Déjà-vu im Vicente Calderón Atlético deckt Bayerns Problemzonen auf
29.09.2016, 09:22 Uhr
Atléticos Juanfran zieht an Bayerns Thiago Alcántara und Thomas Müller vorbei.
(Foto: AP)
Gegen Atlético Madrid verliert der FC Bayern erstmals unter Carlo Ancelotti. Der setzt in der Champions-League-Partie auf Erfahrung. Doch die Madrilenen zeigen dem deutschen Rekordmeister schonungslos die Grenzen auf.
Die Fußballer des FC Bayern werden das altehrwürdige Stadion Vicente Calderón wohl nicht vermissen. Die kultige Heimstätte von Atlético Madrid, am Fluss Manzanares gelegen, wird im kommenden Jahr abgerissen. Atlético wird dann seine Spiele im neu umgebauten Estadio de Madrid vor den Toren der spanischen Hauptstadt austragen. Innerhalb von nur fünf Monaten haben die Münchner im Vicente Calderón zweimal verloren. Im April war das 0:1 in Madrid im Halbfinale der Anfang vom Ende. Eine Woche später war die Mission von Ex-Trainer Josep Guardiola endgültig gescheitert, nach einem 2:1-Heimsieg, der nicht zum Finaleinzug reichte. Das Ergebnis aus dem April sollte sich nun an diesem Mittwochabend wiederholen. Erneut verlor der FC Bayern gegen Atlético in der Champions League mit 0:1 (0:1).
Tor: 1:0 Carrasco (35.)
Bes. Vork.: Griezmann verschießt FE (84.)
Madrid: Oblak - Juanfran, Godin, Savic, Filipe Luis - Gabi, Saul - Carrasco (72. Gameiro), Koke - Torres (79. Gaitan), Griezmann (90.+2 Thomas)
München: Neuer - Lahm, Jerome Boateng (62. Hummels), Martinez, Alaba - Vidal - Alonso, Thiago (66. Kimmich) - Thomas Müller (59. Robben), Lewandowski, Ribery
Referee: Marciniak Zus.: 48.242
Schüsse: 15:14 Ecken: 4:6
Ballbesitz: 37:63 % Zweikämpfe: 101:88
Trainer Carlo Ancelotti, der zuvor die ersten acht Pflichtspiele mit seinem neuen Klub gewonnen hatte, setzte im Hexenkessel auf bewährte Kräfte und vor allem auf Erfahrung. Mit einem Durchschnittsalter von 29 Jahren und 102 Tagen schickte der Italiener die älteste Champions-League-Startelf der Münchner seit knapp elf Jahren auf das Feld. Joshua Kimmich, der am Wochenende in Hamburg noch das Siegtor erzielt hatte, wurde durch den Spanier Xabi Alonso ersetzt. Das Mittelfeld wurde von Landsmann Thiago und dem Chilenen Arturo Vidal komplettiert.
Doch all die Erfahrung half gegen das spanische Topteam nicht. Ganz im Gegenteil, der Sieg der Colchoneros war hochverdient. Die Bayern haben ihre erste Reifeprüfung der neuen Saison nicht bestanden. Es gab einige Parallelen zum Spiel im April, auch damals schossen die Madrilenen in der ersten Halbzeit die Führung heraus und verteidigten tapfer das Resultat bis zum Schluss. An diesem Abend war es der Belgier Yannick Carrasco, der in der 35. Minute das Tor des Tages erzielte. "Antoine Griezmann hat mir den Ball gut in die Tiefe gespielt, ich habe dann zum Glück getroffen", erklärte der Torschütze trocken.
Auf der Suche nach der Leichtigkeit
Die Bayern fanden gegen das eingespielte Team Atléticos überhaupt keine Mittel. Trotz ähnlich hoher Ballbesitzwerte wie unter Guardiola gelang es den Bayern nicht, die Defensive Atléticos unter Druck zu setzen. Thomas Müller, der nach 13 Minuten noch die beste Münchener Chance auf dem Fuß hatte, befand: "Den Ballbesitz, den wir hatten, hatten wir eigentlich nur an der eigenen Mittellinie. Wir wussten, dass wir viel verlagern mussten, nichtsdestotrotz hat es Atlético immer wieder geschafft, unsere Außenspieler unter Druck zu setzen."
Die gefährlichen Aktionen im Spiel resultierten zumeist aus Einzelaktionen. Franck Ribéry dribbelte sich immer wieder in den Strafraum, fand aber selten den Abschluss. "Wir haben das Spiel kontrolliert, aber unter dem Strich waren wir in den Zweikämpfen nicht bissig, nicht entschlossen genug. Wir haben auch zu viele Bälle verloren und zu langsam gespielt", urteilte Ancelotti.
Bayerns Keeper Manuel Neuer, der beim Siegtreffer machtlos war, kritisierte offen die mangelnde Einstellung der Bayern. "Atlético hatte den Killerinstinkt. Aus wenigen Möglichkeiten haben sie viel gemacht. Diesen Killerinstinkt hatten wir leider nicht." Den Bayern fehlten nicht nur die spielerischen Mittel, sondern auch die richtige Einstellung, um eine europäische Spitzenmannschaft wie Atlético in Bedrängnis zu bringen. Auch Ancelotti gab zu, dass den Spielern der "nötige Biss" gefehlt habe.
Selbst nach dem verschossenen Elfmeter von Antoine Griezmann in der 84 Minute war keinerlei Aufbäumen zu erkennen. Die Bayern fügten sich regelrecht in ihr Schicksal und schienen sich mit der Niederlage abgefunden zu haben. Atléticos Trainerfuchs Diego Simeone wusste erneut, wie der deutsche Rekordmeister zu knacken war. Trotz deutlich geringerem Ballbesitz (33 Prozent) waren es die Gastgeber, die bei ihren Kontern mehr Gefahr versprühten.
Schwache Auswärtsbilanz in der Königsklasse
Die Bayern, die den Spielbetrieb in der Bundesliga dominieren, mussten feststellen, dass noch sehr viel Sand im Getriebe ist. Die Madrilenen, seit Jahren eine eingespielte Mannschaft mit guten Individualisten, zeigten dem Team von Ancelotti die Grenzen auf. Atlético legte die Schwächen der Bayern schonungslos offen.
In der Bundesliga gewannen die Bayern zwar bisher alle fünf Partien. Doch richtigen Glanz versprühten sie dabei noch nicht. Der FC Ingolstadt hätte bei besserer Chancenverwertung schon in München etwas mitnehmen können und dem Hamburger SV fehlten am vergangenen Wochenende nur Minuten, um ein Remis zu erreichen. Zum Glück für Ancelotti kommen die richtig wichtigen Spiele erst im nächsten Jahr, wenn es in die K.o.-Runden der Champions League geht. Bis dahin kann er noch an den Schwächen seines Teams arbeiten.
Eine dieser Schwächen ist die Anfälligkeit auf fremden Plätzen in der Königsklasse. Von den letzten elf Gastspielen gewannen die Bayern lediglich zwei, dabei setzte es sechs Niederlagen (drei Remis). Die Siege gab es dabei in Piräus (3:0) und in Zagreb (2:0), also keineswegs in der Beletage der Europapokalteams. Die nächste Chance auf einen Auswärtserfolg gibt es für die Bayern am 1. November beim PSV Eindhoven. Zunächst gastieren die Niederländer am dritten Spieltag in München, bevor die Bayern dann nach Eindhoven reisen müssen. "Wir müssen gegen Eindhoven beide Spiele gewinnen, dann sieht es mit dem Weiterkommen ganz gut aus", erklärte Mats Hummels.
Quelle: ntv.de