Die DFB-Elf übt für die EM Rätsel Reus, Podolski kein Maskottchen
01.06.2016, 13:18 Uhr
Nun doch kein gemeinsames Turnier: Marco Reus und Mario Götze.
(Foto: imago/Matthias Koch)
Was ist nur passiert mit Marco Reus? Am Sonntag noch freut der sich auf die Fußball-EM, doch dann sortiert der Bundestrainer ihn aus. Lukas Podolski bittet um Respekt. Und Mario Gomez nimmt sich vor, einfach mal planlos zu sein.
Was sagt der Bundestrainer?
Also sprach Joachim Löw: "Er kann nur geradeaus laufen." Das hat der Bundestrainer an diesem Dienstag im Trainingslager in Ascona am Lago Maggiore gesagt, als er irgendwie begründen musste, warum er Marco Reus nicht mit zur Fußball-Europameisterschaft nach Frankreich nimmt, die für die deutsche Mannschaft am 12. Juni, einem Sonntag, um 21 Uhr mit dem Spiel in Lille gegen die Ukraine beginnt. Wieder einmal also fährt die DFB-Elf mit 23 Spielern, aber ohne den Dortmunder zu einem Turnier.
Samstag, 4. Juni: Deutschland - Ungarn, ab 18 Uhr in Gelsenkirchen
Dienstag, 7. Juni: Bezug EM-Quartier in Évian-les-Bains
Sonntag, 12. Juni: EM-Endrunde: Deutschland - Ukraine, ab 21 Uhr in Lille
Donnerstag, 16. Juni, EM-Endrunde: Deutschland - Polen, ab 21 Uhr in St. Denis
Dienstag, 21. Juni, EM-Endrunde: Deutschland - Nordirland, ab 18 Uhr in Paris
Die Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika hatte er verpasst, weil er muskuläre Probleme hatte; die WM 2014 in Brasilien, weil er sich im letzten Testspiel verletzte. Diagnose seinerzeit: Teilriss im linken vorderen Syndesmoseband sowie ein knöcherner Bandausriss an der Fersenbeinvorderseite. Nun soll Reus Probleme am Schambein und an den Adduktoren haben. Kurzum: "Er hat massive gesundheitliche Probleme." Das kam überraschend, beim DFB hatten sie von "einer reinen Vorsichtsmaßnahme" gesprochen, wenn es darum ging, warum der 27 Jahre alte Reus nicht im Kader für das Testspiel gegen die Slowakei stand. Jener Reus, der beim Pokalfinale seines BVB gegen den FC Bayern 120 Minuten durchgehalten und im Elfmeterschießen seinen Strafstoß verwandelt hatte.
Jener Reus, der Ende vergangener Woche gesagt hatte: "Mein Anspruch ist, zu spielen. Ich will unter die ersten Elf, will der Mannschaft in jeder Partie helfen und zeigen, dass ich diesen Platz verdiene." Jener Reus, der am Sonntag auf Facebook schrieb: "Noch elf Tage bis zum EM-Start." Was ist seitdem passiert? Rätsel Reus, wir wissen es nicht. Noch eine Stunde, bevor Löw seinen Satz mit dem Geradeauslaufen sprach, hatte Teamkollege Mario Götze seinem Freund Reus per Twitter zum 27. Geburtstag gratuliert: "Ich freue mich auf unser nächstes gemeinsames Turnier." Doch daraus wird nun nichts. Für Reus ist das nahezu tragisch – und für das Team ein herber Schlag. Er ist nämlich einer, der an guten Tagen den Unterschied ausmachen kann, eben weil er nicht nur geradeaus, sondern auch gerne mal diagonal oder im Zickzack läuft. Vielleicht dann bei der WM 2018 in Russland.
Wie ist der Krankenstand?
Der hat sich insofern gebessert, als das Reus nicht mehr dabei ist. Klingt das jetzt zu zynisch? War nicht so gemeint. Mit dem Leverkusener Karim Bellarabi hat der Bundestrainer noch einen Spieler aussortiert, der angeschlagen war. Bellarabis Vereinskollege Julian Brandt ist zwar fit, ebenso der Hoffenheimer Sebastian Rudy - und doch müssen auch sie zu Hause bleiben. Bleiben noch Kapitän Bastian Schweinsteiger von Manchester United und Mats Hummels, der bis zum 30. Juni bei der Dortmunder Borussia angestellt ist und dann zum FC Bayern geht. Schweinsteiger trainiert nun nach seiner Knieverletzung wieder mit der Mannschaft. Assistenztrainer Marcus Sorg sagte in Ascona: "Er ist absolut im Soll und im athletischen Bereich sehr, sehr gut in Form." Nun wollen sie ihn fußballerisch so weit hinkriegen, "dass er während des Turniers eine wertvolle Ergänzung sein kann". Aha, wertvolle Ergänzung alle. Natürlich sei, sagte Sorg, "was die Spielfähigkeit betrifft, noch Luft nach oben. Aber dafür haben wir auch noch Zeit". Und Hummels? "Mats hat heute individuell trainiert." Ansonsten wagte Sorg die Prognose: "Sind sicher, dass er im Laufe der nächsten Woche wieder ins Mannschaftstraining integriert werden kann."
Ansonsten waren heute Mario Gomez, just mit Besiktas türkischer Meister geworden, und Lukas Podolski, just mit Galatasaray türkischer Pokalsieger geworden, eingeladen, mit den Journalisten zu sprechen. Das Wichtigste zuerst: Podolski fühlt sich bisweilen ungerecht beurteilt. Nicht, dass er etwas dagegen habe, dass darüber diskutiert wird, ob er sich seinen Platz im EM-Kader nun verdient habe oder nicht. "So ist heutzutage das Geschäft." Aber gegen ein Wort hat er mittlerweile eine offenbar sehr tiefsitzende Abneigung entwickelt: Maskottchen. "Ich finde das zum Teil respektlos. Das ist unverschämt, mich so zu bezeichnen. Ich habe über 100 Länderspiele absolviert, das habe ich nicht verdient." Also: "Als Maskottchen bin ich, wie manche geschrieben haben, bestimmt nicht hierhin gekommen." Ansonsten aber gelte: Er sei topfit, verletzungsfrei und wolle Europameister werden. Kurzum: "Herrlich hier, wie immer."
Und Gomez? Gab sich extrem locker. "Es war immer mein Antrieb, dass ich noch einmal Teil dieser tollen Mannschaft werden kann." Das hat er nun geschafft. "Dementsprechend bin ich total entspannt und werde sehen, wie es kommt." Grundsätzlich versuche er, "ein bisschen planlos zu sein". Will heißen: Er konzentriert sich auf die EM und spricht nicht über seine berufliche Zukunft. Also auch nicht darüber, ob er zum VfL Wolfsburg wechselt. Nur so viel: "Ich kann mir viel vorstellen."
Wer ist der Mitarbeiter des Tages?
Schon wieder Jérôme Boateng. Warum? Weil das Thema Rassismus immer eins ist, nicht nur im Fußball. Es geht noch immer um den unsäglichen Satz Alexander Gaulands: "Die Leute finden ihn als Fußballspieler gut. Aber sie wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben", hatte der stellvertretende Vorsitzende der AfD gesagt. Boateng hat nun mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" gesprochen und möchte das Thema gerne beenden: "Ich bin hier mit der Nationalmannschaft und bereite mich mit Deutschland auf die EM vor. Ich möchte hier nicht jeden Tag über andere Dinge reden und denen eine Plattform geben. Mein Thema ist die Europameisterschaft. Das heißt aber nicht, dass ich das Thema ignorieren würde."
Grundsätzlich sei es so: "Es gab eine breite Ablehnung für diese Art der Hetze. Ich bin zwar kein politischer Mensch, aber bei diesem Thema kann ich natürlich schon sagen, dass so etwas in Deutschland nicht mehr möglich sein sollte. Für solche Sprüche ist kein Platz in diesem Land." Er habe Deutschland "immer auch als sehr offenes und hilfsbereites Land erlebt". Allgemein habe er den Eindruck, dass der Rassismus weniger geworden sei und "dass wir auf einem guten Weg sind. Aber es ist nicht weg. Das zeigt sich ja jetzt auch an dieser unsäglichen Diskussion. Es ist traurig, dass es diesen Rückfall gegeben hat. Dass man sich das anhören muss. Dass dies überhaupt noch möglich ist". Zurück zum Fußball.
Boateng hat wieder einmal deutlich gemacht, dass er durchaus darauf spekuliert, irgendwann, vielleicht schon nach der EM, Kapitän der DFB-Elf zu werden. "Es ist ein tolles Amt, eine große Ehre. Für mich ist es wegen der Hautfarbe und meinem Hintergrund noch mal etwas anderes." Aber es sei nicht so, " dass ich diese Aufgabe brauche, um zu sagen: Ich habe es geschafft".
War sonst noch was?
Löws Vorvorvorvorgänger Berti Vogts hat sich zu Wort gemeldet. Und im Gespräch mit der "Rheinischen Post" gewarnt: "Wenn die Spieler denken, es läuft von alleine, dann werden sie sich wundern." Es sei nämlich so: "Jeder will den Weltmeister schlagen." Das kann ja lustig werden. Wie gut, dass sich Schlagerbarde Heino sicher ist: "Ja, das ist doch ganz klar, dass Deutschland gewinnt. Jogi Löw kann ja aus dem Vollen schöpfen im Grunde genommen. Wir haben eine gute Mannschaft. Früher war es ja immer so, dass wir technisch nicht so auf dem Höhepunkt waren, aber in der heutigen Zeit hat der Jogi Löw schon ein paar Supertechniker dabei. Und wir spielen ja auch einen ganz anderen, modernen, schnellen Fußball. Also ich bin fest davon überzeugt, dass wir dieses Mal wieder Europameister werden."
Quelle: ntv.de