Schadenersatz möglich? Wenn der Stromanbieter nicht mehr liefert
06.01.2022, 19:07 Uhr
Mancher Anbieter stellt schon mal die Belieferung ein.
(Foto: imago/McPHOTO/S.Niehoff)
Diverse Energieversorger haben zuletzt die vertraglich vereinbarte Stromlieferung eingestellt. Begründet wird dies oft mit einer Preisexplosion am Strommarkt. Im Dunkeln muss erst mal niemand sitzen, handeln aber schon.
Die stark gestiegenen Energiepreise schlagen voll auf die Verbraucher durch. Im Schnitt verteuerte sich Strom laut Vergleichsportal Check24 um fast 65 Prozent. Für einen Musterhaushalt mit einem Verbrauch von 5000 Kilowattstunden bedeute dies zusätzliche Kosten von durchschnittlich 1045 Euro pro Jahr.
Doch nicht immer bleibt es nur bei höheren Kosten. Mancher Anbieter stellt gleich die Belieferung ein und hält sich damit nicht an zuvor vereinbarte Vertragslaufzeiten. Zuletzt wurden alle Stromlieferverträge für die Marken "Stromio" und "Grünwelt Energie" mit Ablauf des 21. Dezember beendet. In einem Schreiben an seine Kunden gab der Stromanbieter Stromio eine "historisch einmalige Preisentwicklung im Strommarkt" an, welche das Unternehmen mit einer nie dagewesenen Preisexplosion an den europäischen Energiehandelsplätzen konfrontiere und nicht vorauszusehen gewesen sein. Im letzten Jahr haben derart laut Bundesnetzagentur mindestens 38 Anbieter angezeigt, die Stromlieferung beenden zu wollen.
Niemand muss im Dunkeln sitzen
Die gute Nachricht lautet: Sollte der Anbieter die Belieferung stoppen, übernimmt der örtliche Grundversorger die Strom- oder Gaslieferung. Es erfolgt keine Versorgungsunterbrechung. Niemand muss im Dunkeln oder im Kalten sitzen. Denn das Energiewirtschaftsgesetz verpflichtet den örtlichen Grundversorger, im Notfall einzuspringen und die sogenannte Ersatzversorgung für bis zu drei Monate sicherzustellen. Nach Ablauf dieser Frist landen Kunden dann automatisch im meist sehr teuren Grundversorgungstarif. Dieser kann dann jederzeit mit einer Frist von 2 Wochen gekündigt werden.
Verbraucherzentrale.de rät deshalb Betroffenen umgehend nach Belieferungseinstellung durch den alten Anbieter und Versorgung durch den Grundversorger:
- In einen günstigeren Tarif zu wechseln, wenn denn einer gefunden wird.
- die Einzugsermächtigung gegenüber dem bisherigen Anbieter schriftlich zu widerrufen beziehungsweise einen Dauerauftrag bei der Bank zu kündigen
- den Zählerstand zum mitgeteilten Belieferungsende selbst abzulesen und dem Netzbetreiber und Grundversorger mitzuteilen.
Die Frage, ob derartige De-facto-Kündigungen der Versorger überhaupt rechtens sind, wird von den Verbraucherschützern angezweifelt. Und die bekommen Unterstützung für ihre Einschätzung vom Bundesministerium für Umwelt und Verbraucherschutz. Demnach müssen Kunden, deren laufender Stromvertrag gekündigt wurde, keine Preiserhöhungen akzeptieren. "Der Versorger, der die Kündigung ausspricht, begeht aus unserer Sicht einen Vertragsbruch", sagte ein Ministeriumssprecher denn auch. Betroffene hätten ein Recht darauf, "den gleichen Preis für den Strom" zu zahlen, "wie sie es mit ihrem ersten Lieferanten, dem Hauptlieferanten, ausgemacht" hätten.
Schadenersatz fordern
Die Verbraucherzentrale indes stellt die Frage, ob die Kündigungen überhaupt wirksam seien. Verbunden mit einer Belieferungseinstellung kann dies zu einem Schadensersatzanspruch führen. Der Anbieter hat sich für einen bestimmten Zeitraum zu der Belieferung mit Energie vertraglich verpflichtet. Hält er seine vertragliche Verpflichtung nicht ein, indem er die Belieferung einstellt und auch nicht wirksam kündigt, liegt eine Vertragspflichtverletzung vor. In der Konsequenz sieht dies das Ministerium genauso. Der kündigende Anbieter ist verpflichtet, "dem Kunden eine Schadenersatzleistung zu zahlen".
Denn entsteht durch die Vertragspflichtverletzung ein Schaden, dann besteht ein Anspruch auf Ausgleich des Schadens. Dieser kann dadurch entstehen, dass die Belieferung durch den Grundversorger oder auch durch einen anderen Anbieter nur zu einem höheren Preis als im ursprünglich vereinbarten Tarif möglich ist. Der Schaden ist dann die Differenz zwischen dem ursprünglich vereinbarten (niedrigeren) Preis und dem neuen (höheren) Preis der Belieferung. Die Differenz zwischen den Preisen erhöht so lange den Schaden, bis der Anbieter nach den Vertragsbedingungen die nächste ordentliche Kündigungsmöglichkeit hätte. Auch ein vereinbarter Bonus, der eine bestimmte Belieferungszeit voraussetzt, die aufgrund einer Belieferungseinstellung nicht erreicht wird und aufgrund dessen nicht ausgezahlt wird, stellt einen Schaden dar.
Laut der Verbraucherzentrale sollten betroffene Verbraucher ihrem alten Anbieter mitteilen, dass sie die Kündigung, die Ankündigung der Einstellung der Belieferung und die Belieferungseinstellung selbst für nicht zulässig halten. Ebenfalls sollte mitgeteilt werden, dass eine Geltendmachung eines Schadensersatzes wegen einer Vertragspflichtverletzung vorbehalten wird. Wenn der Schaden beziffert werden kann, sollte er dem treulosen Anbieter mitgeteilt und dieser aufgefordert werden, diesen auszugleichen.
Quelle: ntv.de, awi