Fußball

Blitzsaubere DFB-Elf schlägt Italien Käpt'n Müller treibt Testspielbestien an

Trieb die DFB-Elf zu Höchstleistungen an: Thomas Müller:

Trieb die DFB-Elf zu Höchstleistungen an: Thomas Müller:

(Foto: picture alliance / dpa)

Testspielmodus? Von wegen. Die DFB-Elf kann auch Fußball, wenn es um nichts geht. Gegen Italien zeigen die Löw'schen Eleven ein feines Spiel. Und einer, der sonst allzu oft auf der Bank sitzt, lässt sich bei seinem Heimspiel feiern.

Die Frage nach dem 2:3 gegen England am Karsamstag in Berlin und vor diesem zweiten Freundschaftsspiel am Dienstagabend in München war ja: Schafft es die Mannschaft von Bundestrainer Joachim Löw, vom Testspielmodus hin zu einer Leistung, die einen echten Wettkampf zumindest annähernd simuliert? Nach dem blitzsauberen 4:1 (2:0) gegen Italien im schwarz, rot und golden leuchtenden Stadion zu Fröttmaning lautet die Antwort: Ja.

Deutschland - Italien 4:1 (2:0)

Tore: 1:0 Kroos (24.), 2:0 Götze (45.), 3:0 Hector (59.), 4:0 Özil (75., Elfmeter), 4:1 El Shaarawy (83.)

Deutschland: ter Stegen - Mustafi, Hummels, Rüdiger - Özil, Rudy, Hector (ab 85. Ginter), Kroos (ab 90. Kramer) - Müller (ab 69. Can), Götze (ab 61. Reus), Draxler (ab 85. Volland)

Italien: Buffon - Darmian, Bonucci (ab 61. Ranocchia), Acerbi - Giaccherini (ab 69. El Shaarawy), Motta (ab 68. Parolo), Florenzi (ab 61. De Silvestri), Montolivo - Bernardeschi, Zaza (ab 78. Antonelli), Insigne (ab 68. Okaka)

Schiedsrichter: Oliver Drachta (Österreich) - Zuschauer: 62.653

Das Publikum dankte es ihm mit einem seltenen Gesang: "Oh, wie ist das schön", stimmten viele der 62.653 Zuschauer kurz vor dem Abpfiff in der nicht ganz ausverkauften Arena an, die 66.000 Plätze zu bieten hat. Hinterher lässt sich durchaus behaupten: Die, die nicht kamen, haben etwas verpasst. Das sagte Joachim Löw zwar so direkt hinterher nicht, doch der Bundestrainer war - wen wundert’s? - zufrieden. Jetzt möchte er nachdenken und in Ruhe die beiden Testpartien aufarbeiten und sich dann auf die Europameisterschaft in Frankreich vorbereiten, die für ihn und seine Mannschaft am 12. Juni mit der Partie in Lille gegen die Ukraine beginnt. Nur so viel: "Es gab schon auch wichtige Erkenntnisse." Aha, und welche? Die Antwort gab der Bundestrainer im Telegrammstil: "Gegen England 2:0 geführt, Konzentration verloren, Disziplin verloren, Spiel verloren. Das haben wir heute besser gemacht. Die deutschen Spieler in der Einzelkritik:

Marc-André ter Stegen: Beim FC Barcelona sitzt der 23 Jahre alte Ex-Mönchengladbacher meist auf der Bank - wenn er nicht gerade die Champions League gewinnt. Nun gönnte der Bundestrainer ihm, da Manuel Neuer nach seinem 30. Geburtstag am Ostersonntag an einer Magenverstimmung litt, das fünfte Länderspiel seiner Karriere. Den Gegentreffer von Stephan El Shaarawy acht Minuten vor Toresschluss konnte er nicht verhindern, kein Thema. Was auffiel, war viel mehr, dass er es in der ersten Halbzeit einige Male in bester Neuer-Manier mit dem Fußballspielen übertrieb. Und so kritisierte Löw: "Von ihm wird das auch gefordert, dass er der Spielauslöser ist. In der einen oder anderen Situation muss er aber aufpassen, das haben wir ihm auch in der Pause gesagt. Manchmal muss er die Situation früher lösen." Will meinen: Nicht mit dem Ball am Fuß so lange warten, bis ein Italiener sich ihn schnappt. "Ansonsten hat er aber Ruhe und Übersicht ausgestrahlt." Nun ja, er hat mit solchen Aktionen eher Unruhe verbreitet. Aber beim nächsten Mal spielt eh wieder Neuer.

Antonio Rüdiger: Beim 2:3 gegen England am Karsamstag in Berlin durfte sich noch Emre Can vom FC Liverpool auf der traditionell vakanten Position des rechten Außenverteidigers versuchen - er tat das mehr schlecht als recht. Nun gegen Italien übernahm in seinem achten Länderspiel der 23 Jahre alte Rüdiger vom AS Rom, der in Berlin noch innen verteidigt hatte, diesen Job. Zumindest in der offensiven Dreierkette. Im Verteidigungsfall rückte Sebastian Rudy rechts aus dem Mittelfeld nach hinten und der Kollege Jonas Hector links - und fertig war die Fünferkette - und Rüdiger wieder Innenverteidiger. Und sonst? Ging er wie stets mit der ihm eigenen Vehemenz in den Zweikampf, die bisweilen etwas übermotiviert, gar ungestüm wirkt und an den jungen Jérôme Boateng erinnert. Das heißt dann auch: Aus ihm kann noch was werden. Gab hinterher zu Protokoll: "Heute haben wir nicht nur 60 Minuten, sondern 90 Minuten gut und konzentriert gespielt."

Mustafi bleibt cool. Meistens jedenfalls.

Mustafi bleibt cool. Meistens jedenfalls.

(Foto: picture alliance / dpa)

Shkodran Mustafi: Der 23 Jahre alte Nordhesse vom FC Valencia war in seinem zehnten Länderspiel der zentrale Mann in der Dreierabwehrkette. Fazit: Er kann das, umsichtig eine Abwehr dirigieren. Das ist durchaus auch für die EM eine wichtige Erkenntnis. Zumal er betonte, dass er "für jede Position zur Verfügung" stehe. Brav gesprochen. Sein Motto: Sicherheit zuerst und immer schön cool bleiben. Sein Zweikampfverhalten kann durchaus als routiniert bezeichnet werden. Und das mit dem Spielaufbau übernehmen dann die Kollegen.

Mats Hummels: Der 27 Jahre alte Routinier der Dortmunder Borussia trug in seinem 46. Länderspiel viel dazu bei, dass das in der Abwehr so gut funktionierte; auch, indem er meist dort steht, wo der Ball dann erst noch hinkommt. Da hat er dem Kollegen Rüdiger etwas voraus, dessen Fehler er einige Male ausbügelte. Und nachdem Thomas Müller ausgewechselt worden war, durfte er sogar für die letzten 20 Minuten die Kapitänsbinde tragen. Sein Fazit fiel dann auch positiv aus: "Heute haben wir gesehen, was passiert, wenn wir mit der richtigen Mentalität auf den Platz gehen. Das hat heute gepasst. Unsere variable Fünferkette hat gut funktioniert."

Sebastian Rudy: Das war so schlecht nicht, was der 26 Jahre alte Hoffenheimer in seinem zehnten Länderspiel bot. Ihm schien zupass zu kommen, dass er sich auf der rechten Seite durchaus am Aufbauspiel beteiligen sollte, was er dann auch fleißig und technisch versiert tat. Einerseits. Andererseits gelang ihm das nicht immer, ein wenig zu oft verlor er den Ball. Aber eine Viertelstunde vor dem Ende der Begegnung war er es, der den Elfmeter herausholte, den Mesut Özil dann zum 4:0 verwandelte.

Schoss sein elftes Tor im DFB-Trikot: Toni Kroos

Schoss sein elftes Tor im DFB-Trikot: Toni Kroos

(Foto: picture alliance / dpa)

Toni Kroos: Der 26 Jahre alte Ballverteiler von Real Madrid startete in sein 64. Länderspiel mit dem Kollegen Mesut Özil auf der Doppelsechs. Und er war es, der wie in Berlin das 1:0 für die deutsche Mannschaft erzielte. Nach 24 Minuten hatte der Müllerthomas von rechts geflankt, Leonardo Bonucci fälschte leicht ab, Kroos erwischte den Ball am Teilkreis des Strafraums und schoss ihn direktemang in die von ihm aus gesehen rechte untere Ecke des italienischen Tores - keine Chance für Gianluigi Buffon. Für Kroos war es der elfte Treffer im Trikot des DFB. Und in zwei aufeinanderfolgenden Partien hatte er noch nie getroffen. Aber nicht nur deshalb war er wieder der Beste seines Teams. Und auch, wenn wir es schon häufig erwähnt haben: Kaum einer schießt so präzise wie er. Abgesehen davon, dass er das Spiel lenkt und leitet, indem er die Bälle mit einer an Perfektion grenzenden Sicherheit zu den Kollegen passt - und das nicht nur quer. Sein Resümee: "Wir wollten aus einer kompakten Defensive kommen, das ist heute ganz gut gelungen. Sicher war es gut, dass wir ein anderes Gesicht gezeigt haben als gegen England. Freundschaftsspiel hin oder her, das interessiert mich nicht. Ich will jedes Spiel gewinnen." Müssen wir erwähnen, dass Löw Kroos in der 90. Minute auswechselte? Müssen wir nicht, machen wir aber. Auch dem 25 Jahre alten Leverkusener Christoph Kramer zuliebe, der nun auf zwölf Länderspiele kommt.

Mesut Özil: Übernahm in seinem 72. Länderspiel den offensiven Part der Doppelsechs neben dem Kollegen Kroos, spielte also insgesamt defensiver, als er es eigentlich mag. Der Edeltechniker vom FC Arsenal machte das aber gut und bereitete mit einem hohen Pass auf Thomas Müller das zweite Tor der deutschen Mannschaft vor. Auch der Bundestrainer fand’s prima und war einigermaßen stolz auf sein gelungenes Experiment: "Grundsätzlich wollte ich heute mal etwas anderes probieren. Es hängt alles davon ab, wie diszipliniert man spielt. Das haben die beiden 90 Minuten lang hervorragend gemacht." Und den Elfmeter zum 4:0 zu zelebrieren, den ließ er sich dann auch nicht nehmen, also der Özil.

Feierte sein erstes Tor für Deutschland: Jonas Hector

Feierte sein erstes Tor für Deutschland: Jonas Hector

(Foto: picture alliance / dpa)

Jonas Hector: Nach seiner ausbaufähigen Leistung gegen England hatten Kritiker dem Bundestrainer prompt vorgeschlagen, doch mal wieder Erik Durm und/oder Marcel Schmelzer einzusetzen. Doch da die beiden Dortmunder gar nicht im Kader sind, stand der 25 Jahre alte Kölner auch gegen die Squadra Azzurra als vorgezogener Linksverteidiger in der Startelf. Er machte seine Sache solide, zumindest sorgten die Italiener über seine Seite nicht für Gefahr. Und ihm gelang in seinem zwölften Länderspiel etwas ganz Besonderes: ein Tor nämlich, sein erstes für Deutschlands wichtigste Mannschaft. Fünf Minuten vor dem Ende der Partie machte er Platz für den 22 Jahre alten Dortmunder Matthias Ginter und dessen insgesamt neuntes Länderspiel. Falls es jemand vergessen haben sollte: Der Mann ist Weltmeister, auch wenn er 2014 in Brasilien keine Minute spielte.

Thomas Müller: Der 26 Jahre alte Fast-Alleskönner vom FC Bayern ist, wie sein Kollege Mario Gomez erzählte, "eine Turnierbestie", soll heißen: Wenn es darauf ankommt, ist er da. Zuletzt in Berlin war das nicht der Fall. Nach dem 2:3 gegen England hatte Müller konstatiert: "Wir sind das ganze Spiel über nicht aus dem Testspielbetrieb rausgekommen, waren zu passiv und haben als Mannschaft nicht das abgeliefert, was wir leisten sollten." Warum das so war, hatte er auch erklärt: "Man ist auch nur ein Mensch und weiß, dass es ein Testspiel ist. Solange es gut geht, ist alles in Ordnung. Dass es nicht so sein sollte, habe ich schon betont." In München durfte er in seinem 70. Länderspiel als Kapitän aufs Feld, da der eigentliche Chef, Bastian Schweinsteiger, wieder einmal verletzt pausieren musste. Und er war durchaus derjenige, der seine Mannschaft zum Sieg trieb. Die beiden Tore vor der Pause bereitete er von seiner rechten Angriffsseite aus vor, von einem Motivationsdefizit konnte nicht die Rede sein. In der 69. Minute nahm Löw ihn aus dem Spiel - und brachte den 22 Jahre alten Emre Can vom FC Liverpool, der nun auf fünf Länderspiele kommt.

Mario Götze: Vielleicht braucht man nur den richtigen Vornamen - dann klappt’s zumindest mit der DFB-Elf. Kurz vor der Pause erzielte der 23 Jahre alte Münchner das 2:0. Und das mit dem Kopf. Wieder, wie beim 1:0, hatte Käpt'n Müller geflankt, nur dieses Mal aus der Drehung und ohne zu schauen, Götze setzte sich gegen Alessandro Florenzi und Matteo Darmian durch und traf per Aufsetzer. Danach feierte er, als habe er gerade in einem WM-Endspiel das entscheidende Tor erzielt. Aber was soll’s: Er hat sich halt in seinem 50. Länderspiel über seinen 17. Treffer gefreut. Und Pathos kann er halt. War ja auch ein besonderer Abend für ihn, so oft stand er in diesem Stadion in dieser Saison für den FC Bayern noch nicht in der Startelf. Während Josep Guardiola, der auf der Tribüne saß, mit ihm offensichtlich nicht ganz so viel anfangen kann, hält der Bundestrainer zu ihm - weil er halt Sachen könne, die anderen nicht gelängen - zum Beispiel mit der Hacke den Ball dem Kollegen Julian Draxler zurückzuspielen - so geschehen vor dem 3:0. Aber von wegen Kopfballungeheuer: Unbestätigten Gerüchten zufolge soll Löw seinem Lieblingsgötze übrigens vor der Partie ins Ohr geflüstert haben: "Zeig‘ der Welt, dass du besser bist als Dieter Hoeneß!" Nach einer guten Stunde war Schluss, Götze bekam seinen verdienten Extraapplaus - und sein Spezi aus Dortmunder Tagen, der 26 Jahre alte Marco Reus, kam ins Spiel und zu seinem 29. Länderspiel.

Julian Draxler: Gegen England nur Zuschauer, bekam der 22 Jahre alte Ex-Schalker in Diensten des VfL Wolfsburg in seinem 17. Länderspiel auf der linken Angriffsseite die Chance, dem Bundestrainer zu zeigen, warum er ihn im Sommer zur EM mitnehmen sollte. Und auch wenn ihm bis dahin bei allem Engagement nicht alles gelang, nach einer knappen Stunde zeigte er, was in ihm steckt. Mit einem Solo der Extraklasse startete er durch, zauberte fix einen Doppelpass mit dem Kollegen Götze und legte dann fein zurück auf Jonas Hector, der wenig Mühe hatte, sein erstes Länderspieltor zu erzielen. Beim Doppelwechsel in der 85.Minute erwischte es auch ihn, der 23 Jahre alte Hoffenheimer Kevin Volland kam ins Spiel und zu seiner sechsten Partie in der DFB-Elf.

Quelle: ntv.de

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