Fußball

Was wir in Polen gelernt haben DFB-Elf leidet am BVB-Syndrom

Da war noch alles gut - die DFB-Elf vor dem Anpfiff.

Da war noch alles gut - die DFB-Elf vor dem Anpfiff.

(Foto: REUTERS)

Bei der überflüssigen Qualifikationspleite in Warschau kopiert das DFB-Team das Misserfolgsrezept des BVB. Torwart-Titan Neuer menschelt, Polen wird zum Feierbiest. Der Weg zur EM bleibt ein Kinderspiel.

1. Gegen die Iren wird alles besser

In Polen ist es für die deutsche Fußball-Nationalmannschaft nicht so gut gelaufen, das 0:2 in diesem zweiten Spiel auf dem Weg zur Europameisterschaft 2016 in Frankreich war ein kleiner Rückschlag und nach 33 Partien die erste Pleite in einem Qualifikationsspiel. Aber als Profi findet es Torhüter Manuel Neuer prima, dass am morgigen Dienstag (ab 20.45 Uhr bei RTL und in Liveticker bei n-tv.de) in Gelsenkirchen gegen Irland gleich die nächste Aufgabe ansteht. "Da haben wir gleich die Chance, diese Niederlage wieder wettzumachen", hatte er noch in Warschau gesagt. Mit dieser Meinung steht er nicht alleine. "Wir müssen eine Trotzrektion zeigen", forderte Innenverteidiger Jérôme Boateng. Und Aushilfsangreifer Thomas Müller stellte fest: "Wir müssen so oder so das Spiel gegen Irland zu Hause gewinnen. Dementsprechend gehen wir das Ding auch an." Kann also hinterher keiner sagen, sie hätten nicht gewollt.

2. Die DFB-Elf hat das BVB-Syndrom

Mit seinen verschluderten Großchancen in Serie war Karim Bellarabi in Warschau das personifizierte deutsche Pech. Sinnbildlich für die DFB-Pleite war aber ein anderer Spieler: Dortmunds Mats Hummels. Der Innenverteidiger dürfte sich gegen Polen im falschen Film gefühlt haben, im BVB-Film. Warum? Weil laut Hummels die "zweifellos bessere Mannschaft" verlor, seine Mannschaft eben. Angesichts der DFB-Chancenflut nannte Hummels das einen "Witz", nur lachen konnte er nicht darüber - weil er vergleichbare Scherze in den vergangenen Wochen zu oft gehört hat, nach Liganiederlagen mit seinem BVB. Zu einer schwachen Chancenverwertung gesellen sich haarsträubende Abwehrfehler, die Herren Bellarabi, Podolski, Neuer und Durm dürfen jetzt zustimmend nicken. Die Gründe dafür sind bei DFB-Team und BVB identisch: Unersetzliche Spieler stehen gar nicht mehr zur Verfügung, andere wichtige Spieler sind verletzt. Die, die spielen, beherrschen zwar das Spielsystem und hauen sich rein. Aber das letzte Quäntchen, das aus Torchancen Tore macht, fehlt im Moment einfach. Die gute Nachricht für Hummels ist: Es kann in Nationalmannschaft und Verein nur besser werden. Die schlechte lautet: Am Dienstag muss er mit dem DFB-Team nach Gelsenkirchen. Mit Dortmund hat er dort kürzlich verloren - obwohl der BVB nicht schlechter war.

3. Im Fußball zählen die Tore

Vielleicht klang es ein wenig mehr nach Selbstmitleid als gewollt, aber es war schon auffällig, wie die deutschen Spieler sich nach der Niederlage beklagten, dass sie eigentlich doch besser als der Gegner gewesen seien, die Polen aber so unverschämt waren, zwei Chancen in gnadenloser Effektivität zu zwei Toren zu nutzen. Die Deutschen hatten alles im Griff, und haben doch verloren. "Das ist ärgerlich", sagte Jérôme Boateng. Er war mit seinen 26 Jahren der älteste Spieler in der Startelf und verwies darauf, dass die DFB-Auswahl zwar Weltmeister, aber eben auch eine junge Mannschaft im Umbruch sei. Auf eine Diskussion, wie sehr die emeritierten Miroslav Klose, Per Mertesacker und vor allem Philipp Lahm sowie die verletzten Bastian Schweinsteiger, Sami Khedira, Marco Reus und Mesut Özil gefehlt hatten, wollte er sich aber nicht einlassen. "Wir haben genügend gute Spieler." So eine Niederlage gehöre auch einfach mal dazu. Zu Erinnerung: Es war die erste in einem Qualifikationsspiel seit sieben Jahren. Und am Ende zählen im Fußball immer noch die Tore.

4. Die Polen können feiern - aber richtig

Den Weltmeister zu besiegen, das ist schon eine feine Sache. Selten sieht man so viele glückliche Menschen auf einmal wie an diesem Samstagabend im Stadion Narodowy zu Warschau. Die meisten der knapp 57.000 Zuschauer dürften nicht ernsthaft daran geglaubt haben, dass der polnischen Auswahl dieser Coup gelingen würde. Schließlich hatte es in 18 Anläufen zuvor gegen eine Elf des DFB auch nie geklappt. Aber was in einer der schönsten Arenen Europas los war, nachdem Arkadiusz Milik sechs Minuten nach der Pause das erste Tor für die Gastgeber erzielte, war berührend, beeindruckend und einfach unglaublich laut zugleich. Fassungslos vor Freude, beseelt von tiefem Glück waren sie, Zuschauer wie Spieler. Und immer wieder zu der Melodie von "Go west": "Polska biało-czerwoni" - Polen weiß und rot. Robert Lewandowski, der Stürmer des FC Bayern, sprach "von einem unbeschreiblichen Gefühl", Dortmunds Lukasz Piszczek konstatierte: "Wir haben Geschichte geschrieben. Die ganze Nation wird heute feiern." Zum Beispiel am königlichen Schloss in der Warschauer Altstadt, wo eine Blaskapelle spontan in dieser warmen Herbstnacht zur Siegesfeier aufspielte. Den Weltmeister zu besiegen, das ist wahrlich eine feine Sache.

5. Manuel Neuer ist doch ein Mensch

So wie der Nicht-WM-Triumph 2002 im deutschen Fußballgedächtnis auf ewig mit Oliver Kahn verknüpft sein wird, ist auch der WM-Titel 2014 eine Torwartgeschichte. Die von Manuel Neuer. Sein Auftritt im WM-Achtelfinale gegen Algerien als Manu der Libero ist eine unvergessliche WM-Sternstunde, sein Sensationsreflex im Viertelfinale gegen den Franzosen Karim Benzema eine Heldentat. Im Finale verängstigte Neuer die argentinischen Stürmer dann allein mit seiner Aura derart, dass sie selbst beste Chancen am deutschen Tor vorbeischossen. Neuer war als Weltklasse-Torwart nach Brasilien gereist - und kehrte als unmenschliches Reflexmonster mit Superfaust zurück. In Warschau zeigte sich nun: Auch Neuer menschelt manchmal. Vor dem Führungstor der Polen verschätzte sich der DFB-Keeper grandios und landete statt am Ball in den Armen von Mitspieler Jerome Boateng. Zusammen sahen sie, wie das Spielgerät vom Kopf des Polen Arkadiusz Milik ins DFB-Tor segelte. Die Analyse von n-tv-Experte Olaf Thon fiel nach dem überflüssigen 0:2 in Warschau entsprechend gnadenlos aus: "Wenn man Vorwürfe machen wollte, dann an Manuel Neuer, dass er bei der Abstimmung vor dem ersten Tor nicht hundertprozentig funktioniert hat." Damit lag Thon immerhin auf einer Linie mit Neuer. Der nahm das Gegentor auf seine Kappe und stellte einen persönlichen Lerneffekt gegen Irland in Aussicht. Auf Schalke will der Titan aus Gelsenkirchen wieder Gold wert sein.

6. Die EM-Qualifikation bleibt ein Kinderspiel

Zwei Qualifikationsspiele, drei Punkte - das hat sich der Weltmeister anders vorgestellt. Ein kompletter Fehlstart ist das nicht, aber unschön schon. Gewöhnt sich das DFB-Team etwa an Niederlagen? Gerät sogar der Weg nach Frankreich in Gefahr, wo sich Lukas Podolski doch so gerne zum Europameister krönen würde? Nein, nein, keine Sorge. Sagen alle Experten und auch Bundestrainer Joachim Löw. Der schätzte die erste Niederlage seit 33 EM-Qualifikationsspielen zu Recht als absolut undramatisch ein: "Ich bin mir sicher, das werden wir wieder ausgleichen. Ich sehe da keine großen Probleme in dieser Qualifikation." Man muss dem DFB-Team sogar dankbar sein, zumindest für ein wenig Spannung gesorgt zu haben. Nur zur Erinnerung: Die weiteren Gegner heißen Schottland, Georgien, Gibraltar und Irland. Schwerer als in Warschau wird es nicht mehr. Wen das nicht beruhigt, der sei an das Reglement erinnert. Das sieht vor, dass sich der Erste und Zweite jeder Gruppe direkt qualifizieren und der beste Gruppendritte auch. Und alle anderen Gruppendritten bekommen in Playoffs ihr EM-Gnadenbrot und dürfen in zwei extra Spielen noch einmal ihr Glück versuchen. Damit das für den Weltmeister nicht reicht, müsste der deutsche Bundestrainer schon Steve McClaren heißen.

Quelle: ntv.de

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