Fußball

Die Lehren des elften Spieltags BVB zwingt die Bayern zum Umbruch

Überragend: Dortmunds Marco Reus.

Überragend: Dortmunds Marco Reus.

(Foto: imago/Moritz Müller)

Der FC Bayern findet im Topspiel bei der Dortmunder Borussia seine Wucht. Aber nur 50 Minuten. Das hat Konsequenzen. Die Fußball-Bundesliga ist spannend wie selten, auch dank Frankfurter Wucht und Gladbacher Klasse.

1. Der FC Bayern findet sein Glück in der Niederlage

Plötzlich standen sie wieder da, unerschütterlich, selbstsicher, entschlossen. Die Fußballer des FC Bayern haben am elften Spieltag der Bundesliga auch sich selbst bewiesen, dass sie das Spiel mit dem Ball noch sehr gut beherrschen. Das war sehr wichtig, denn in der Branche und den angehängten Nebenbetrieben Medien und Experten hielt sich hartnäckig die Annahme, dass der Abo-Dominator seinen Vertrag auf die Meisterschaft im Sommer 2019 kündigen müsse. Nun sind längst nicht alle Zweifel an der Leistungsfähigkeit zerstreut, schließlich stand am Ende der dringend benötigten Muskelschau und Selbstvergewisserung eine phänomenale 2:3-Niederlage bei Borussia Dortmund. Die allerdings war so zustande gekommen, dass sich die Münchener trotz nun sieben Punkten Rückstands auf den BVB in einer starken Verfolgerposition fühlen. Nach dem "fantastischen Spiel", das Trainer Niko Kovac gesehen hatte, blickt Präsident Uli Hoeneß nun "sehr optimistisch in die nächsten Wochen bis Weihnachten".

Tatsächlich erzitterten das Westfalenstadion und die Mannschaft des BVB gleichermaßen, als die Bayern ihre Topspiel-Brust schwellten und sich so gar nicht lethargisch und behäbig über das Feld bewegten wie so oft in den vergangenen Wochen. Einige wuchtig geführte Zweikämpfe zu Beginn, zwei Tempoläufe von Franck Ribéry, und schon war das junge BVB-Team eingeschüchtert. Der Bayern-Akku hat noch Power. Allerdings entlädt die sich deutlicher schneller als früher. So war sich Dortmunds Trainer Lucien Favre sicher, dass die Münchner ihren Aufwand in der Balance zwischen dominantem Angriffspiel und effizienter Konterabsicherung gegen die Überfälle der Borussia nicht 90 Minuten mit der Intensität der ersten Hälfte aufrechterhalten können. So kam's. Spätestens nach einer Stunde zerbrach die Ordnung gegen die Konterwucht der Gastgeber. Damit haderten die Bayern zwar, vor allem Jérôme Boateng und Ribéry, der sich später vor dem Team-Bus noch ein höchst emotionales Wortgefecht mit einem französischen TV-Experten lieferte und dabei von mehreren Betreuern wieder und wieder zurückgehalten werden musste. Doch in den Ärger mischte sich auch Stolz. Der zuletzt zumindest unter öffentlichem Druck stehende Niko Kovac sagte: "Das war das beste Spiel seit Schalke: spielerisch, kämpferisch und taktisch, gerade in der ersten Halbzeit." Das fanden sie übrigens auch beim BVB, so lobte Favre: "Man kann sich inspirieren lassen von der ersten Halbzeit der Bayern." Und doch bleibt die Erkenntnis: Die Bayern spielen gut, phasenweise sogar sehr gut und verlieren trotzdem. Wann gab es das zuletzt?

2. Bayern entlarvt BVB-Problem, BVB entlarvt Bayern-Problem

90 Minuten Leidenschaft, 90 Minuten Herzrasen, ein Spiel ständig auf dem Weg zu einer neuen Wendung, was für den Zuschauer im bebenden Dortmunder Stadion eine harte Probe für die eigene Belastbarkeit war, offenbarte spektakulär, mit welchen Problemen sich die besten Fußballmannschaften in Deutschland (auch wenn die Tabelle etwas anderes sagt) derzeit plagen. Wohl selten wurde das in jeweils 45 derart unterschiedlichen Minuten so fein säuberlich seziert wie am Samstagabend. Während die Bayern die erste Halbzeit fast wie Atlético Madrid bei deren Lehrstunde für die Borussia spielten, das Mittelfeld total dominierten, die Zweikämpfe wuchtig führten (auch wenn die Quote ein deutliches Plus für den BVB auswies), die Außenbahnen mit Rochaden doppelt besetzt hielten und den stets gefährlichen Robert Lewandowski fanden, kippte das Spiel nach der Pause brutal.

Die Borussia beherrschte nun das Mittelfeld, was daran lag, dass Favre seine überraschende Aufstellung korrigierte. Für den phasenweise überforderten Julian Weigl kam Mo Dahoud. Und mit ihm mehr Struktur, mehr Ideen, mehr Risiko. Als dann nach einer Stunde Tor-Phänomen Paco Alcácer den unauffälligen Mario Götze ersetzte, war der Temporausch trotz Chancenwucher nicht mehr aufzuhalten. Mit schnellen, schlauen Verlagerungen und scharf in die Spitze gespielten Bällen überforderten die Dortmunder ihren Gegner. Die zuvor so dominanten Javier Martínez und Leon Goretzka konnten das Spiel nicht stabil halten, auch nicht Joshua Kimmich, David Alaba, Boateng und Niklas Süle. Vom kranken Mats Hummels ganz zu schweigen, dessen "Dennoch"-Einsatz ZDF-Experte Oliver Kahn erzürnte: "Man muss sich doch nachher nicht hinstellen und sagen, man war krank. Da stimmt es beim einen oder anderen im Kopf nicht." Und nun, was bleibt nach diesem Spiel? Der FC Bayern braucht Veränderungen, die hat Präsident Uli Hoeneß für den nächsten Sommer angekündigt. Dort soll das "Mannschaftsgesicht", das zuletzt nur sporadisch verjüngt worden war, "ziemlich verändert" werden. Und der BVB? Der braucht womöglich eine dosiertere und konstantere Spielweise. Denn der Aufwand den die jungen Borussen betreiben ist immens. Ob das eine ganze Saison lang gut geht?

3. Werbepanne beim Bezahlsender Sky lässt Fans schäumen

Der FC Bayern wird rasiert. Die Szene der Topspiel-Übertragung beim Bezahlsender Sky in der 65. Minute hatte prophetische Züge. Während Trainer Kovac endlich Hummels auswechselte, wurde Kommentator Wolff-Christoph Fuss mitten im Satz von einer Einblendung unterbrochen. Zu sehen: Ergebnisse der Partien des neunten Spieltags. Und ein 30-sekündiger Werbespot für einen Rasiererhersteller mit den Bayern-Profis um Robert Lewandowski und Joshua Kimmich. Der Aufschrei bei Twitter ist riesig. "Werbung mitten im Spiel? Schämt Ihr euch nicht Sky. Nur Geldgier. Die Premier League wurde gekauft. Irgendwo muss ja das Geld wieder rein. Ihr kostet schon ein Haufen Geld und dann sowas." Und: "Auswechslung? Zeit für 20 Sekunden Werbung mitten im Spiel. Wollt ihr mich eigentlich verarschen Sky?!" Während Fuss die Werbung im weiteren Verlauf der Spielübertragung unkommentiert ließ, bat der Sender um Entschuldigung. Es sei ein "technisches Versehen" gewesen, eine "unbeabsichtigte" Panne.

4. Gladbachs Klasse überzeugt

Es ist nicht überliefert, wie Uli Hoeneß die Tabelle der Liga bewertet. Aber der famosen Borussia aus Mönchengladbach kann das herzlich egal sein kann. Vor diesem Spieltag hatte der Präsident des FC Bayern trotzig behauptet, die Tordifferenz interessiere ihn nicht. Nun, eine Niederlage der Münchener und einen Sieg der Gladbacher später, müsste er sich schon dazu versteigen, der Punktestand interessiere ihn nicht. Die Mannschaft von Trainer Dieter Hecking steht nach dem 3:1 in Bremen immer noch auf Platz zwei hinter Dortmund, nun aber drei Punkte vor den Bayern auf Rang fünf und nicht nur, weil sie über einen besseren Angriff und nun auch eine bessere Abwehr als der immer noch amtierende deutsche Meister verfügt.

Das ist aber aus Sicht der Elf vom Niederrhein nicht die einzige gute Nachricht. Sie hat auch nach Jahren wieder einen echten Mittelstürmer in ihren Reihen, der den Unterschied ausmacht. Beim souveränen Erfolg im Weserstadion erzielte Alassane Pléa drei Tore, seine Treffer Nummer sechs, sieben und acht in dieser Saison. Damit steht er mit den Dortmundern Marco Reus und Paco Alcácer sowie dem Frankfurter Sebastien Haller in der Wertung der besten Schützen der Liga auf Platz zwei. Und die Gladbacher dürfen sich darüber freuen, die 23 Millionen Euro für den 25 Jahre alten Franzosen gut angelegt zu haben. Der gab sich bescheiden und sagte: "Ich muss meinen Kameraden ein großes Lob aussprechen. Sie haben mich super aufgenommen. Wir haben eine super Mannschaft, arbeiten unheimlich viel und deshalb läuft es auch so gut bei uns." Und so lässt sich vor der Länderspielpause konstatieren: Borussia Mönchengladbach hat sich zu einer echten Spitzenmannschaft gemausert. Auch das macht die Liga so spannend.

5. Frankfurts Wucht ist unwiderstehlich

Apropos Klasse und Spannung: Kaum eine Mannschaft vereint derzeit Leichtigkeit, Wucht und Ausgelassenheit so perfekt wie die Frankfurter. Nach dem 3:0 gegen den FC Schalke 04, mit dem sie die Gelsenkirchener und ihren Trainer Domenico Tedesco erneut in die Krise schossen, steht die Eintracht auf Platz vier der Tabelle. Da sie aber nur die um sieben Treffer bessere Tordifferenz vom Tabellenfünften aus München trennt, steht zu vermuten, dass Hoeneß das nicht anerkennt. Was beim DFB-Pokalsieger keinen großen Geist stören würde. "Das ist eine schöne Momentaufnahme. Ich habe es nach dem 2:0 genossen, wie wir es fertig gespielt haben", sagte Trainer Adi Hütter. Und Außenverteidiger Danny da Costa betonte: "Wir sind sehr, sehr hungrig." Verantwortlich für den achten Sieg im neunten Spiel war wieder einmal Angreifer Luka Jovic. Der Serbe katapultierte sich mit seinen Saisontreffern acht und neun an die Spitze der Torschützenliste. Er ist vor dem Tor einfach eine Granate", lobte Hütter. Den 3:0-Endstand besorgte Haller, der auch schon acht Mal getroffen hat. Nach dem 0:5 im Supercup gegen den FC Bayern und dem Pokal-Aus zu Beginn der Saison darf sich die SGE nun wieder als Anwärter auf einen Platz im Europapokal fühlen. Dort läuft es in dieser Saison prima: Die Zwischenrunde der Europaliga haben die Frankfurter bereits nach vier von sechs Gruppenspielen erreicht.

6. Friedhelm Funkel ist ein Teufelskerl

Noch vor gut zwei Wochen schwärmten viele Fußballfreunde, zwar eher leise als laut, von der Hertha. Die Berliner hatten am sechsten Spieltag den FC Bayern geschlagen und sich am neunten Spieltag mit ein wenig Glück, aber auch Geschick einen Punkt beim BVB verdient. Diese Hertha nun, die musste jetzt nach Düsseldorf. Und von der Fortuna schwärmt nun wahrlich kaum einer. Nach sechs Niederlagen und einem Torverhältnis von 2:20 schien der Verdacht der Untauglichkeit fürs Oberhaus beschlossen. Doch dann das: Mit 4:1 fegte die Fortuna dank Funkel'scher Gelassenheit und Ruhe völlig souverän über die Hauptstädter hinweg. Ein Wahnsinn. Auch für Friedhelm Funkel, der sich nach 29 Jahren als Trainer noch überraschen lässt: "So wie die Mannschaft sich nach unserer schwierigen Phase präsentiert hat, das habe ich in meiner Karriere selten erlebt." Sportvorstand Erich Rutemöller war ebenfalls völlig beseelt: "Ich kann gar nicht sagen, wie schön es sich anfühlt, mal nicht eine Niederlage erklären zu müssen." Das könnte schnell wieder Alltag werden. Am nächsten Spieltag geht's zum FC Bayern.

Quelle: ntv.de

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