Fußball

Weltmeister-Ansage von DFB-Stars Herr Flick, was haben Sie nur getan?

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Bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2018 in Russland erlebt Deutschland ein Fiasko. Bei der EM drei Jahre später ist es eine große Enttäuschung. Die Weltspitze scheint reichlich weit weg. Doch dann kommt Hansi Flick, wird Bundestrainer und alles scheint möglich. Was ist da los?

Manuel Neuer ließ erst vor wenigen Tagen ausrichten, dass es nun das Ziel sein muss, Weltmeister zu werden. Als der Kapitän seine Sätze sagte, war allerdings noch nicht offiziell, dass das DFB-Team nach Katar reisen werde. Um dem Ganzen aber die Dramatik zu nehmen: Es hätte in der WM-Qualifikation schon ein unvorstellbares Wunder gebraucht, um das zu verhindern. Also waren die Ankündigungen nicht respektlos, sondern nur der neuen deutschen (Euphorie)-Welle angepasst. Aber das ist doch wirklich erstaunlich, oder nicht? Unter der Regie von Bundestrainer Hansi Flick scheint alles möglich.

Allerdings ist die Sache auch so: Im Team scheint es durchaus umstritten zu sein, wie offensiv man das Selbstvertrauen nach fünf Länderspielen unter neuer Anleitung kommunizieren sollte. Neuer hat sich für die Variante Vollgas entschieden. Auch Kai Havertz findet, dass man die eigenen Ziele nicht verzwergen muss. Hatte man in den vergangenen Jahren ja oft genug tun müssen. Anders sieht das etwa Leon Goretzka. Der spielt zwar wie Manuel Neuer auch beim FC Bayern und dürfte daher nicht mit allzu großen Ambitionen fremdeln, dennoch spricht er von "kleineren Brötchen", die man backen sollte. Keine schöne Formulierung, aber wohl eine wahre.

Niemand, nicht mal die so enthemmten Euphoriker, dürften derzeit seriös beantworten können, wie viel Wegstrecke das DFB-Team auf dem Pfad zurück in die Weltelite schon absolviert hat und wie viel Wegstrecke noch vor ihnen liegt. Denn so rauschhaft die Leistungen bisweilen waren, unter anderem ja nun die zweite Halbzeit in Nordmazedonien gegen Nordmazedonien (4:0), so mittelmäßig war die Kraft der Gegner. Klar, die Rumänen können gut Fußball spielen (2:1), die Armenier haben das auch nachgewiesen. Und Nordmazedonien hatte Deutschland ja bereits am 31. März erschüttert (1:2). Aber das waren noch andere Zeiten. Blockierte Zeiten auf der Zielgeraden der Joachim-Löw-Ära. Dessen Startrekord mit fünf Siegen in die neue Amtszeit hat Flick am Montag ganz nebenbei noch eingestellt. Und vermutlich wird er ihn im November gegen Liechtenstein kassieren.

Es gibt ein mächtiges "Aber"

Man kann sich diese bisherigen Gegner stark reden. Aber das wäre auch eine dämliche Form des Selbstbetrugs. Denn diese Teams funktionieren vielleicht als Kollektiv gut und haben den einen oder anderen sehr guten Fußballer in ihren Reihen, aber sie sind eben nicht Spanien, Italien, Belgien oder Frankreich. Diese vier Mannschaften hatten gerade erst beim Finalturnier der Nations League angedeutet, wie toll sie dieses Spiel beherrschen. Auch wenn es hierzulande kaum einer gesehen hatte. Die Franzosen um den doch nicht zurückgetretenen Kylian Mbappé hatten sich den Titel geschnappt, die furiosen Spanier um das unerfahrene Supertalent Gavi aber begeistert.

Hansi Flick weiß das alles. Aber es kratzt ihn nicht. "Von der Qualität unserer Spieler, wenn man mal anschaut, wo sie spielen, muss man einfach sagen, haben sie auch die Qualität, gegen Italien, Spanien, Frankreich, Belgien zu bestehen. Ich bin da sehr zuversichtlich." Da will man ihm nicht widersprechen. Denn wenn die Lernkurve der Mannschaft weiter so steil nach oben geht, dann gehört sie in Katar ganz bestimmt zu jenen Nationen, die sich um den goldenen Pokal bewerben. Da ist noch sehr viel Konjunktiv dabei. Diesen möchte Flick gerne peu à peu durch den Imperativ ersetzen. In seinen Worten heißt das so: Die Mannschaft muss noch Entwicklungsschritte machen.

Die Problemzonen der Nationalmannschaft waren zuletzt klar umrissen. Noch ist die optimale Besetzung der defensiven Außenbahnen nicht gefunden. Thilo Kehrer drängt sich immer stärker auf. Er kann es links wie rechts, wie es der Kaiser wohl nennen würde, er kann es aber auch im Zentrum. Dort haben sich Niklas Süle und Antonio Rüdiger indes einen Namen gemacht und arbeiten hart dafür, in dieser Konstellation in die WM zu starten. Sie haben gute Argumente gesammelt, aber längst nicht alle Zweifel ausgeräumt, dass sie wirklich die stabilste Variante sein können. Gerade bei der riskanten Spielweise mit dem hohen Pressing war die Restfeldverteidigung in den vergangenen Partien nicht immer gut organisiert. Noch immer sieht man den Schatten von Mats Hummels und manchmal auch den von Jérôme Boateng.

Flick, der Spielertherapeut

Eine andere Problemzone ist das Sturmzentrum. Dort ist Timo Werner der Mann der Wahl. Nicht jedem gefällt das. Seine bisweilen unglücklichen Auftritte sind zur nationalen Angelegenheit geworden. In der kollektiven Verzweiflung nach einem Heilsbringer in der Mitte wurde sogar lautstark über Simon Terodde gesprochen. Selbst Lothar Matthäus fand die Idee gut. Terodde, das muss man wissen, ist 33 Jahre alt und der wohl beste Stürmer, den die 2. Liga je (über einen längeren Zeitraum) hatte. Neben der Hannover-Legende Dieter Schatzschneider freilich. Nun fand Flick die Kritik an seinem Stürmer Werner mächtig überzogen. Er hatte ihn stark geredet. In der Öffentlichkeit und gegenüber der Mannschaft.

Und was soll man sagen, dieser Flick hat es wieder mal geschafft. Werner spielte gegen Nordmazedonien nicht nur richtig gut, er erzielte auch zwei Tore. Seine Abschlüsse waren von großem Selbstvertrauen. Ja, das ist schon erstaunlich, was da gerade passiert. Mit der Mannschaft. Mit den Spielern. Es fühlt sich an wie ein Déjà-vu. Schon beim FC Bayern war dem Bammentaler eine erstaunliche Eil-Transformation gelungen. Aus einer verunsicherten Ansammlung hatte er die dominanteste Mannschaft Europas gebaut. Spieler wie Boateng oder Thomas Müller waren von Notnägeln zu tragenden Wänden geworden. Flick, das ist eben auch ein bemerkenswerter Therapeut.

Sané ist das beste Beispiel

In der Nationalmannschaft nun war Flick diese sportliche Anschubhilfe nicht nur bei Werner gelungen. Noch prägender war sein Einfluss auf Leroy Sané. Bei der Europameisterschaft war der Münchner wieder einmal an sich selbst und seinen Ansprüchen gescheitert, doch endlich ein Unterschiedsspieler zu sein. Diese fatale Verfassung schleppte er erst mit nach München (dort kassierte er sogar Pfiffe) und dann zum DFB-Team. Sané arbeitete hart und erarbeitete sich das Glück zurück. Über Balleroberungen und sehr viel Bereitschaft und Leidenschaft. Und plötzlich wirkten schwere Dinge am Ball wieder leicht(füßig).

Irgendwie schafft es dieser Bundestrainer, die Mentalität der Spieler zu wecken. Er braucht ihnen das Spiel ja nicht neu beizubringen. Und diese Gier auf Tore und Siege, den Willen, alles dafür zu tun, den hat Flick dem Team bereits in die DNA gepflanzt. Selbst nach einem Rückstand wie gegen Rumänien bricht nichts mehr zusammen. Die Dominanz der eigenen Überzeugung. Der Kopf geht nach oben, die Beine rennen nach vorne. Manchmal vielleicht noch ein wenig zu leichtsinnig, aber stets getrieben davon, "all in" zu gehen. "Wie weit wir dann sind, weiß ich nicht. Aber ich weiß auf jeden Fall, mit dieser Mentalität ist einiges machbar." Und Manuel Neuer hat ja bereits verraten, was das sein soll.

Quelle: ntv.de

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