Hirndoping Was bringen Ritalin und Co?
19.07.2010, 14:11 UhrDie Prüfungszeit gerät für viele Stundeten zur Belastungsprobe. Mit ein paar Tassen Kaffee ist es da nicht immer getan, nicht wenige greifen zu Pillen, um den Schlaftrieb auszuschalten und die Denkleistung zu beschleunigen.
Dass sich Sportler mit Pillen zu größeren Muskeln oder längerer Ausdauer verhelfen, kennt man. Immer öfter werden Dopingmittel aber auch eingesetzt, um die geistige Fitness zu steigern. Gerade bei Studenten ist Hirndoping im Kommen: In stressigen Zeiten setzen einige nicht mehr nur auf Kaffee, sondern helfen mit Ritalin und Co. nach: "Es kommt immer wieder vor, dass sich Studierende mit Medikamenten für eine Hausarbeit oder eine Prüfung fit zu machen versuchen", sagt Claus Normann von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde. Die Welle aus den USA schwappe immer mehr nach Deutschland herüber.
Am häufigsten werden die Mittel Ritalin und Vigil mit Hirndoping in Verbindung gebracht - auch bekannt unter dem Namen des Wirkstoffes Modafinil. "Vigil wird eigentlich bei seltenen Schlafstörungen eingesetzt, da es hilft, wacher zu sein und weniger Schlaf zu benötigen", erklärt Normann. Ritalin hingegen werde normalerweise eingesetzt, wenn jemand unter einem Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom leidet. "Es aktiviert den Hirnstoffwechsel, sodass man sich auf das Wesentliche konzentrieren kann." Beide Mittel sind verschreibungspflichtig.
Viele würden schlucken
Viele Schüler und Studenten kennen solche Substanzen und stehen ihnen nicht unbedingt kritisch gegenüber, ergab eine Studie der Universitätsmedizin Mainz. Zwar gaben nur 1,6 Prozent der befragten Schüler an, schon einmal derartige Stimulanzien genommen zu haben. Bei den Studenten lag der Wert unter einem Prozent. "Das hört sich nicht viel an, doch uns erschrecken diese Zahlen schon", sagt Andreas Franke Franke. Immerhin seien viele bereit, solche Mittel einzunehmen: "Nur 10 bis 20 Prozent gaben an, sie unter keinen Umständen nehmen zu wollen."
Was aber erhoffen sich Studenten? Vigil soll länger wach machen. Ritalin soll helfen, sich besser aufs Lernen zu konzentrieren. Ob die Mittel das allerdings auch tun, sei nicht eindeutig geklärt, sagt Dimitris Repantis von der Berliner Charité. "Die genaue Wirkung dieser Mittel bei gesunden Menschen ist wissenschaftlich nicht klar belegt, dazu gibt es zu wenige Studien."
Ungeklärte Gefahren
Auch die Gefahren sind nicht geklärt. "Es ist zwar nicht zu erwarten, dass die beiden Mittel auf Dauer strukturelle Hirnschäden verursachen, da viele Kranke sie bereits längere Zeit nehmen", sagt Psychiater Normann. Möglicherweise machen Ritalin und Vigil auch nicht körperlich süchtig. Mit der psychischen Abhängigkeit allerdings könnte es anders aussehen: "Wer glaubt, Stress nur noch mit entsprechenden Medikamenten bewältigen zu können, könnte psychisch abhängig werden", warnt Normann. Außerdem seien Nebenwirkungen wie Übelkeit oder Kopfschmerzen nicht auszuschließen.
Ähnlich ungeklärt ist die Situation bei Medikamenten, die gegen Demenz helfen sollen. Anders als zum Beispiel bei Ritalin würde eine einzelne Tablette jedenfalls nicht zur Leistungssteigerung reichen. "Antidementiva müssen von Patienten regelmäßig eingenommen werden, um ihre Wirkung zu entfalten", erklärt Psychiater Repantis. Eine einzelne Klausur dürfte diesen Aufwand kaum lohnen.
Quelle: ntv.de, ino/dpa