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Klassenfahrt auf eigene Kosten Wie die Länder Lehrer zur Kasse bitten

Viele Klassenfahrten finden nur statt, weil der Lehrer seinen Anteil aus eigener Tasche bezahlt.

Viele Klassenfahrten finden nur statt, weil der Lehrer seinen Anteil aus eigener Tasche bezahlt.

(Foto: picture-alliance / dpa/dpaweb)

Was in keinem Unternehmen und keiner Behörde denkbar ist, für Lehrer ist es Alltag: Dienstreisen werden aus eigener Tasche bezahlt. Das gilt zumindest für Klassenfahrten. Erst wenn Lehrer klagen, werden solche Regelungen gekippt. Und dann? Dann finden Länder ihren eigenen Weg, die Pädagogen zur Kasse zu bitten.

Schüler in Brandenburg müssen in Zukunft möglicherweise auf ihre Klassenfahrten verzichten. In der vergangenen Woche ließ die Potsdamer Bildungsministerin Martina Münch (SPD) die entsprechenden Planungen an den Schulen des Landes für das kommende Schuljahr stoppen.

Grund ist ein Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder): Bislang mussten Brandenburger Lehrer unterschreiben, dass sie auf die Erstattung von Reisekosten bei Klassenfahrten verzichten. Dagegen klagte ein Chemielehrer aus Frankfurt und bekam Recht. Für Brandenburg gibt es nun zwei Möglichkeiten: Entweder das Land stockt den Etat für Klassenfahrten drastisch auf - bislang sind es 150.000 Euro, nach einer Schätzung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sind künftig mindestens 2 Millionen Euro nötig. Oder die Zahl der Klassenfahrten wird reduziert.

Möglich ist allerdings auch eine dritte Lösung: Die Landesregierung könnte den rechtlichen Rahmen ändern und den Etat nur leicht erhöhen. Diesen Weg gehen die meisten Bundesländer, für die ähnliche Urteile gesprochen wurden.

Abkassieren der Lehrer ist die Regel

Denn dass Lehrer von ihren Landesregierungen zur Kasse gebeten werden, ist eher die Regel als die Ausnahme. Die Sachlage sei in fast allen Bundesländern gleich oder ähnlich, sagt Heinz-Peter Meidinger, der Vorsitzende des Deutschen Philologenverbands, im Gespräch mit n-tv.de: "Grundsätzlich gab und gibt es in vielen Bundesländern zumindest den moralischen Druck, die eigenen Reisekosten bei einer Klassenfahrt selbst zu zahlen." Urteile wie das aktuelle aus Brandenburg seien die juristische Reaktion darauf, dass diese Praxis rechtswidrig ist.

Nach zwei ähnlichen Urteilen werden in Nordrhein-Westfalen die Wanderrichtlinien des Landes derzeit überarbeitet. Klar ist jetzt schon: "Lehrer bekommen in Zukunft ihre vollen Reisekosten für Klassenfahrten erstattet", sagt ein Sprecher des NRW-Schulministeriums n-tv.de. Der entsprechende Posten sei im Landeshaushalt 2013 bereits erhöht worden, von bislang 6 auf nun 13,5 Millionen Euro.

Die Mittel reichen nicht aus

Ob diese Summe reicht, bleibt abzuwarten. In Bayern ist es Schulleitern schon seit Jahren generell untersagt zu verlangen, dass Lehrer auf die Erstattung verzichten. Auch hier war ein Urteil der Auslöser. Ein freiwilliger Verzicht ist allerdings weiterhin möglich - und in vielen Fällen auch nötig, um eine Klassenfahrt durchzuführen. Denn die Reisekosten wurden in Bayern zwar aufgestockt, reichen aber bei weitem nicht aus.

Verbandschef Meidinger ist Direktor eines Gymnasiums in Deggendorf, ihm stehen für Klassenfahrten rund 5000 Euro pro Schuljahr zur Verfügung. Nötig wären Mittel in doppelter Höhe, sagt er. Um die Lücke zu füllen, springen nach wie vor Lehrer ein. "Es gibt Kollegen, die ihre eigenen Reisekosten kleinrechnen", so Meidinger. Schließlich wollen sie ihre Schüler nicht enttäuschen. Etwa die Hälfte seiner Kollegen geht so vor, schätzt er. Dabei handelt es sich bei ihren Klassenfahrten nicht etwa um überflüssige Spaß-Veranstaltungen: Die Ski-Fahrten in der Unterstufe oder auch die Fahrten zu ehemaligen Konzentrationslagern stehen sogar im Lehrplan, sind also vorgeschrieben.

Einen Stopp für Klassenfahrten wie in Brandenburg hält Meidinger für den völlig falschen Weg, denn damit würden die Schüler bestraft. Alle Klassenfahrten und Studienreisen, die schulischen Zwecken dienten, müssten auch durchgeführt werden können, fordert er. "Es muss endlich Schluss damit sein, dass der Idealismus von Lehrkräften von den Landesregierungen schamlos ausgenutzt wird."

Quelle: ntv.de, hvo

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