Schalke sucht das Spielglück FC Bayern vertraut auf die Ancelotti-Zeit
01.03.2017, 09:48 Uhr
Den Fuchs bringt nichts aus der Ruhe: Bayern-Coach Carlo Ancelotti erfreut sich an seiner wiedererstarkten Elf.
(Foto: REUTERS)
Wenn's in die großen Spiele geht, dann wird der FC Bayern schon wieder glänzen. Mit dieser Durchhalteparole schleppt sich der Klub durch die erste Saisonhälfte. Was zählt sind Titel - wer vermisst da eigentlich noch Josep Guardiola?
Außerhalb von München ist Carlo Ancelotti nur eines: der Trainer des FC Bayern. Ansonsten dringt kaum etwas über die Italiener über die Stadtgrenze der Landeshauptstadt. Das liegt aber vermutlich eher weniger an dem gemütlichen Italiener selbst, sondern viel mehr an seinem Vorgänger Josep Guardiola. Der war in München zwar nicht unbedingt als fassbarer Mensch, sondern eher als hyperaktiver Taktik-Thinktank bekannt, schwebt über dem Verein aber immer noch als Patron des schönen Spiels. Und weil sie in München das Spektakel lieben, mochten sie den sich privat völlig abschottenden Katalanen irgendwie. Denn er bot ihnen das, wonach sie sich sehnen: hochwertigsten Fußball.
FC Bayern: Neuer - Lahm, Martínez, Hummels, Alaba (Bernat) - Vidal, Thiago - Robben, Müller, Ribéry - Lewandowski; Trainer: Ancelotti.
FC Schalke 04: Fährmann - Höwedes, Badstuber, Nastasic - Stambouli - Schöpf, Kolasinac (Aogo) - Goretzka, Betaleb - Caligiuri - Burgstaller; Trainer: Weinzierl.
Schiedsrichter: Daniel Siebert (Berlin)
Doch das Ästhetische hatte einen Makel: der große Titel fehlte. Drei Jahre schraubte Guardiola wie besessen an seiner Mannschaft, um die Champions League zu gewinnen. Drei Jahre lang scheiterte er im Halbfinale. Mal unglücklich, mal wegen taktischer Fehler. Im Sommer nun trennten sich die Wege und es kam Carlo Ancelotti. Der Mann, der den ganz großen Erfolg kann - eigentlich. Doch statt der langen Party gab's den ganz schnellen Kater. Binnen kürzester Zeit rüstete sich der FC Bayern vom taktisch hochbegabten Alphatier zu einem Gegner unter vielen ab. Kaum ein Tag verging seither, ohne dass die Kritik am Rekordmeister größer wurde. Und kaum ein Tag verging, an dem sich die Münchener der immer gleichen Parole bedienten: Abwarten, unsere Zeit, die Carlo-Ancelotti-Zeit kommt noch. In der zweiten Saisonhälfte, wenn's in allen Wettbewerben richtig rumpelt sind wir da. Dafür steht er doch, der Italiener. Früher, als Trainer des AC Mailand, als Coach des FC Chelsea und als Übungsleiter der Königlichen von Real Madrid. Und ja, bitteschön auch heuer, als leitender Stratege der Münchener.
Bayern-Zug läuft auf der Titelschiene
Und tatsächlich: Je heftiger es rumpelt, desto ruhiger läuft der FC Bayern bislang auf der Titelschiene. Der FC Arsenal ist in der Champions League bereits vor dem Rückspiel besiegt, die Liga zittert wieder heftig - wahlweise vor den Glücks-Bayern (gegen Hertha) oder den Gnadenlos-Bayern (gegen den Hamburger SV) - und im Pokal? Da ist heute der FC Schalke 04 zu Gast (ab 20.45 Uhr im Liveticker bei n-tv.de) und beteuert beharrlich keine Angst zu haben. Das ist zumindest für all jene schön zu hören oder zu lesen, die sich auf einen spannenden Viertelfinal-Abend freuen, mit den realen Kraftverhältnisse hat das dagegen nicht so viel tun. Zu wenig konstant und souverän sind die Schalker trotz sieben ungeschlagenen Spielen in Serie (vier Remis, drei Siege), zu beschäftigt sind sie mit sich und ihrer Mittelfeld-Stagnation in der Bundesliga und zu berauscht sind die Bayern von ihrer plötzlich wiederentdeckten Spielfreude.
An kräftesparende Berechnung der Münchener mag man angesichts doch ziemlich mauer Auftritte im Saisonverlauf nicht glauben, eher daran, dass die Bayern sich doch noch rechtzeitig ihres Titelhungers und der dafür benötigten Leidenschaft und Einstellung erinnert haben. Denn stillen wollen sie ihren Trophäenappetit. Ob mit Feinschmecker-Fußballer oder mit Hausmannskost – hauptsache satt nach bestenfalls 90 Minuten. "Egal wie, wir wollen in die nächste Runde, das ist unser Ziel", sagt Torgarant Robert Lewandowski. Der Mann, von dem die Bayern so abhängig sind, wie ein gelungener Skiurlaub vom Schnee. Der Mann, der mit seinen Toren, seiner Cleverness, seinem Spielverständnis einfach nicht zu ersetzen ist. Der Mann, der nach wie vor jeden Gegner vor den Münchenern zittern lässt, egal wie gut der Rest der Mannschaft in Form ist.
"Wir hatten kein Losglück..."
Da sich für den aber aktuell festhalten lässt: Ergebnisse weiter gut, Verfassung endlich sehr gut, reisen die Gelsenkirchener zurückhaltend, aber dennoch nicht devot an. Schließlich haben sie noch vor knapp vier Wochen nachgewiesen, dass sie wie beim überzeugenden 1:1 am 19. Liga-Spieltag durchaus in der Lage sind den Rekordmeister erfolgreich zu bespielen (und ein Remis in der Arena darf nicht nur für Schalke als Erfolg verbucht werden). "Wir fahren in der Außenseiterrolle nach München, aber wir wollen über uns hinauswachsen und definitiv ins Halbfinale einziehen", sagt Trainer Markus Weinzierl und bemüht einen leicht schrägen Gerechtigkeitsvergleich. "Wir hatten kein Losglück. Ich hoffe, dass wir jetzt Spielglück haben." Nunja, allerdings hat's ja schon einmal geklappt: Vor sechs Jahren setzten sich die Schalker dank eines Treffers von Raúl bei den Bayern mit 1:0 durch und gewannen einige Wochen später sogar den DFB-Pokal.
Das Duell in München war damals übrigens das Halbfinale. Es war im Frühjahr. Es war zur Ancelotti-Zeit. Aber was interessiert's den Italiener? Nichts. Schließlich war damals noch das niederländische Feierbiest Louis van Gaal bayrischer Seiten-Feldwebel. Ganz höflich sagt der Signore nur: "Schalke ist eine gute Mannschaft, aber wir wollen nach Berlin." Volle Überzeugung. Denn es ist ja - zumindest meterologisch - schon Frühling und da blüht der Italiener bekanntermaßen richtig auf. Sportlich wie menschlich. Mittlerweile auch in München. "Gestern Sommer, heute Winter - das Wetter ist schon lustig hier." Es ist Ancelotti-Zeit. Endgültig.
Quelle: ntv.de