Collinas Erben

"Collinas Erben" fassen zusammen Warum weibliche Schiris erstmals eine Männer-WM leiten

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Stéphanie Frappart leitete als erste Frau Spieler der Männer in der Champions League, in der Nations League und in der WM-Qualifikation.

Stéphanie Frappart leitete als erste Frau Spieler der Männer in der Champions League, in der Nations League und in der WM-Qualifikation.

(Foto: IMAGO/PanoramiC)

Ein Italiener pfeift das Eröffnungsspiel, erstmals sind weibliche Referees bei einer Männer-WM im Einsatz, jede Partie wird von gleich zehn Spieloffiziellen beaufsichtigt, und bei den Trikots dominiert die Farbe Schwarz: Was Sie über die Unparteiischen bei dieser Weltmeisterschaft wissen müssen.

Der Schiedsrichter-Chef des Weltfußballverbands FIFA, Pierluigi Collina, ist bei der Wahl des Unparteiischen für das Eröffnungsspiel der Fußball-Weltmeisterschaft zwischen Gastgeber Katar und Ecuador ganz offensichtlich der Devise gefolgt: keine Experimente! Er nominierte seinen Landsmann Daniele Orsato und damit einen der erfahrensten Referees des Turniers. 47 Jahre alt wird der Italiener in wenigen Tagen, es ist zwar seine erste WM als Hauptschiedsrichter, vor vier Jahren in Russland fungierte er noch als Video-Assistent, unter anderem ebenfalls in der Auftaktpartie des Turniers. Doch Orsato wurde auch schon bei der Europameisterschaft im vergangenen Jahr als Unparteiischer eingesetzt und leitete zudem ein weiteres Jahr zuvor das Finale in der Champions League zwischen dem FC Bayern München und Paris Saint-Germain.

Der Mann aus der norditalienischen Stadt Vicenza, FIFA-Referee seit zwölf Jahren, ist ein ruhiger und weithin akzeptierter Vertreter seiner Zunft mit einem sehr guten Gespür für die Erfordernisse des Spiels. Läuferisch gehört er zwar nicht mehr zu den stärksten Spielleitern, doch das macht er durch Routine und Teamarbeit allemal wett. Orsato sucht das Einvernehmen mit den Spielern, schreckt aber auch nicht vor Konsequenzen zurück, wenn sie unumgänglich sind. So wie im Achtelfinale der Europameisterschaft 2021, als er in der Begegnung zwischen Schweden und Ukraine den schwedischen Spieler Marcus Danielson nach einem gesundheitsgefährdenden Foul des Feldes verwies. Er ist der erste Europäer seit 1998, der das Eröffnungsspiel einer WM pfeift.

Erstmals weibliche Unparteiische bei einer Männer-WM

Daniele Orsato ist einer von 36 Unparteiischen, die für diese WM nominiert wurden. Hinzu kommen 69 Referees zur Unterstützung an den Seitenlinien und 24 Video-Assistenten. Erstmals in der Geschichte der Weltmeisterschaften sind auch weibliche Unparteiische nominiert: Stéphanie Frappart aus Frankreich, Yoshimi Yamashita aus Japan und Salima Mukansanga aus Ruanda werden als Schiedsrichterinnen und als Vierte Offizielle eingesetzt, Karen Díaz Medina aus Mexiko, Kathryn Nesbitt aus den USA und Neuza Back aus Brasilien fungieren als Assistentinnen. Damit entsenden bis auf Ozeanien alle Kontinentalverbände jeweils mindestens eine weibliche Spieloffizielle nach Katar. "Das ist der Beweis dafür, dass die Qualität und nicht das Geschlecht zählt", sagte Schiedsrichter-Chef Collina.

Die vielleicht spannendste Personalie ist dabei die Ruanderin Mukansanga. Die 34-Jährige war bereits die erste Frau, die je beim Afrika-Cup der Männer ein Spiel leitete, nämlich im Januar dieses Jahres die Partie zwischen Simbabwe und Guinea in der Gruppenphase. In der höchsten Liga der Männer in Ruanda ist sie bereits seit 2018 als Schiedsrichterin aktiv. Bei den Frauen war sie unter anderem bei der WM 2019 in Frankreich und den Olympischen Spielen 2020 in Tokio im Einsatz.

Salima Mukansanga hat Krankenpflege und Geburtshilfe studiert, als Unparteiische in Spielen der Männer musste sie sich zunächst gegen erhebliche Widerstände durchsetzen, wie sie der deutschen Fußball-Historikerin Petra Tabarelli in einem Interview berichtete: "Als ich in den unterklassigen ruandischen Ligen als Schiedsrichterin tätig war, war das etwas Neues, denn es gab damals keine Schiedsrichterinnen. Es war eine reine Männerdomäne. Die Leute haben dann auch nicht akzeptiert, was ich tat." Doch sie sei beharrlich gewesen, um eines Tages ihren großen Traum zu verwirklichen, nämlich eine professionelle Unparteiische zu werden. Die Nominierung für das Turnier in Katar sei für sie gleichwohl überraschend gekommen, "mein nächstes Ziel war eher die Frauen-WM in Neuseeland im kommenden Jahr". Doch die FIFA habe erkannt, "dass Frauen hochwertige Schiedsrichterinnen sein und sich an die Spitze des Männerfußballs hocharbeiten können".

Zehn Spieloffizielle pro Partie

Die DFB-Schiedsrichter sind derweil mit Daniel Siebert in Katar vertreten, dem Jan Seidel und Rafael Foltyn assistieren. Als Video-Assistenten sind Bastian Dankert und Marco Fritz dabei. Für den 38-jährigen Siebert ist es die erste Weltmeisterschaft, nach dem Ausscheiden von Felix Brych ist er auf internationaler Ebene die neue deutsche Nummer eins. Seine Nominierung war deshalb keine Überraschung mehr, anders als im vergangenen Jahr, als ihn die UEFA neben Brych für die Europameisterschaft im Sommer berief. Siebert gehörte seinerzeit noch nicht der höchsten Kategorie der UEFA-Referees an, schon deshalb hatte er selbst nicht damit gerechnet, bei der EM dabei zu sein. "Ich habe mich damals nicht als Kandidat gefühlt", sagte er kürzlich rückblickend.

Für die Spiele gilt: Die Schiedsrichterin oder der Schiedsrichter darf aus keinem Land kommen, dessen Team der betreffenden Gruppe angehört. In jeder Partie sind insgesamt zehn Unparteiische im Einsatz: Neben dem Unparteiischen, zwei Schiedsrichter-Assistenten und dem Vierten Offiziellen ist auch ein Ersatz-Assistent im Stadion, der einspringt, falls einer der Helfer an der Seitenlinie sich verletzt oder anderweitig unpässlich ist. Der VAR, der in Doha die Spiele verfolgt, wird von drei Assistenten unterstützt, die jeweils unterschiedliche Aufgabenschwerpunkte haben. Außerdem gibt es auch dort einen Ersatzmann, den "Stand-by-Assistenten".

Die Farbe Schwarz wird eine Renaissance erfahren

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Weil die WM im Winter stattfindet und damit mitten in der Saison, gibt es keine Regeländerungen. Als technische Neuerung kommt erstmals bei einer Weltmeisterschaft die halbautomatische Abseitstechnologie zur Anwendung, sie soll die Abseitsüberprüfung nach einem Tor deutlich beschleunigen. Bei der Pressekonferenz am Freitag in Doha erklärte Pierluigi Collina zudem, die Unparteiischen seien angewiesen worden, den übermäßig harten Einsatz des Ellenbogens und gesundheitsgefährdende Tritte mit erhobenem und gestrecktem Bein konsequent mit einer Roten Karte zu ahnden. Überdies sollten die Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter verloren gegangene Spielzeit gebührend nachspielen lassen.

Kuriosum am Rande: Fest steht bereits jetzt, dass die Farbe Schwarz bei den Trikots der Unparteiischen eine Renaissance erleben wird. Anders als bei den vergangenen Turnieren, als farbige Jerseys dominierten, werden die Referees das schwarze Leibchen diesmal zumindest in der Gruppenphase mit Abstand am häufigsten tragen. In den 48 Spielen wird es 22-mal zum Einsatz kommen, das rote Trikot zehnmal, das gelbe achtmal, das blaue sechsmal und das violette zweimal. Das hat die FIFA, die wenig dem Zufall überlässt, schon jetzt festgelegt, genauso wie die Trikotwahl der Teams für die betreffenden Spiele.

Quelle: ntv.de

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