Fußball

Nur der ganz große Wurf zählt Haaland, Pep und Man City - kann das gutgehen?

Kann Erling Haaland Manchester City zum Champions-League-Titel führen?

Kann Erling Haaland Manchester City zum Champions-League-Titel führen?

(Foto: IMAGO/PA Images)

Eines der besten Teams der Welt (Manchester City) mit einem der besten Trainer (Pep Guardiola) kauft einen der besten Stürmer (Erling Haaland). Eine fantastische Reise, die nur mit dem Henkelpott enden darf. Was kann da nur schiefgehen? Alles oder nichts.

Pep Guardiola hat sich genau vor einer Woche für den Kauf von Erling Haaland entschieden. Verhandelt wurde natürlich schon länger, aber der Star-Trainer hockte nach dem bitteren Last-Minute-Ausscheiden mit Manchester City in der Champions League gegen Real Madrid in der Kabine und sinnierte: "Verdammt, so einen brauche ich auch." Er dachte dabei natürlich an Karim Benzema, den Mittelstürmer, der diese Königsklassen-Saison prägt wie kein anderer.

Dass sich diese Geschichte so zugetragen hat, ist nicht übermittelt. Doch gute Gründe dafür gibt es. 89 Tore hat City in dieser Premier-League-Saison bereits erzielt. Die meisten aller Teams in der Liga - wie in jedem Jahr seit fünf Spielzeiten. 83 waren es im vergangenen Jahr, gar 102, 95 und 106 in den Saisons 19/20, 18/19 und 17/18. Und jetzt kommt auch noch Ausnahmestürmer Haaland hinzu. Na dann: Gute Nacht Liverpool, gute Nacht Europa. Doch Halt, ob diese Dreiecks-Ehe Haaland, Guardiola und Manchester City passt, bleibt abzuwarten. Besonders, nachdem in dieser Saison ein anderer Dreier in Paris mehr als enttäuschte.

Tore erzielen, das war noch nie das Problem von Manchester - oder einem anderen Team von Guardiola. Der Startrainer pflegt und liebt (s)einen Offensivstil wie kaum ein Zweiter. Die Mannschaften des Katalanen waren und sind gut geölte Offensivmaschinen. Motoren, in denen jedes präzise gesetztes Zahnrädchen ineinander greift, jede noch so kleine Schraube einen wichtigen Sinn zugeschrieben bekommt. Fluide Offensiven, wo sich alles und jeder, Spieler und Räume, so schnell verschieben, dass die Gegner selten hinterherkommen.

Haaland, die fehlende Schraube

Das sieht nicht nur schöner aus als jede metallische Maschine. Der Pep'sche Spielstil ist auch überaus erfolgreich. Die Tore der Skyblues reichen für nationale Titel locker, dafür braucht es keinen Haaland für mehrere Hundert Millionen Euro (so hoch beläuft sich das Gesamtpaket des Transfers). Drei der letzten vier Meisterschaften haben sie gewonnen. Auch in diesem Jahr dürfte Liverpool Guardiolas Männer nicht mehr von der Spitze verdrängen können.

Eine Stellschraube fehlt Guardiola aber schon seit Jahren. Seit er nicht mehr den damals noch alle überragenden Lionel Messi im Team hat. Und so saß der Katalane bedröppelt in der Kabine nach dem Aus gegen Real und dachte: Haaland kommt für nicht weniger, als genau dieses fehlende Motorteil zu sein. Damit der Antrieb auch in den ganz großen Spielen brummt. Um den Traum, der die Citizens genauso wie ihren Trainer umtreibt, zu erfüllen. Den Gewinn der Champions League. Alles andere wäre eine Enttäuschung.

City ist die Mannschaft der Premier League mit dem meisten Ballbesitz und den meisten Ballkontakten im Strafraum. Der ballbesitzorientierte Fußballstil Guardiolas lebt davon, das Spielgerät schnell und weit vor dem eigenen Tor zu erobern. Wer Haaland schon einmal live auf dem Rasen erleben durfte, weiß, was für ein Berserker da über den Platz wetzt. Pressing ist für den Norweger Teil seiner Grundeinstellung, Haaland will den Ball gewinnen. Immer, überall, und so schnell wie möglich. Beste Voraussetzungen also.

Heiland Haaland?

Auch Dortmund spielt mit einer hohen Verteidigungslinie und verdichtet die Jagd nach dem Ball auf engstem Raum. Doch ob Haaland auch die Automatismen des fluiden Gerüsts von Man City schnell annehmen können wird? Die kompakten Kollektivbewegungen Guardiolas benötigen viel Training.

Wie schon beim FC Barcelona setzt Guardiola in Manchester vor allem auf quirlige und technisch starke Spieler. Power-Sturmtank Haaland kommt trotz einer guten Ballbehandlung über seine Kraft, Athletik, seinen Abschluss und Instinkt. Immerhin, ballsicher und handlungsschnell ist der Norweger. Außerdem besitzt er die Fähigkeit, jegliche defensive Unordnung des Gegners zu erkennen und auszunutzen. Ein Bonuspunkt für das schnelle Spiel des englischen Meisters.

Hätte Haaland statt Jack Grealish die beiden Schüsse aufs Tor von Real im Rückspiel beim Stand von 1:0 für City gehabt, wer weiß... Aber so erschien Guardiola nach dem Spiel eben der Heiland Haaland. Der Trainer stellte in der Sturmspitze in dieser Saison verschiedenste Spieler auf, keiner davon agierte sonderlich glücklich. Phil Foden, Raheem Sterling und Gabriel Jesus ziehen ihre Kreise samt Dribblings lieber am Rand des Spielfelds, spielen meist verschiedene Arten von Hybridpositionen zwischen den vertikalen Linien.

Das liegt auch daran, dass die Gegner der Citizens sich größtenteils so weit in die eigene Spielhälfte zurückziehen, dass der Stürmer etwas verloren im dichtgedrängten Strafraum warten muss, während sich das Mittelfeld Chancen herausspielt und tiefe Läufe geht. Auch Sergio Aguero, dessen Ballberührungen pro Spiel unter Guardiola stark zurückgegangen waren, soll sich vor seinem Abgang darüber beschwert haben.

Veränderte Rollen und Systeme

Haaland ist alles, nur kein Hybridspieler. Haaland ist ein Vollblutstürmer, keine falsche Neun. Allerdings einer, der kaum Ballberührungen braucht (oft trifft er mit dem ersten Kontakt), um seine Tore zu erzielen. Der Norweger kann den Ball auch unter Druck annehmen, behaupten und verwerten, selbst wenn die Verteidiger ihm im Nacken hängen. Sein Kopfballspiel, wenngleich noch ausbaufähig, ist zudem besser als das jedes anderen City-Angreifers. Diese Qualitäten passen zum vorherrschenden Prinzip der Angriffe von Guardiolas Mannschaft: Steckbälle zwischen Innenverteidiger und Außenverteidiger hindurch für Spieler, die aus der zweiten Reihe aus nach vorne sprinten und in den Rücken der Abwehr oder in den Fünfmeterraum passen oder flanken.

Doch auch Haalands Rolle wird sich ändern bei City. Tore wie nach dem Monster-Sprint im Champions-League-Spiel zwischen Borussia Dortmund und PSG im Februar 2020 wird er kaum noch schießen können, denn die Skyblues haben mit all ihrem Ballbesitz nur sehr wenige Konterchancen. Foden, Grealish und Co. könnten den Angreifer jedoch mit präzisen Zuspielen über die Flügel füttern und Kevin De Bruyne mit Steckpässen durch die Mitte.

Allerdings sind die Verteidiger in der Premier League ein anderes Kaliber als die der Bundesliga und der Druck ist enorm. Obwohl Haaland stets bewiesen hat, auch bei einem Anheben des Levels direkt performen zu können: Einen Raketenstart wie in Dortmund darf Manchester City nicht direkt erwarten. Und dass man nicht einfach eine Dortmunder Top-Offensivkraft in eine große Premier-League-Truppe werfen kann und sich anschließend der Erfolg automatisch einstellt - davon kann Vorlagenkönig Jadon Sancho bei Manchester United ein qualvolles Lied singen.

So einen hatte City noch nie

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In einer Zeit, da die Mittelstürmer, die Lewandowskis und Benzemas, wieder die Schlagzeilen bestimmen, hat Pep Guardiola schmerzlich mit ansehen müssen, dass er für den großen Wurf einen solchen Stürmer braucht. Angesichts seiner Dominanz im Strafraum bringt Haaland etwas mit, was Manchester City noch nie hatte. Zwei Fußballverrückte prallen aufeinander und die fantastische, gemeinsame Reise der nächsten Jahre hat nur ein einziges Ziel.

Es wird spannend zu beobachten sein, an welchen Schrauben seines Systems der Katalane für den Norweger dreht, um dessen proppenvollen Werkzeugkoffer auszunutzen, und wo er Anpassung von Haaland einfordert. Eine Maschine wie Erling Haaland - weltklasse, jung, motiviert und lernbegierig - könnte den Offensivmotor Manchesters stärker als je zuvor auf Touren bringen und für Guardiola das letzte Puzzleteil auf dem Weg zum Champions-League-Gewinn bedeuten. Dann sitzt der Star-Trainer wieder in der Kabine, doch diesmal herzt er den Henkelpott.

Quelle: ntv.de

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