Fußball

Perfekte DFB-Harmoniesuppe Özil zuckert, Müller lächelt, Hector schlumpft

Löw, Özil und ganz viel Harmonie ...

Löw, Özil und ganz viel Harmonie ...

(Foto: picture alliance / Andreas Geber)

Das mit der WM ist immer noch nicht in Sack und Tüten, doch die DFB-Elf kantert gegen Norwegen und in Stuttgart feiern sie ein Fest und nehmen, wie Mats Hummels sagt, die Fans mit. Selbst Mesut Özils Körpersprache stimmt.

Als Mario Gomez dann, just eingewechselt, auch noch traf, war die Harmoniesuppe, die der DFB an diesem Montagabend angerührt hatte, endgültig und nahezu perfekt abgeschmeckt. Mit dem 6:0 (4:0) gegen bemitleidenswert unterlegene Norweger gelang den deutschen Fußballern vor 53.814 Zuschauern im ausverkauften Stuttgarter Stadion ihr achter Sieg im achten Qualifikationsspiel zur Weltmeisterschaft. Da aber die Nordiren zu gleicher Zeit mit 2:0 (2:0) gegen Tschechien gewannen, muss sich die Mannschaft von Bundestrainer Joachim Löw, die mit vier Weltmeistern und sieben Confed-Cup-Siegern in der Startelf  antrat, noch ein wenig gedulden, bis sie ganz offiziell im Sommer kommenden Jahres in Russland dabei ist.

Dafür reicht am 5. Oktober in Belfast ein Punkt gegen eben jene Nordiren. Und drei Tage später steht dann noch das allerletzte Spiel in Kaiserslautern gegen Aserbaidschan an. Irgendwann steht dann der Sieg in der Gruppe C endgültig fest. Aber das war in Stuttgart eher nicht das Thema. Vielmehr freute sich Löw, der in der Saison 1980/1981 beim VfB Stuttgart als erfolgloser Stürmer und von 1996 bis 1998 als ungleich erfolgreicherer Trainer wirkte, darüber, dass seine Mannschaft so prima Fußball spielte, niemand Timo Werner auspfiff, niemand "Scheiß DFB" schrie und keine Nazis im Stadion waren.

Die deutschen Spieler in der Einzelkritik:

Hab ihn: Marc-Andre ter Stegen.

Hab ihn: Marc-Andre ter Stegen.

(Foto: picture alliance / Andreas Geber)

Marc-André ter Stegen: "Mir ist es relativ wurscht", hatte der Bundestrainer vor der Partie gesagt, "wer auf welcher Position ist - aber die Positionen müssen besetzt sein". Nun wäre es aber auch gegen die in dieser WM-Qualifikation nahezu konstant schwach spielenden Norweger doch ein wenig vermessen gewesen, ganz ohne Torhüter anzutreten - auch wenn es vermutlich zum Sieg gereicht hätte. Und so kam der 25 Jahre alte Mönchengladbacher in Diensten des FC Barcelona diesen Job und erledigte ihn in seinem 16. Länderspiel weitestgehend positionsgetreu, da die alte Bolzplatzregel "Letzter Mann hält" im Profifußball leider nicht gilt. Dabei wären, kleiner Exkurs, Verabredungen wie "Drei Ecken ein Elfer" und "Letztes Tor entscheidet" durchaus reizvoll. Wie dem auch sei: ter Stegen verlebte einen ruhigen Abend - bis er in der ersten Minute der Nachspielzeit dann doch noch einen Schuss abwehren durfte. Viel mehr gibt es dazu nun wirklich nicht zu sagen.

Joshua Kimmich: Für den 21 Jahre alten Münchner war es sein 22. Länderspiel, und zum 21. Mal in Folge stand er in der Startelf, wie stets am rechten Ende der Viererabwehrkette. Hier hat aber einer seine Chance genutzt. Was nicht nur daran liegt, dass die Konkurrenz beim härtesten Konkurrenzkampf aller Zeiten im DFB-Team just auf dieser Position nun nicht ganz so groß ist. Sondern weil er einfach gut ist, auch wenn er es nicht mag, ständig mit Philipp Lahm verglichen zu werden, dessen Job er jetzt beim FC Bayern übernommen hat. Hinzu kommt, dass er ja sechs Jahre bis zur A-Jugend für den VfB Stuttgart spielte, bevor er 2013 zum damaligen Drittligisten RB Leipzig wechselte - für die Aufstellung am Montag schien das wichtig zu sein. Gegen Norwegen zeigte er wieder einmal, dass er es auch in der Offensive kann. Zwar kam nicht jede Flanke an - aber das störte an diesem Abend keinen großen Geist.

Antonio Rüdiger: Beim glücklichen 2:1 in Tschechien am vergangenen Freitag war der 24 Jahre alte Innenverteidiger des FC Chelsea nach einer Stunde für Mittelfeldspieler Julian Brandt in die Partie gekommen. Nun durfte er, der von 2011 bis 2015 beim VfB unter Vertrag war, in Stuttgart von Beginn an ran. In seinem 19. Länderspiel machte er seine Aufgabe solide, auch wenn es defensiv eher wenig zu tun gab. Er weiß, - Confed-Cup-Sieger hin, guter Start in der englischen Premier League her - dass er wieder raus sein dürfte, wenn Jérôme Boateng vom FC Bayern zurück ist. Und so versuchte er sich einige Male ganz nach Art des Boateng an weiten Diagonalpässen aus der Abwehr heraus, was einige Male schon ganz gut klappte.

Mats Hummels: In Prag war er es, der seinen Kollegen vehement und erfolgreich davon abriet, nach der Partie zu den Fans zu gehen, und sich damit auch bei den Nazis unter den Zuschauern zu bedanken. Und er war es, der auch schon kurz nach dem Abpfiff klare Worte fand: "Das war eine Katastrophe, ganz schlimm." Am Samstag hatte sich dann auch DFB-Präsident Reinhard Grindel klar positioniert. Aber nicht nur abseits des Rasens war Hummels einer der Besten. In seinem 59. Länderspiel übernahm der 28 Jahre alte Innenverteidiger des FC Bayern wieder die Rolle des Abwehrchefs. Eine Aufgabe, die an diesem harmonischen Abend allerdings unter seinem Niveau gewesen sein dürfte. Griffen die arg harmlosen Norweger dann doch mal an, wirkte es so, als ließen die großen Jungs die kleinen halt auch mal spielen. Und bevor es dann ernst wurde, nahmen sie ihnen den Ball weg - allen voran Hummels. Er war es auch, der vor gesagt hatte, dass den Etablierten die Konkurrenz durch die Confed-Cup-Sieger guttue. Nun wissen wir, was er damit gemeint hat. So war er auch rundum zufrieden: "Es war eine sehr schöne Reaktion auf alles. Es haben sich heute Zehntausende dagegen gestellt, was da ein paar Idioten am Freitag von sich gegeben haben. Genau so soll es sein, dass die Leute darauf reagieren und zeigen, dass das eine kleine Minderheit war, die aktuell etwas zu groß ist." Auch sportlich sei alles prima: "Wir haben von der ersten Minute an Gas gegeben. Wir hatten uns auf die Fahne geschrieben, die Fans heute mitzunehmen."

Applaus, Applaus: Mats Hummels.

Applaus, Applaus: Mats Hummels.

(Foto: picture alliance / Uwe Anspach/d)

Jonas Hector: Beim 1. FC Köln spielt er meist im zentralen Mittelfeld, in der DFB-Elf hat der 27 Jahre alte Dauerläufer ein Abonnement auf den Job als linker Außenverteidiger. Nachdem er gegen Tschechien eine eher durchwachsene Leistung - nicht richtig schlecht, aber auch nicht richtig gut - gezeigt hatte, war er nun gegen Norwegen in seinem 35. Länderspiel gleich am ersten Tor seiner Mannschaft in der zehnten Minute beteiligt. Den Ball hatte er vom Kollegen Toni Kroos bekommen, bevor er ihn sehr überlegt und präzise von links auf Mesut Özil zurücklegte. Ansonsten war Hector sehr damit beschäftigt, als Quasi-Linksaußen an der Seite von Julian Draxler das Spiel der DFB-Elf nach vorne zu kombinieren. Das machte er prima, stärker als zuletzt in Prag. Nicht nur in Köln wissen sie, was sie an ihm haben. Dort nennen sie ihn übrigens, weil er eine Brille trägt, dem Vernehmen nach Schlaubi Schlumpf.

Sebastian Rudy: Ein wenig überraschend fand sich der 27 Jahre alte Neu-Münchner in der Startelf wieder und absolvierte so sein 21. Länderspiel neben dem Kollegen Toni Kroos als der defensivere Part auf der Doppelsechs. Überraschend deswegen, da Sami Khedira vor der Partie angekündigt hatte: "Für mich persönlich ein sehr besonderes Spiel." Schließlich war der 30 Jahre alte Mittelfeldspieler von Juventus Turin als Achtjähriger zum VfB nach Stuttgart gewechselt, hatte dort in allen Jugendmannschaften gespielt und später 98 Bundesligaspiele absolviert. Allerdings hat auch Rudy eine VfB-Vergangenheit, von 2001 bis 2010. Gegen die Norweger zeigte er, dass er durchaus zu einer gewissen Robustheit im Zweikampf fähig ist und doch auf einen Fundus spielerischer Klasse zurückgreifen kann. Sonst aber eher weniger auffällig. Und als er dann nach einer Stunde doch ausgewechselt wurde und Khedira dann doch auf den Rasen kam, nahm der Kreischpegel im Stuttgarter Stadion popkonzertartige Ausmaße an. In Prag hatte er noch leicht angeschlagen gefehlt und hatte sich in der alten Heimat pflegen lassen, nun kam er doch noch zu seinem 71. Länderspiel - und in den Genuss, erstmals seit 2010 wieder vor dem Stuttgarter Publikum zu spielen. Da stand's dann allerdings schon 5:0 für die DFB-Elf, sodass er es einfach nur genießen konnte.

Toni Kroos(artig)

Toni Kroos(artig)

(Foto: picture alliance / Sebastian Gol)

Toni Kroos: Der 27 Jahre alte Ballverteiler von Real Madrid schwärmt nicht nur für die Schlagergruppe Pur, er mag auch die Bundeskanzlerin. Und er hat sich, zumindest deutet viel darauf hin, auch das Fernsehduell zwischen Angela Merkel und Martin Schulz angesehen. Jedenfalls ließ er am Sonntag um 22.15 Uhr via Twitter verlauten: "Es lebe Angie!!!" Was zum einen die Frage aufwirft, ob die beiden sich duzen - und zum anderen dafür sorgte, dass sich schnell jemand fand, dem das nicht gefiel. Einer postete, er könne kotzen, wenn er so etwas lese. Daraufhin Kroos: "Mach doch." In seinem 78. Länderspiel kümmerte er sich wieder um den Ball und darum, dass er, also der Ball, mit bewundernswerter Präzision die Mitspieler erreichte. Er ist der Jo-Jo-Spieler unter den Mittelfeldassen - und wenn er dafür so viel Platz hat wie gegen Norwegen, dann genießt er das natürlich. Der Hammer folgte dann in der 72. Minute: Toni Kroos spielte einen Fehlpass. Frau Merkel, handeln Sie!

Thomas Müller (l.) jubelt mit Julian Draxler: Das Lachen ist zurückgekehrt.

Thomas Müller (l.) jubelt mit Julian Draxler: Das Lachen ist zurückgekehrt.

(Foto: picture alliance / Uwe Anspach/d)

Thomas Müller: Nach dem Erfolg in Prag hatte der 27 Jahre alte Offensivspieler des FC Bayern gesagt: "Die Truppe entwickelt sich immer weiter, es kommen immer wieder neue, frische Spieler dazu, und die Älteren müssen auch zeigen, was sie drauf haben, um sich zu etablieren. Wir kriegen hier keine Geschenke." Es sei schließlich so: "Wir sind hier ja nicht auf der Puder-Rosa-Ranch oder bei Wünsch Dir was." Der Mann kennt seinen Bully Herbig. Böse Zungen könnten jetzt behaupten, dass er am Mikrofon immer stärker, auf dem Rasen aber schwächer wird. Andererseits: Sein 87. Länderspiel war sein siebter Startelfeinsatz im siebten WM-Qualifikationsspiel. Und wie war er? Als sich kurz vor dem Halbzeitpfiff wieder einmal ein Norweger im letzten Moment in einen seiner Schüsse warf - da lächelte er. Es war das Lächeln eines Spielers, der erst nach 21 Minuten das 3:0 filigran mit der Hacke und fünf Minuten vor der Pause das 4:0 des Kollegen Timo Werner mit einer Hammerflanke vorbereitet hatte; der die rechte Seite auf und ab gelaufen und ab und zu in die Mitte ausgewichen war; der die Bälle gefordert hatte, engagiert wie eh und je war - und dem doch kein Tor gelungen war. Da er das alles sehr gut gemacht hatte, wäre es ihm zu gönnen gewesen. Nach der Pause durfte er sich ausruhen, für ihn kam der 22 Jahre alte Schalker Leon Goretzka in die Partie und zu seinem zehnten Länderspiel. Und kaum war er fünf Minuten dabei, gelang ihm das, was Müller verwehrt geblieben war. Nach einer kurzen Ecke und einer Flanke Julian Draxlers erzielte Goretzka mit dem Kopf seinen insgesamt fünften Treffer für die DFB-Elf und den fünften Treffer an diesem Abend. Und Müller sagte hinterher: " Heute haben wir mit spielerischer Eleganz und Gier gespielt. Aber Norwegen hat uns auch gelassen."

Na, läuft doch ...

Na, läuft doch ...

(Foto: picture alliance / Uwe Anspach/d)

Mesut Özil: Der Mann mit den hängenden Schultern muss sich wohl bis zum hoffentlich noch nicht nahen Ende seiner Karriere damit rumschlagen, dass ihm stets, wenn er nicht überragt, vorgeworfen wird, mit seiner Körpersprache stimme etwas nicht. Dabei hatte der fußballerische Feingeist des FC Arsenal gegen Tschechien eine feine Leistung gezeigt und das Tor des Kollegen Timo Werner ganz köstlich mit einem Zuckerpass vorbereitet. Die Partie in Stuttgart war sein 86. Länderspiel - und es war definitiv eines seiner besseren. Und das nicht nur, weil er nach zehn Minuten das erste Tor erzielte, sein 22. für die Auswahl des DFB. Neben Kroos war er der Dreh- und Angelpunkt der Offensive, lief wieder unheimlich viel und hatte - wie schon in Prag - sichtlich Spaß bei der Sache - von wegen Körpersprache. Die Tage bei seinem Lieblingstrainer Löw dürften ihm gutgetan haben, mit Arséne Wenger und seinen Londonern in der Premier League läuft's ja momentan nicht ganz so rund.

Julian Draxler: Der 23 Jahre alte Mittelfeldspieler, der sich bei Paris Saint-Germain nun mit einem Konkurrenten namens Neymar herumschlagen darf, war wie Rüdiger neu in die Startelf gerückt - dabei hat er nie für den VfB Stuttgart gespielt. Aber immerhin war er beim für die DFB-Elf durchaus erfolgreichen Confed Cup der Häuptling für einen Sommer. Und in Prag war er immerhin nach 67 Minuten für den Mönchengladbacher Lars Stindl in die Partie gekommen. In seinem 37. Länderspiel nun stand er in der Startelf, weil er im Training einen guten Eindruck hinterlassen hatte, wie sein Mentor Löw sagte. Und er schaffte es, auf dem Rasen des Stuttgarter Stadions diesen Eindruck auf dem linken Flügel zu bestätigen. Das 2:0 erzielte er nach 17 Minuten selbst, das 5:0 Goretzkas bereitete er mit einer klugen Flanke vor. Das sei ihm auch sein Hang zu kleineren Zirkusnummern verziehen. Sein Kommentar: " Wir haben uns gefreut, vor so einer Kulisse in einem vollem Stadion zu spielen, und wollten den Fans auch etwas bieten. Daher haben wir von Beginn an gleich losgelegt. Für unsere Spielweise hatten wir natürlich auch einen dankbaren Gegner und mehr Räume als sonst."

Timo Werner: Sehr wohl einst für den VfB Stuttgart gespielt hat der 21 Jahre alte Angreifer der Leipziger Rasenballsportler. Seit 2011 war er für die Jugendteams aufgelaufen und hatte mit 17 sein Debüt in der Bundesliga gegeben. Als der VfB  im Sommer 2016 abstieg, ging er. Das sei doch legitim, hatte der Bundestrainer gesagt - und darum gebeten, den jungen Mann nicht auszupfeifen. Wobei es so ist, dass sich die Pfiffe und Schmähgesänge gegen Werner längst vom eigentlichen Grund - seiner dummen Schwalbe vor einem Jahr - entkoppelt haben. Es gibt Menschen, die es einfach lustig finden, ihn zu beschimpfen. Von daher hat Löw schon Recht, wenn er sagt: "Es ist nur noch peinlich, wenn sich einige verleiten lassen, Timo Werner zu beleidigen." Und was machte der in seinem achten Länderspiel? Durfte sich an "Timo-Werner"-Sprechchören der Zuschauer erfreuen, Löws Wunsch war dem Publikum Befehl. Allerdings trat er auch erfolgreich auf, traf zum 3:0 (21.) und 4:0 (40.). 65 Minuten waren gespielt, als er noch einmal gefeiert wurde - der Bundestrainer wechselte ihn aus und brachte Mario Gomez, der ebenfalls gefeiert wurde. Auch dafür, dass der 32 Jahre alte Angreifer des VfL Wolfsburg einst für den VfB Stuttgart gespielt und getroffen hat. Und als er dann elf Minuten vor dem Ende der Partie in seinem 71. Länderspiel auch noch das 5:0 und damit sein 31. Tor in einem Länderspiel erzielte, schwelgten alle in Glückseligkeit. Hatten wir erwähnt, dass es wirklich ein sehr harmonischer Abend war?

Quelle: ntv.de

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