Profifußball droht Zerreißprobe St.-Pauli-Antrag enthält reichlich Zündstoff
23.11.2015, 11:07 Uhr
Kommt nicht überall so gut an, der neue Vorschlag des FC St. Pauli.
(Foto: imago sportfotodienst)
Sturm im Wasserglas oder frischer Wind für die neue Vermarktungs-Pokerrunde? Der Antrag von St. Pauli kommt wie aus heiterem Himmel - und sorgt zunächst einmal für Aufsehen. Vier Bundesligaclubs sollen sich künftig selbst vermarkten.
Keine Kohle für "Werksklubs" - und damit das Ende der Solidargemeinschaft? Dem deutschen Profifußball droht eine Zerreißprobe. Auf Antrag des Zweitligisten FC St. Pauli sollen sich künftig der VfL Wolfsburg, Bayer Leverkusen, 1899 Hoffenheim und ab 2017 eventuell auch Hannover 96 selbst vermarkten. An den Einnahmen aus der Fernseh- sowie der Gruppenvermarktung - Adidas-Ligaball, Krombacher, Hermes-Ballbote - sollen sie nicht mehr partizipieren.
"Sollte dieser Antrag - tatsächlich - ernst gemeint sein", heißt es in einem Schreiben der vier betroffenen Bundesligisten, das dem Fachmagazin "Kicker" vorliegt, an die Deutsche Fußball Liga, "erklärt der Antragsteller die Aufkündigung der Solidargemeinschaft in der Bundesliga und 2. Bundesliga." Am 2. Dezember werden die Mitglieder des Ligaverbandes im Frankfurter Hotel Marriott zusammenkommen und die Causa diskutieren. Für reichlich Zündstoff ist gesorgt.
Nach der 50+1-Regel dürfen Kapitalanleger nicht die Stimmenmehrheit in Klubs der Deutschen Fußball-Liga übernehmen. Eine Spiellizenz bekommt nur eine solche Mannschaft, wenn der "Mutterverein" mindestens "50 Prozent zuzüglich eines weiteren Stimmanteils in der Versammlung der Anteilseigner" innehat. So soll der Einfluss von Großunternehmen oder Kapitalgebern auf den Profifußball begrenzt werden.
"Unüberlegt und substanzlos"
Nach der 50+1-Regel dürfen Kapitalanleger nicht die Stimmenmehrheit in Klubs der Deutschen Fußball-Liga übernehmen. Eine Spiellizenz bekommt nur eine solche Mannschaft, wenn der "Mutterverein" mindestens "50 Prozent zuzüglich eines weiteren Stimmanteils in der Versammlung der Anteilseigner" innehat. So soll der Einfluss von Großunternehmen oder Kapitalgebern auf den Profifußball begrenzt werden.
"Der Antrag ist unüberlegt und substanzlos", sagte Hannovers Präsident Martin Kind der Bild-Zeitung. Ab dem kommenden Jahr könnte sein Verein genau wie Hoffenheim seit diesem Sommer von der 50+1-Regel ausgenommen werden, weil Kind sich dann 20 Jahre für den Klub engagiert hat. Dann wären die Niedersachsen - so der Wunsch der Kiez-Kicker von St. Pauli - von wichtigen Einnahmequellen aus der Vermarktung ausgeschlossen.
Für Kind allerdings ist das unvorstellbar. "Wir denken", sagte er, "dass dieser Antrag nicht mehrheitsfähig sein wird. Sollte ihm stattgegeben werden, ist die Zentralvermarktung am Ende, dann würde es eine Einzelvermarktung geben." Und dadurch würden beispielsweise Vereine wie Bayern München oder Borussia Dortmund profitieren, ein Klub wie der SV Sandhausen oder der FSV Frankfurt aber könnten deutlich weniger Geld einnehmen.
Kein Ausschluss, lediglich Abschläge
Derzeit nämlich regelt die DFL die "satzungsgemäße Verteilung" der Einnahmen durch Übertragungsrechte zentral. Von den 2,5 Milliarden Euro des im kommenden Jahr auslaufenden Vierjahresvertrags erhielten die Bundesligisten in dieser Saison 680 Millionen Euro, 170 Millionen Euro gingen an die Zweitligisten. Wird am 2. Dezember über eine entschärfte Version abgestimmt? Nach "Kicker"-Informationen will St.-Pauli-Manager Andreas Rettig, ehemaliger DFL-Geschäftsführer, vorschlagen, dass die betroffenen Vereine nicht gänzlich von den Einnahmen ausgeschlossen werden, sondern lediglich Abschläge in Kauf nehmen sollen. Eine hitzige Debatte über den Antrag darf jedenfalls erwartet werden.
Traditionsvereine wie Eintracht Frankfurt oder der Hamburger SV wären dem Vorschlag zumindest nicht vollkommen abgeneigt und haben in der Vergangenheit ebenso wie Dortmunds Boss Hans-Joachim Watzke bereits Argumente für eine Neuverteilung der TV-Honorare gebracht. Watzke beispielsweise sprach davon, dass Tradition oder das Fanaufkommen der Klubs bei Auswärtsspielen bei der Verteilung der Einnahmen berücksichtigt werden. Karl-Heinz Rummenigge, Vorstandschef von Rekordmeister Bayern München, hatte zuletzt für die zentrale TV-Vermarktung geworben. "Unter einer Bedingung: Die internationale Wettbewerbsfähigkeit des FC Bayern und der Bundesliga darf nicht gefährdet sein." Denn die Bundesliga, so Rummenigge weiter, lebe "von der Spitze".
Quelle: ntv.de, Nicolas Reimer, sid