ihm, während er selbst lädt.
Datenspur beim Laden
Bei der Hamburger Pro Media GmbH wird Jagd auf die illegalen Downloader gemacht. Hier durchsuchen fast 100 Mitarbeiter im Schichtdienst beliebte Tauschbörsen. Mit wenigen Klicks können sie sehen, wer welche Musikdateien anbietet. Jeder User hinterlässt dabei eine Datenspur - die sogenannte IP-Adresse. Die ist ein wichtiger Hinweis auf den Inhaber des Internet-Anschlusses. Über den Provider lässt sich herausfinden, auf wen der Anschluss läuft.
Chef der Pro Media ist Rechtsanwalt Clemes Rasch. Mit den sichergestellten IP-Adressen erstattet er Strafanzeige im Auftrag der Musikfirmen - allein im vergangenen Jahr mehrere 10.000 Mal. Die Rechtsverletzung lässt sich mit den gesammelten Daten leicht belegen, erläutert Rasch. Bleibt die Frage: Wer war der Täter? "Das kann nur die Staatsanwaltschaft herausfinden, deswegen werden in jedem einzelnen Verfahren Strafverfahren eingeleitet."
Staatsanwälte winken ab
Doch an der Strafverfolgung seien die Rechteinhaber oft gar nicht interessiert, beklagen einige Staatsanwaltschaften und lehnen die Ermittlungen inzwischen ab. Der Musikindustrie gehe es nur darum, über die Strafanzeigen an die Namen der Anschlussinhaber zu kommen. Und die Folgeermittlungen sind kompliziert, erläutert Wolf-Tilman Baumert von der Staatsanwaltschaft Wuppertal. Schließlich muss die Straftat auch nachgewiesen werden: "Sie müssen beim Inhaber der IP-Adresse Durchsuchungen durchführen, den Computer sicherstellen und anschließend die Spezialisten der Polizei auswerten lassen. Erst dann hätten Sie den Nachweis, dass auch von diesem Rechner ein Download erfolgt ist."
Eine Hausdurchsuchung ist Hans-Dieter Kolke erspart geblieben. Dennoch musste er Schadenersatz zahlen, denn für die Musikindustrie gilt der Inhaber des Internet-Anschlusses als sogenannter "Störer". Die Rechtslage ist heikel, erläutert Rechtsanwalt Alexander Schultz:
"Bei der Störerhaftung geht es um die Frage, ob der Anschlussinhaber dazu verpflichtet ist, ohne Anlass seinen Anschluss soweit zu sichern und zu überprüfen, dass Dritte darüber keine Urheberrechtsverletzung begehen können. Das ist gerade im familiären Bereich hoch umstritten. In der Regel versucht man, eine Einigung mit der Musikindustrie zu finden." Auch Hans-Dieter Kolkes Fall endete in einem Vergleich. Sein Rechtsanwalt konnte den Schaden um die Hälfte auf 3000 Euro herunter handeln.
Quelle: ntv.de