Spitzeln wie bei Lidl Was der Arbeitgeber darf
27.03.2008, 12:34 UhrVideokameras und minutiöse Protokolle - der Lebensmitteldiscounter Lidl hat seine Mitarbeiter in zahlreichen Fällen detailliert überwacht. Dabei registrierten die engagierten Detektive beispielsweise, wann und wie oft die Mitarbeiter aufs Klo gingen und wer mit wem möglicherweise ein Liebesverhältnis hat. "Das ist völlig rechtswidrig", sagt die Rechtsanwältin Verena S. Rottmann angesichts solcher Berichte.
Videoüberwachung sei nur in Ausnahmefällen erlaubt - zum Beispiel, wenn gerechtfertigter Verdacht auf eine Straftat besteht. Diebstahl, Unterschlagung oder Körperverletzung im Betrieb kämen als Verdachtsmoment infrage. Doch auch dann dürfen Arbeitgeber Mitarbeiter nicht flächendeckend bespitzeln: "Das verletzt die Persönlichkeitsrechte."
Eine Lidl-Sprecherin sagte gegenüber dem "Stern", die Protokolle dienten dem Feststellen eventuellen Fehlverhaltens und nicht der Überwachung. "Eventuell' reicht aber nicht", sagt Rottmann. "Es muss dafür einen dringenden Verdacht geben." Und nur ein gewisses Maß müssen sich Arbeitnehmer gefallen lassen.
Offen oder heimlich?
Dabei gilt vor allem zu unterscheiden, ob eine Überwachung heimlich oder offen erfolgt, sagt Martin J. Warm, Fachanwalt für Arbeitsrecht. "Eine offene Überwachung ist grundsätzlich unbedenklich und in vielen Bereichen von den Gerichten anerkannt." Möglicherweise müsse vor bestimmten Überwachungsmaßnahmen der Betriebsrat eingeschaltet werden. "Bei verdeckten Überwachungen ist es schon schwieriger."
Grundsätzlich ist die Freizeit der Beschäftigten für den Arbeitgeber tabu - allerdings nicht ohne Ausnahmen, wie der Rechtsanwalt erläutert. "Wenn ein Arbeitgeber den begründeten Verdacht hat, dass ein Arbeitnehmer beispielsweise eine Krankmeldung nur vortäuscht, aber tatsächlich an anderer Stelle arbeitet, dann kann es gerechtfertigt sein, eine Detektei zu beauftragen."
E-Mails und Telefonate
Auch Telefonate und E-Mails seiner Mitarbeiter darf der Arbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen überwachen, wie Rottmann erläutert. "Gewählte Telefonnummern, Uhrzeit und Dauer der geführten Gespräche dürfen gespeichert werden, sofern es hierfür eine entsprechende Betriebsvereinbarung gibt oder eine spezielle Regelung im Arbeitsvertrag enthalten ist."
Zudem dürfe sich der Arbeitgeber den Inhalt geschäftlicher E-Mails zeigen lassen oder private E-Mails generell verbieten. "Eine solche Weisung muss lediglich im Betrieb bekanntgemacht werden, beispielsweise durch einen Aushang", erläutert Rottmann. "Der Inhalt privater E-Mails ist allerdings für den Arbeitgeber in aller Regel tabu."
Michael Eckert, Rechtsanwalt und Vorstandsmitglied des Deutschen Anwaltsvereins, rät Arbeitgebern und Beschäftigten, im Vorfeld von Streitigkeiten für klare Verhältnisse zu sorgen. "Zum Beispiel bei der Frage nach der Kontrolle von E-Mails sollten die geltenden Regelungen für beide Seiten schriftlich festgehalten werden."
Arbeitszeit-Kontrolle
Grundsätzlich können Arbeitgeber die Einhaltung der Arbeitszeit durch ihre Mitarbeiter kontrollieren. Bestimmte Überwachungsmaßnahmen dürfen aber nur eingesetzt werden, wenn der Betriebsrat zuvor zustimmt, zum Beispiel der Einsatz sogenannter Finger-Scans. Zeiterfassungssysteme wie Stechuhren oder Magnetkarten sind bereits vielerorts im Einsatz und als zulässig anerkannt. Die Grenze zur Persönlichkeitsverletzung wird aber in der Regel dort überschritten, wo jeder Toilettengang oder jede kurze Rauchpause während der Arbeitszeit systematisch erfasst wird - denn damit ließe sich ein vollständiges Bewegungsprofil eines jeden Mitarbeiters erstellen.
Quelle: ntv.de