So läuft der EM-Auftakt der DFB-Elf Super Mario, Süper Mario - oder beide?
12.06.2016, 10:05 Uhr
Ist Mario Götze erste Wahl für Bundestrainer Joachim Löw?
(Foto: dpa)
Am Genfer See justiert die deutsche Fußball-Nationalmannschaft nach und schärft den Blick auf EM-Auftaktgegner Ukraine. Der Bundestrainer ist entspannt, hat aber heute noch einige schwere Aufgaben zu lösen.
Worum geht's?
Um Ruhe. Um Lockerheit. Um Nervenberuhigung. Darum geht es, wenn Joachim Löw und seine deutsche Fußball-Nationalmannschaft heute (ab 21 Uhr im Liveticker bei n-tv.de) im Stade Pierre-Mauroy in Villeneuve-d'Ascq bei Lille gegen die Ukraine zum ersten Mal bei dieser Europameisterschaft antreten. "Bei mir steigt die Freude jetzt stündlich", sagte der Bundestrainer gestern am frühen Abend. "Und ich glaube, wir alle denken und fühlen so. Nach drei Wochen Vorbereitung sei man "glücklich, wenn der Startschuss fällt".
Was wurde vor dem Turnier nicht alles geredet: Hat Löw die Richtigen ausgesucht, um die Mission EM-Titel nach 20 Jahren wieder zu einem erfolgreichen Ende zu bringen? Kann das Team die Ausfälle von Seuchenvogel Marco Reus und der römischen Abwehrkante Antonio Rüdiger kompensieren? Und präsentiert sich der Weltmeister nach zwei Jahren des wenig begeisternden, aber letztlich zumindest erfolgreichen Rumdümpelns nun wieder glanzvoll, mitreißend und begeisternd?
Auf all diese Fragen muss die Mannschaft erste, erfolgreiche Antworten finden. Gelingt das, entspannt sich das Fankollektiv in der Heimat, Gelingt das nicht, könnte es für die DFB-Elf ungemütlich werden. Doch wie sagte es der Bundestrainer: "Klar, die Erwartungen sind hoch. Aber damit können wir gut umgehen." Druck? "Das ist bei uns kein Thema." Und erst recht nicht bei Toni Kroos. Die lebende Ballmaschine aus Vorpommern konnte so gar nichts mit der Frage nach einer gewissen Aufgeregtheit vor dem Turnierstart anfangen: "Ich bin entspannt, weil es für mich keinen Grund gibt, es nicht zu sein." Das klingt doch ruhig, locker und beruhigt die Nerven.
Wie ist die Ausgangslage?
Noch unbefleckt. Wie soll es auch anders sein? Schließlich beginnt das Turnier für die deutsche Gruppe erst am heutigen Sonntag. Um 18 Uhr machen Polen und Nordirland in der Gruppe C den Auftakt, ehe Deutschland und die Ukraine ihre Töppen schnüren. Klar ist: Wer gewinnt, kann schon einmal die schmutzige Wäsche der ersten Tage zusammen suchen und eine Maschine anstellen, denn mit drei Punkten auf dem Konto ist eine Verlängerung des Frankreich-Aufenthalts ziemlich wahrscheinlich. Möglich macht das die lustige Idee der Uefa, fast alle Teilnehmer der tüchtig aufgeblähten EM auch in die K.o.-Runde zu überführen. Lediglich acht von 24 Mannschaften müssen nach der Vorrunde heimfliegen.
Wie ist die deutsche Mannschaft drauf?
Sehr gut, wenn es nach den Worten von Thomas Schneider geht. Man mag ihm das durchaus abkaufen, denn das Ambiente, in dem sich Deutschland vorbereitet, könnte schöner kaum sein. Abgeschottet wie sonst wohl nur der amerikanische Präsident, gastiert der rund 80-köpfige DFB-Tross im Vier-Sterne-Hotel Ermitage am Genfer See. Ein prächtiger, ein ruhiger Ort, an dem man schon viel falsch machen muss, um sich nicht wohlzufühlen.
Aber um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, Löws Bande ist hier nicht (nur) auf Reha-Kur, sie ist zum Nachjustieren gekommen. Und das, so erklärte Assistent Schneider, habe man diese Woche gut umgesetzt. "Wir haben viele Sachen aufgearbeitet, die uns in den Testspielen aufgefallen sind." In erster Linie die defensive Organisation. Die nämlich stimmte gegen die Slowakei (1:3) gar nicht und gegen Ungarn (2:0) nicht immer.
Während also die Fokussierung auf Besetzung und Abstimmung der Viererkette für Ruhe sorgen soll, sorgte die Personalie Mesut Özil in den späten Abendstunden des Freitags für Aufregung. Im Geheimtraining soll er nicht in der A-Elf gestanden haben. Dabei hatte der Bundestrainer doch noch vor Turnierstart die Wichtigkeit des Spielmachers für die Mannschaft auffällig offensiv betont und wiederholte das auch noch einmal bei der Pressekonferenz am Samstag, der letzten vor dem Auftaktspiel: "Er ist im Moment in einer großartigen Form. Es ist selbstverständlich, dass er spielt. Es gibt keine Sekunde die Überlegung, dass er nicht spielt."

Süper Mario sieht ziemlich fit aus. Und schnittig. Reicht das für die Startelf?
(Foto: imago/Schüler)
Bleibt die Frage was mit den Marios passiert: Spielt Super Mario (Götze, guardiolasches Superlativ)? Oder Süper Mario (Gomez, Türkische Liga)? Also, was ist jetzt, Herr Löw? "Beides wäre möglich, Götze oder Gomez - oder beide. Wir haben in den letzten zwei, drei Wochen das eine oder andere Mal auch mal mit zwei Spitzen trainiert. Von daher habe ich mehrere Möglichkeiten für dieses Spiel." Aha. Löw zumindest hatte sichtlich Spaß an seiner Rolle als Orakel von Lille. "Klare Frage, keine klare Antwort." Sprach's, lachte und goss sich einen Schluck Wasser ins Glas.
Was macht die Ukraine so?
Die sind bereit, sagen sie zumindest. Zwar waren Anflug (heftige Turbulenzen) und Ankunft (Trainingsplatz stand unter Wasser) im Basislager in Aix-en-Provence kaum optimal, doch das Selbstvertrauen ist intakt: "Wir wissen nur zu gut, dass Deutschland unheimlich stark ist, aber wir sind deshalb alles andere als nervös. Wenn wir defensiv gut organisiert sind, gibt es dafür auch keinen Grund", hatte Jewgen Konopljanka dem "Kicker" gesagt. Vergessen sind die Geschichten, als sich der politische Konflikt im Land auch auf die Nationalelf übertrug: So gab's in der Liga nach einem fiesen Tritt von Kiews Starangreifer Andrej Jarmolenko gegen Donezks Taras Stepanenko eine Massenrangelei. Jarmolenko wollte Stepanenko dafür bestrafen, dass dieser sein Tor zum 3:0 vor den Dynamo-Fans angeblich provozierend gefeiert hatte. Stepanenko konterte: "Das ganze Land soll wissen, dass meine Freundschaft mit Jarmolenko beendet ist."
Vorbei, vergessen. Die Ukraine beschwört die neu gewonnene Einheit - aus der zwei Spieler hervorstechen. Der selbstbewusste Konopljanka (siehe oben) und Wüterich Jarmolenko. Beide gelten als technisch höchst veranlagt, dynamisch und sind mit ihrem Tempo bei Kontern sehr gefährlich. Diese Erkenntnisse hat der Bundestrainer natürlich auch seinen Spielern verraten - und sie alle noch einmal eingeschworen: "Wir müssen unsere eigenen Stärken ins Spiel bringen, uns auf das Besinnen, was wir können, was wir gut machen. Dann sind wir in der Lage, die Ukraine schlagen." Vermutlich hat er Recht.
Was gibt's sonst noch?
Die Kapitänsfrage. Die ist nämlich nach wie vor ungelöst, die "Bild"-Zeitung erklärte sie gar zum Krimi. Das kann der Bundestrainer nicht so richtig verstehen. Denn auch 28 Stunden vor Anpfiff hatte er sich - zumindest sagt er das - noch nicht festgelegt, wer die deutsche Mannschaft aufs Feld führen darf. Am Spielort nannte er zumindest einmal Kandidaten: Manuel Neuer, Sami Khedira, Mats Hummels (er ist mit nach Lille gereist und trainierte mit dem Team), Jérôme Boateng, Toni Kroos und Thomas Müller. Aber, die Erkenntnis des Tages lautet: "Alle haben die gleiche Wertschätzung und von daher spielt es für mich keine Rolle, wer Bastian Schweinsteiger jetzt mal für dieses Spiel vertritt." Und überhaupt: "Bastian Schweinsteiger bleibt für mich Kapitän, weil ich weiß, dass er im Laufe des Turniers auf jeden Fall zum Einsatz kommen wird."
Quelle: ntv.de