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Ein Sommer zum Vergessen Wie Dennis Schröder 78 Millionen verspielte

In den Playoffs scheiterten Schröder und die Lakers in Runde eins.

In den Playoffs scheiterten Schröder und die Lakers in Runde eins.

(Foto: USA TODAY Sports)

Der große Zahltag für Dennis Schröder in der NBA ist ausgeblieben. Statt einen langfristigen Vertrag zu unterschreiben, muss er sich nun ein Jahr lang beweisen. Es ist der Abschluss eines Sommers, der kaum schlechter hätte laufen können.

Zumindest die Häme kostet Dennis Schröder nichts, und davon bekommt Deutschlands bester Basketballer in diesen Tagen reichlich ab. Der Aufbauspieler wechselt von der Westküste der USA an die Ostküste, von einem Rekordmeister zum anderen, von den Los Angeles Lakers zu den Boston Celtics. Erstmals in seiner NBA-Karriere wählt der 27-Jährige seinen Arbeitgeber in der spektakulärsten und besten Liga der Welt selbst aus. Ein Schritt, der ihn allem Anschein nach rund 78 Millionen US-Dollar kostet. Und damit mehr Geld, als er seit seinem Wechsel in die NBA im Sommer 2013 verdient hat - die 5,9 Millionen, die er in Boston für die kommende Saison erhält, schon eingerechnet.

Die Einigung auf den Ein-Jahres-Vertrag mit den Celtics ist das vorläufige Ende einer Wette auf sich selbst, die Schröder deutlich und unzweifelhaft verloren hat. Im Frühjahr hatte der Point Guard übereinstimmenden Medienberichten zufolge die Chance, in Los Angeles für vier Jahre und 84 Millionen zu verlängern. Schröder lehnte ab, wollte sich stattdessen mit starken Leistungen in der regulären Saison und den Playoffs für ein besseres Angebot empfehlen. Die Lakers aber enttäuschten in der Postseason und scheiterten, angetreten mit dem (angesichts der angeschlagenen Superstars LeBron James und Anthony Davis zugegeben sehr ambitionierten) Ziel Titelverteidigung, schon in Runde eins.

Schröder blieb dabei deutlich unter den Erwartungen. Er traf in den letzten drei Spielen nur katastrophale 9 von 36 Würfen, wartete anschließend vergeblich auf lukrative Offerten und muss sich nun vorrechnen lassen, 78 Millionen verloren zu haben. Ohne einen einzigen Cent weniger auf seinen Kontoauszügen zu finden. Ein offenbar eher geringer Trost: Die renommierte Tageszeitung "Boston Herald" berichtet von einer "Schockstarre" beim 27-Jährigen, als dieser seine Situation realisiert habe. Das Selbstvertrauen, mit dem Schröder es vom Freiplatz in Braunschweig zum derzeit besten aktiven deutschen Basketballer gebracht hat, es wurde nicht belohnt.

Versicherung kostet die Olympia-Teilnahme

Um Schröders Entscheidung gegen die Verlängerung in Los Angeles nachzuvollziehen, lohnt der Blick in den Tarifvertrag der NBA. Der nämlich sorgt dafür, dass die meisten Profis erst am Ende ihres zweiten Vertrages ihren Arbeitgeber erstmals völlig frei wählen können. Genau diesen Punkt erreichte Schröder in diesem Sommer, nachdem er im Draft 2013 von den Atlanta Hawks an 17. Stelle ausgewählt worden war und nach vier Jahren einen neuen Vertrag über vier Jahre unterschrieb. Kein anderes Team hätte ihm annähernd so gute Konditionen wie Atlanta bieten können. 2018 schickten ihn die Hawks mitsamt seinem Vertrag zu den Oklahoma City Thunder, die ihn 2020 wiederum nach Los Angeles transferierten.

Schröder ist nun erstmals "Free Agent", wie vertragsfreie Spieler offiziell genannt werden. "Das ist einfach mal eine Sache, das will ich mal fühlen, das will ich mal erfahren, wie es ist", hatte er im Frühjahr dazu im Gespräch mit deutschen Medien gesagt.

Was zum großen Zahltag werden sollte, wurde der Abschluss eines Sommers zum Vergessen. Denn die Wette auf den großen Vertrag verhinderte, dass Schröder mit der deutschen Nationalmannschaft zu den Olympischen Spielen nach Tokio reiste. Schon das unmittelbar vorgelagerte Qualifikationsturnier verpasste der Point Guard, was Armin Andres als Vizepräsident des Deutschen Basketball-Bundes so begründete: Schröder erwarte einen langjährigen Vertrag mit einem Gesamtvolumen von "100 bis 120 Millionen" und "diese Versicherungssumme lässt sich momentan [...] nicht versichern". Statt auf dem Feld das Team anzuführen, wurde Schröder notgedrungen zum Edelfan. Für den Ein-Jahres-Vertrag bei den Celtics wäre ziemlich sicher eine Versicherung aufzutreiben gewesen.

Nicht ganz so viel Gewinn erwarten

Stattdessen blieb Schröder nun kaum etwas übrig, als erneut auf sich selbst zu setzen. Spielt er noch eine Saison wie die vergangene für die Lakers, werden die Angebote auch im Sommer 2022 spärlich ausfallen. In den Fokus dürfte dabei vor allem die Dreierquote rücken. Während Schröder 2019/20 für Oklahoma City noch 38,5 Prozent seiner Distanzwürfe traf und damit über dem NBA-Durchschnitt lag, waren es 2020/21 nur noch unterdurchschnittliche 33,5 Prozent. In einer Liga, in der verlässliche Dreierschützen elementar für den Teamerfolg sind, ist das zu wenig, gerade weil Schröders Spiel sich vor allem über seine Offensive und weniger über die Verteidigung definiert.

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Neben den sportlichen Fragezeichen könnte auch die Unruhe um Schröder neben dem Feld dazu beigetragen haben, dass er überraschend lange auf ein Vertragsangebot warten musste. Kurz vor den Playoffs hatte er sieben Spiele aufgrund des NBA-Gesundheitsprotokolls verpasst und in einem Interview nach seiner Rückkehr bekannt, er sei "der einzige [Spieler der Lakers; Anm. d. Red], der sich nicht [gegen das Coronavirus] hat impfen lassen". Das Impfen sei "eine schwierige Sache" für ihn, sagte er im April. Damals waren laut NBA-Chef Adam Silver schon über 70 Prozent der Profis mindestens einmal geimpft, im Juli sagte Michele Roberts als Chefin der Spielergewerkschaft, dass es inzwischen 90 Prozent seien. Ob Schröder dazu gehört, ist nicht bekannt.

Immerhin ist aber nun nach wochenlanger Spekulation klar, mit welchem Klub der 27-Jährige in die neue NBA-Saison geht. Für die Celtics ist Schröder eine gute Verpflichtung, das Risiko mit einem Ein-Jahres-Vertrag und dem vergleichsweise geringen Gehalt überschaubar. Für den zweifachen Vater bietet sich bei einem Team mit klaren Playoff-Ambitionen die Chance, sich neben dem sportlichen Erfolg für die Free Agency im kommenden Sommer zu positionieren. Eine neue Wette sozusagen. Wobei er gut beraten wäre, die Gewinnerwartung etwas zu verringern.

Quelle: ntv.de

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