
Wird Vettel noch zum lachenden Gewinner?
(Foto: imago images/Laci Perenyi)
Wochenlang hagelt es nach dem Ferrari-Aus nur Absagen für Sebastian Vettel. Alles sieht danach aus, dass der Formel-1-Pilot in der kommenden Saison arbeitslos sein wird. Doch das Blatt scheint sich zu wenden: Plötzlich könnte der 33-Jährige zum Profiteur mit der Qual der Wahl werden.
"Ich habe schon Lust, es ist aber extrem kurz gewesen. Ich kann mich nicht an ein so kurzes Rennen erinnern." Die letzte Ferrari-Saison ist für Sebastian Vettel bislang ein äußerst mieses Erlebnis: Nachdem er zum Auftakt der Formel 1 in Österreich nur Zehnter wurde, schoss ihn beim zweiten Spielberg-Rennen sein Teamkollege Charles Leclerc von der Piste. Nach wenigen Kurven war Schluss. Womöglich ein schlechtes Omen für die Zukunft des 33-Jährigen?
Am Jahresende ist er - Stand jetzt - arbeitslos. Sein Vertrag bei der Scuderia läuft aus, er wird durch Carlos Sainz junior ersetzt. Und auch sein Flirt mit Mercedes hat nichts gebracht. "Der Mercedes", so Vettel gegenüber RTL, "ist das beste Auto im Feld und in gewisser Weise für jeden von uns Fahrern eine Garantie, dass er, wenn er einsteigt, um den Sieg mitfahren kann. Wie ich gesagt habe, ist es mir wichtig, dass ich ein konkurrenzfähiges Auto haben werde in der Zukunft. Deswegen wäre das eine Option." Aber: Das Weltmeister-Team hat sich mit Valtteri Bottas auf eine weitere Zusammenarbeit geeinigt. Mit Platz eins und zwei in Österreich hatte der Finne die Werbetrommel kräftigst für sich gerührt.
Und auch wenn Mercedes-Teamchef Toto Wolff Vettel kürzlich noch als "tolle Persönlichkeit" und "herausragenden Rennfahrer seiner Generation" gelobt hatte, machte Daimler-Vorstand Ola Källenius kurzen Prozess mit dem Traum der deutsch-deutschen Partnerschaft: "Wir bleiben bei unseren zwei Jungs", war der entscheidende Schritt zur Vertragsverlängerung mit Bottas. Serien-Weltmeister Lewis Hamilton wird wohl bald folgen. Die Rückkehr von Fernando Alonso zu Renault blockiert ein weiteres mögliches Cockpit.
Gibt's das Comeback?
Muss Vettel also tatsächlich seine Karriere beenden? Der Deutsche Vierfach-Weltmeister geht jedenfalls nicht freiwillig - und noch ist die Saison nicht rum. Ex-Rennfahrer Gerd Berger sagt etwa, dass er Vettel Chancen bei Racing Point ausrechnet: "So wie im Fahrerlager hinter der Hand diskutiert wird, ist das Thema wahrscheinlich schon gelaufen. Deshalb kann ich mir vorstellen, dass Sebastian bei Racing Point auftauchen wird", so der frühere Vettel-Teamchef über den Rennstall, der ab 2021 als Aston Martin fahren wird. Die "Bild"-Zeitung berichtet sogar, dass Vettel schon mit den Verantwortlichen spricht: "Eine Einigung wird erwartet." Laut RTL/ntv-Informationen sind die Gespräche zwischen beiden Seiten dagegen längst nicht so weit fortgeschritten. Vettel sagte gegenüber Sport1: "Meine Zukunft ist weiterhin offen. Es ist gar nichts entschieden."
Ein Weltmeister wie Vettel würde dem aufstrebenden Team indes gut zu Gesicht stehen - und dem Anspruch beider Seiten gerecht werden: Aston Martin will großspurig Mercedes angreifen, Vettel "weiterhin etwas erreichen". Allerdings sind dort bislang Sergio Pérez und Lance Stroll angestellt. Schlecht für Vettel: Stroll gilt als Sohn von Mehrheitseigner Lawrence Stroll als unkündbar. Pérez weiß als mexikanisches Formel-1-Aushängeschild einen Millionen-Sponsor hinter sich, zudem läuft sein Vertrag noch bis 2022. Allerdings enthält dieser laut "Bild"-Zeitung "eine Abfindungsklausel, die bis 31. Juli aktiviert werden kann". Die könnte den Weg für Vettel frei machen.
Albon ist der Wackelkandidat
Eine weitere Alternative sehen ntv-Experte Felix Görner sowie Ex-Rennfahrer Ralf Schumacher bei Red Bull: Ein Comeback sei "möglich". Bei dem Rennstall, mit dem Vettel viermal in Folge Weltmeister werden konnte - bevor er zu Ferrari wechselte und dort den hohen Ansprüchen nicht gerecht wurde. Max Verstappen gilt als gesetzt bei den Österreichern. Doch ein zweiter Top-Fahrer fehlt dem Rennstall. Der Thailänder Alex Albon konnte bislang nicht überzeugen, musste das erste Rennen vorzeitig beenden. Im zweiten Spielberg-Grand-Prix wurde er zwar Vierter, hatte aber fast 45 Sekunden Rückstand auf den Sieger Lewis Hamilton. Auf Verstappen fehlten ihm immerhin elf Sekunden. Schumacher schrieb in seiner Sky-Kolumne: "Alexander Albon hat am Wochenende wieder keine glückliche Figur im Red Bull gemacht. Man darf nicht vergessen, er ist im Schnitt eine halbe Sekunde langsamer als Verstappen! Pro Runde!"
Für den Rennstall, der vor der Saison lautstark und selbstbewusst verkündete, künftig um die Weltmeisterschaft mitfahren zu wollen, zu wenig. Jedoch spricht die familiäre Verbindung Albons für ihn - der 24-Jährige wird von seiner thailändischen Familie gefördert, der 51 Prozent des milliardenschweren Red-Bull-Konzerns gehören -, gibt Görner zu Bedenken. Was wiegt also schwerer? Der Sport oder das Sponsoring? "Auf Dauer kann sich ein Team so etwas nicht leisten", so Schumacher über die mangelnde Leistung. "Sie brauchen einen Fahrer, der regelmäßig Zweiter oder Dritter wird hinter Max. Sonst verlieren sie zu viel in der Konstrukteurswertung."
Vettel geht seinerseits ganz offenherzig den Flirt mit seinem Ex-Arbeitgeber an. Auf die Frage, ob er ein Angebot von Red Bull annehmen würde, antwortete er schlicht: "Ja." Für Vettel sei es nun wichtig, nicht aufzugeben, so Schumacher. "Er ist ein Fahrer der Extraklasse. Keine Frage. Vierfacher Weltmeister." Das hat sicherlich auch Red Bull nicht vergessen, denn bislang ist Vettel der einzige Weltmeister des Teams. Und es sieht nicht so aus, als würde Verstappen ihm diesen Titel in dieser Saison streitig machen können. Zu weit enteilt ist Mercedes bereits, zu kurz wird die Saison aufgrund der Coronavirus-Pandemie sein, zu schwer wiegt daher Verstappens Ausfall zum Saisonauftakt als die Elektronik streikte.
Ein Wechsel scheint kompliziert - bei allen Teams müssten erst (Geld)-gewichtige Fahrer weichen. Aber vierfacher Weltmeister ist nur einer. Womöglich ist die Situation für Vettel gar nicht so aussichtslos, wie sie bisher scheint - und am Ende kann sich der 33-Jährige vielleicht sogar einen konkurrenzfähigen Rennstall aussuchen: Red Bull oder Aston Martin?
Quelle: ntv.de