Wolff umschifft Vettel-Frage "Bombe des Jahrhunderts" trifft Mercedes unvorbereitet
02.02.2024, 22:20 Uhr
Der Sensationswechsel von Lewis Hamilton zu Ferrari sorgt für ein Erdbeben in der Formel 1. Nicht zuletzt sein Noch-Team Mercedes steht plötzlich unter gewaltigem Druck. Teamchef Toto Wolff offenbart, dass er vom Zeitpunkt der Entscheidung überrascht wurde.
Eigentlich war nur ein ungezwungener Austausch geplant, sagte Toto Wolff. Dann aber ließ Lewis Hamilton in Wolffs Haus in Oxford die Katze aus dem Sack. "Er sagte, dass er eine Veränderung braucht und dass er 2025 für Ferrari fährt", gab der Mercedes-Motorsportchef am Freitag äußerlich gelassen wieder, was in internationalen Medien mal als "Blitzeinschlag" ("Il Messagero") oder wahlweise als "Bombe des Jahrhunderts" ("Marca") beziehungsweise "gigantischster aller Schocks" ("The Independent") eingeordnet wurde.
Er habe Hamilton gar nicht versucht umzustimmen, räumte Wolff ein. "Wenn man als Erwachsener eine Entscheidung trifft, dann ist sie gefallen und man muss sie zur Kenntnis nehmen." Einen Schluck Wasser musste er nach Hamiltons Abschiedsworten gleichwohl erstmal nehmen.
Der erfolgreichste Fahrer der Formel-1-Geschichte wechselt zum historisch erfolgreichsten Team. Eine Nachricht, mit der die Winterruhe in der Motorsport-Königsklasse auf einen Schlag beendet war. Wolff allerdings stellte sich gewohnt pragmatisch der Situation: "Das Ereignis an sich hat mich nicht so sehr überrascht, aber der Zeitpunkt." Dieser ist durchaus ungewöhnlich, zumal Ferrari in der vergangenen Saison gegen Red Bull ebenso wenig ausrichten konnte wie Mercedes. Und: Das Auto der Silbernen für 2024 hat der 39-jährige Hamilton noch nicht auf der Strecke bewegt. Also ein Trip ins Blaue - oder vielmehr: Rote?
"Wir sind große Jungs. Wir können das akzeptieren"
Als "undrivable", unfahrbar, hatte Wolff den Silberpfeil in den vergangenen beiden Jahren immer wieder bezeichnet. Meist dann, wenn sein Lieblingsschüler Hamilton mit stumpfen Waffen gegen Max Verstappen kämpfte. Die Sorge, Hamilton könnte hinschmeißen und zurücktreten, schwang immer mit. Aber ein Teamwechsel? Der Rekordweltmeister wurde ja auch nie müde, seine Verbundenheit mit Mercedes auszudrücken. Bis zu seinen "letzten Tagen im Motorsport" sehe er sich bei der Marke mit dem Stern, beteuerte Hamilton erst im vergangenen Jahr. Nun die Wende, ermöglicht durch einen Vertrag bis 2025 mit Ausstiegsklausel für beide Parteien.
"Wir sind große Jungs. Wir können akzeptieren, dass er seine Meinung geändert hat", kommentierte Wolff: "Wir hatten eine unglaubliche Reise gemeinsam, diese wollen wir 2024 auf einem Hoch beenden." Hamilton werde nicht minder in die Abläufe eingebunden, bekräftigte Wolff. Die Rückkehr an die Spitze der Formel 1, wo Fahrer und Team zwischen 2014 und 2020 unangefochten thronten, ist das Ziel. Hamilton hat daran wohl nicht mehr so recht geglaubt, 82 Siegen für das Werksteam zum Trotz - der letzte immerhin liegt über zwei Jahre zurück. "Was für ihn nicht so sichtbar war in den letzten Monaten, war der Dampf im Team, der Enthusiasmus. Es geht immer vorwärts, immer vorwärts", erklärte Wolff am Freitag kämpferisch.
"Ich möchte keinen romantischen Gedanken verfolgen"
Doch Ferrari hat eben auch gute Argumente. Teamchef Fred Vasseur ist ein Ziehvater Hamiltons aus dessen Zeit im Unterbau der Formel 1, die Scuderia zahlt dem Megastar angeblich bis zu 70 Millionen Euro pro Jahr, die Entwicklungskurve sah zuletzt einen Tick steiler aus als die von Mercedes - und der Versuchung Ferrari sind ja schon andere erlegen. "Jeder Rennfahrer träumt davon, in einem roten Overall zu stecken und das rote Auto zu fahren", räumt auch Wolff ein.
Der 52-Jährige ist nun gefordert, sein Team für die Zukunft aufzustellen. Für 2025, aber auch für 2026, wenn ein neues Reglement greift, das die Kraftverhältnisse durcheinanderwirbeln könnte. Hamiltons Teamkollege George Russell habe "das Potenzial, das Team anzuführen", betonte Wolff. Bei der Suche nach dem Hamilton-Nachfolger wolle er "niemanden zu keinem Zeitpunkt ausschließen", dafür habe er in der Formel 1 schon zu viel gesehen. Die Frage nach einem Versuch, den viermaligen Champion Sebastian Vettel zum Comeback zu bewegen oder Mick Schumacher vom Ersatzfahrer zum Stammpiloten ab 2025 zu befördern, umschiffte Wolff recht poetisch: "Ich möchte keinen romantischen Gedanken verfolgen." Für konkrete Namen sei es noch zu früh.
Quelle: ntv.de, tno/sid