Privatinsolvenz angemeldet Was bleibt zum Leben?
06.08.2016, 18:08 Uhr
Der Gerichtsvollzieher darf nur Güter mitnehmen, die sich auch noch zu Geld machen lassen.
(Foto: imago/blickwinkel)
Arbeitslosigkeit, Scheidung, gescheiterte Selbständigkeit - viele Wege führen in die Überschuldung, aber oft führt nur einer heraus: Die Privatinsolvenz, die mit einer Restschuldbefreiung endet. Worauf muss man während dieser Zeit verzichten?
Der Schufa-Scorewert liegt nur noch im einstelligen Bereich, der Schuldenberg wächst durch Zinsen und Inkassogebühren schneller, als er abgetragen werden kann und der Gerichtsvollzieher findet nichts mehr, was er pfänden kann? Wenn keine Aussicht auf ein Wunder besteht, ist die Privatinsolvenz die beste Lösung. Seit 2014 gibt es dafür neue Regeln, im besten Fall ist man jetzt schon nach drei entbehrungsreichen Jahren schuldenfrei. Die meisten Schuldner scheitern allerdings an den hohen Anforderungen für das beschleunigte Verfahren und müssen nach wie vor sechs Jahre mit dem auskommen, was ihnen nach der Pfändung bleibt. Aber was ist das eigentlich?
Einkommen
Nicht selten wenden Überschuldete den Großteil ihrer Einkünfte auf, um Kredite zu bedienen, die sie kaum jemals abbezahlen können. Das Insolvenzverfahren lässt ihnen mehr Raum. Wie viel während der mehrjährigen "Wohlverhaltensphase"vom Einkommen übrig bleibt, ist in der Pfändungstabelle geregelt. Mindestens 1079 Euro des Nettolohns dürfen die Schuldner behalten; wer weniger verdient, bleibt erstmal unbehelligt. Zahlt man Unterhalt an Kinder, Partner oder Ex-Partner, erhöht sich der Freibetrag um rund 300 Euro pro Person. Von dem, was darüber hinausgeht, muss man etwa zwei Drittel abgeben. Wie viel genau, das regelt die sogenannte Pfändungstabelle, die alle zwei Jahre erneuert wird.
Wer beispielsweise auf 1500 Euro netto kommt, muss 298 Euro abtreten. Ist ein Kind im Spiel, gehen nur elf Euro an die Gläubiger. Bei 2500 Euro netto sind fast 1000 Euro weg. Wenn man für eine Person Unterhalt zahlt, nur 510 Euro. Bei zwei Personen sind knapp 320 Euro abzutreten. Die Einkommensgrenze ist bei 3292 Euro netto erreicht. Alles, was drüber hinausgeht, kann voll gepfändet werden. Kindergeld geht übrigens extra und hat mit den Pfändungsgrenzen nichts zu tun.
Sonderzahlungen
Das Nettoeinkommen ist das eine. Aber wie sieht es mit den diversen Extras aus, die Arbeitnehmer mitunter neben dem regulären Monatsgehalt überwiesen bekommen? Vieles davon ist überhaupt nicht pfändbar. Das Urlaubsgeld steht Arbeitnehmern in voller Höhe zu, ebenso Zahlungen zu besonderen Betriebsereignissen. Auch vermögenswirksame Leistungen bleiben unangetastet. Gefahren- oder Erschwerniszulagen fließen ebenso komplett auf das Konto der Schuldner.
Strittig ist derzeit, wie mit Schichtzuschlägen umgegangen wird. Eigentlich galten die Zuschläge für Nacht-, Wechsel- oder Sonntagsarbeit bislang als voll pfändbar. Doch Anfang 2015 stufte das Landesarbeitsgericht Berlin die tariflichen Zuschläge als Erschwerniszulagen ein (AZ: 3 Sa 1335/14). Und die werden nicht an die Gläubiger abgeführt. Endgültige Klarheit kann hier erst ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts schaffen.
Von Weihnachtsgeld oder einem 13. Monatsgehalt bleibt die Hälfte übrig, jedoch maximal 500 Euro. Essenszuschläge oder geldwerte Vorteile, etwa durch die Dienstwagennutzung, können dagegen voll zum pfändbaren Einkommen gerechnet werden. Und auch Abfindungen werden zur Schuldentilgung verwendet.
Andere Einkünfte
Manche Einkünfte sind nur bedingt pfändbar. Sie werden normalerweise nicht angefasst, im Einzelfall kann aber anders entschieden werden. Das gilt für Unterhaltsrenten und auch für Einkünfte aus Stiftungen oder Spenden. Auch Unterstützungszahlungen aus Witwen-, Waisen- und Krankenkassen darf man normalerweise behalten.
Gegenstände
In der Zeit, in der das Insolvenzverfahren mit der anschließenden jahrelangen Wohlverhaltensperiode läuft, wird vom Schuldner eine angemessene Lebensweise erwartet. Das heißt nicht, dass man von trocken Brot leben und vorher sein Hab und Gut komplett zu Geld machen muss. Aber womöglich muss man auf Liebgewonnenes verzichten.
In der Wohlverhaltensperiode muss man lediglich einen Teil der Einkünfte abtreten, während des Insolvenzverfahrens wird auch das bewegliche Vermögen verwertet. Dabei muss der Gerichtsvollzieher aber zwei Dinge beachten: Was zum Leben und für die Arbeit gebraucht wird, darf er nicht mitnehmen. Außerdem darf er nur Dinge pfänden, die man noch mit Gewinn verwerten kann. Der alte Kassettenrekorder oder der fünf Jahre alte Laptop sind beispielsweise nicht unbedingt lebensnotwenig, aber eben auch kaum zu Geld zu machen.
Die üblichen Möbel und auch Kleidung darf man in aller Regel behalten, wertvolle Pelze ausgenommen. Auch viele Küchengeräte, den Staubsauger und die Waschmaschine zählen zum Alltagsbedarf, der Fernseher ebenfalls, wenn er nicht als Luxus eingestuft wird. Bei teuren Geräten oder Möbeln kann der Gerichtsvollzieher einen Austausch vornehmen. Also beispielsweise den 55-Zoll-Ultra-HD-TV für über 1000 Euro gegen ein altes Röhrenmodell ersetzen. Das Auto ist dann pfändbar, wenn man nicht für die Arbeit zwingend darauf angewiesen ist. Auch Schmuck darf der Gerichtsvollzieher mitnehmen, Eheringe ausgenommen.
Andere Vermögenswerte
Bargeld nimmt der Gerichtsvollzieher natürlich am liebsten, auch Wertpapiere lassen sich einfach zu Geld machen. Kapitallebensversicherungen und Direktversicherungen lassen sich in eine pfändungsgeschützte private Rentenversicherung umwandeln und sind dann in gewissem Rahmen geschützt.
Wenn man während der Insolvenzverfahrens erbt, geht das ganze Vermögen an die Gläubiger. In der Wohlverhaltensphase darf man immerhin die Hälfte behalten. Man kann das Erbe natürlich ausschlagen, dann bekommen die Miterben mehr. Womöglich werden sie sich später dafür erkenntlich zeigen.
Auch bei Schenkungen und Lottogewinnen ist der Zeitpunkt entscheidend. Kommt das Geld, während das Insolvenzverfahren läuft, kann man es direkt weiterreichen. In der Wohlverhaltensperiode darf man es dagegen komplett behalten.
Quelle: ntv.de