Sechs Lehren des 27. Spieltags FC Bayern geht's gut, BVB wie ein Kreisligist
06.04.2017, 11:38 Uhr
Tutto bene? Arjen Robben und Robert Lewandowski in Sinsheim.
(Foto: imago/Thomas Frey)
Der FC Bayern verliert nach 136 Tagen wieder ein Spiel und kommt damit erstaunlich gut klar. Thomas Tuchel bekommt bei Borussia Dortmund ein Riesenproblem einfach nicht in den Griff, und der VfL Wolfsburg zittert ohne seine Gomez-Dosis.
1. Keine Sorge, der FC Bayern kommt klar
Die "Bild"-Zeitung schlägt Alarm: "Attenzione Carlo, so verpennt Bayern das Triple". Diese Diagnose haben die Kollegen nach dem ziemlich murksigen Auftritt der Münchener bei der TSG Hoffenheim erstellt. Dort fing sich der Tabellenführer der Fußball-Bundesliga am 27. Spieltag mit 0:1 die, Obacht, zweite Niederlage in dieser Saison ein. Sieben Runden vor der Endabrechnung im Mai bedeutet das nun: Verfolger Leipzig rückt bis auf zehn Punkte an die Bayern heran.
Nun ist aber dennoch jede Sorge um den deutschen Rekordmeister angesichts des dünner gewordenen Punktepolsters unbegründet. Denn die Münchener, so können wir aus der Ferne beobachten, kommen erstaunlich gut klar mit der Pleite. "Vielleicht war es ja sogar ein gutes Zeichen für uns", sagte Abwehrmann Mats Hummels und erklärte, wie genau er das meinte: "Weil wir nun wissen, dass wir mit einer passiven Haltung nur halb so gut sind." Stimmt. Aber eine solche Erkenntnis ist ja weder neu, noch hätte es den Versuch gebraucht sie zu widerlegen. Weshalb die Bayern in Sinsheim, dort spielen die Hoffenheimer, nach 45 Minuten dann auch wieder in den gewohnten Rhythmus switchten. "Die zweite Halbzeit war viel besser, so wie es sein muss. Wir waren überlegen, hatten Chancen", analysierte Arjen Robben. "Da haben wir so gespielt wie in den letzten Wochen. Deswegen bin ich guter Dinge, dass es Samstag gegen Dortmund wieder anders aussieht", beobachtete der abwanderungswillige Ersatz-Keeper Sven Ulreich. Wir diagnostizieren daher: "Tutto bene, Carlo".
2. Der BVB macht's wie ein Kreisligist
Das obligatorische Nach-Spiel-Telefonat eines Kreisliga-Trainers mit einem Reporter hört sich oft so an (Verzeihung an alle empörten Ausnahmeübungsleiter) - unabhängig vom Ergebnis: "Puh, was soll ich sagen. Wir hatten Chancen für zehn Spiele …". Nun, im Fall des Bundesligisten Borussia Dortmund hätte Thomas Tuchel tatsächlich das Recht sich diesen Satz fast Woche für Woche zu eigen zu machen und wohl niemand würde ihm widersprechen.
Denn was seine Männer in der Spitze - selbst 25-Tore-Lebemann Pierre-Emerick Aubameyang ist da keine Ausnahme - mitunter vor dem Tor vergeigen, das ist phasenweise irrwitzig spektakulär, kostet Punkte und setzt dem Trainer hart zu, was er kreisligauntypisch (nochmal Verzeihung an alle empörten Ausnahmeübungsleiter) in ein rhetorisch feines Gewand presst: "Die Chancen, die wir in Serie liegen lassen, die vielen Spiele, in denen es uns nicht gelingt, den Gegner auszuknocken, stecken uns in den Kleidern." Beinahe wäre es auch gegen den HSV schief gegangen, wie Coach Tuchel beobachtete. "Es ist einfach fahrlässig, wie wir das spielen. Das war eine einzige Achterbahnfahrt. So, dass sich dann im Stadion und bei unseren Spielern das Gefühl einschleicht 'vielleicht geht das mit 100:0 Torschüssen hier lustig 1:1 aus'. Wir haben heute so einen Aufwand betrieben, da wird mir angst und bange, wenn ich an unser Programm denke." Das Spiel endete übrigens 3:0 - bei einem Torschuss-Verhältnis von 17:16.
3. Der Nagelsmann ist dauerberauscht
"Siegen ist schon eine kleine Droge, vielleicht auch eine große. Ich habe noch keine Drogen genommen, aber so stelle ich mir das vor", sagte Hoffenheims Trainer Julian Nagelsmann nach dem Meisterstück gegen den FC Bayern. Es war der fünfte Sieg aus den vergangenen sieben Ligaspielen. Folglich muss der Nagelsmann ja aktuell dauerberauscht sein. Vielleicht auch von seiner eigenen Kompetenz. Denn von der sind immer mehr Menschen überzeugt - nicht nur in München. Er selbst ist allerdings eher überrascht: "Man hat gegen die Bayern schon nach 1:20 Minuten den Plan perfekt gesehen, was wir machen wollten. Da dachte ich mir: So klar aufgehen kann's eigentlich nicht. Das ist ja völliger Wahnsinn." Und der könnte für den Tabellendritten am Ende in der Champions League enden. Anders als in der Saison 2008, als der damalige Aufsteiger nach der Herbstmeisterschaft einbrach und sich im Mittelfeld über die Ziellinie schleppte. Deswegen den Sieg gegen die Bayern abhaken und weitermachen: "Die Jungs wissen auch, dass die Saison 34 Spieltage dauert. Die wollen den Weg weitergehen. Besaufen wird sich heute keiner, das kann ich ihnen sagen", sagte Nagelsmann. "Wir feiern erst dann, wenn wir die Spielzeit positiv abgeschlossen haben." Am besten mit einem Sieg, denn dann ist auch der Coach berauscht.
4. Und plötzlich sind sie weg …
… die Trainer Martin Schmidt vom FSV Mainz 05 und Manuel Baum vom FC Augsburg. Nun, keine Sorge, Sie haben nichts verpasst. Noch sind beide ja da. Aber sie haben nach den erneuten Niederlagen ihrer Klubs die volle Rückendeckung der Vereinsführung bekommen. Was das heißt, wissen Sie sicherlich. In Mainz klingt das nach dem 2:3 gegen Leipzig so: "Er wird definitiv am Samstag in Freiburg auf der Bank sitzen", sagte Sportdirektor Rouven Schröder. Bedeutet: Gibt's im Breisgau keinen Dreier war's das für Schmidt. Und wie schaut's beim Baum aus? Nun, ein bisschen besser. Zumindest wird der Druck auf den Coach cleverer verpackt: Der FCA werde "definitiv nicht die Nerven verlieren" und Baums Position in Frage stellen, sagte Manager Stefan Reuter nach der bitteren Pleite gegen Ingolstadt (2:3). "Ich werde jetzt keine Forderungen an den Trainer aufstellen. Er analysiert die Spiele sehr gut und wird versuchen, mit dem Team Lösungen zu erarbeiten. Dafür stehen wir, dass wir geschlossen an den Dingen arbeiten."
5. Die Bundesliga hat einen neuen Philosophen
Früher hieß es ja eher so: "Haste scheiße am Fuß, haste scheiße am Fuß." So: "Wir müssen jetzt endlich den Arsch hochkriegen und Eier zeigen." Oder so: "Es war ein wunderschöner Augenblick, als der Bundestrainer sagte: "Komm Steffen, zieh deine Sachen aus, jetzt geht’s los." Ehrlich, lebendig, gerade raus. Nun, aber es geht auch anders. Die Bundesliga hat einen neuen Philosophen. Einen sehr erfolgreichen. Er heißt Alexander Nouri. Er trainiert Werder Bremen. Und seit seiner vermeintlichen Beinahe-Entlassung hat er 19 von 21 Punkten geholt.
So viele wie selbst die Bayern im gleichen Zeitraum nicht. Doch warum ist das so? Nun: "Die Basis", sagte Nouri nach dem 3:0 gegen Schalke am Dienstagabend, "war auch heute wieder, das wir eine Gemeinschaft des Willens auf den Platz gebracht haben." Und wohin geht der Weg, nach Europa? Nun: "Wir wissen, dass die Brücke zwischen Realität und Traum harte Arbeit ist." Ah! Und sonst so? Gibt's auch noch den alten Schlag der Phrasen-Freunde: "An manchen Tagen klappt es eben nicht. So ist Fußball." Gesagt von? Signore "tutto bene", Carlo Ancelotti.
6. Wolfsburg hängt am Gomez-Tropf
Über die besondere Symbiose von Trainer Andries Jonker und Stürmer Mario Gomez ist ja eigentlich alles gesagt. Wenn Jonker coacht, trifft Gomez. Das war einmal. Die Freiburger haben der besonderen Beziehung nun bei ihrem 1:0-Erfolg in Wolfsburg einen ersten Schaden zugefügt. Und weit schlimmer als das Ende der Serie – neun Spiele hat sie angedauert – ist für den VfL die fatale Abhängigkeit von ihrem Stürmer. Denn ohne Gomez-Tore gibt's kaum Punkte. Wird's also doch nochmal richtig eng im Kampf um den Klassenerhalt? "Ich glaube nicht, dass es einen Knacks gibt, weil wir in der Art und Weise einen großen Fortschritt gemacht haben", sagte Gomez. Den unerwarteten Rückschlag nach zuvor vier Spielen ohne Niederlage bezeichnete er zwar als "bitter", doch "es war klar, dass wir bis zum Ende nicht alles gewinnen." Der VfL war gegen Freiburg die klar bessere Mannschaft, doch vergab etliche Chancen, so auch Gomez. "Wenn ich den Ball in der siebten Minute reinmache, gewinnen wir das Spiel." Stimmt. Vielleicht. Der Ball war aber nicht drin. Eine gefährliche Abhängigkeit.
Quelle: ntv.de