
Christian Wörns und Michael Ballack unterhalten sich über Fußball.
Vor zwanzig Jahren befindet sich der FC Bayern in einer Mini-Krise. Auswärts hat man überraschend auf Schalke verloren und unter der Woche zu Hause gegen Olympique Lyon. Die Mannschaft scheint angeschlagen - doch dann kommt der BVB und alle Probleme sind nach neunzig Minuten vergessen.
"Vielleicht sollte die Mannschaft einen trinken gehen. Das war zu meinen Zeiten mit Augenthaler, Lerby, Dieter Hoeneß, Michael Rummenigge, Nachtweih oft der richtige Weg. Am nächsten Tag brachten wir Leistung." Lothar Matthäus schien vor dem 12. Spieltag der Saison 2003/04 genau zu wissen, was der FC Bayern in seiner angeschlagenen Situation nun brauchen würde. Damals hatte kurz zuvor Oliver Kahn mal wieder moniert, dass sein Team "keine Eier" habe. Und auch Lothar Matthäus hatte erkannt, dass die Bayern ein Problem hatten: Niemand war da - der wie er früher - "den Leuten in den Hintern treten" würde. Denn für ihn stand fest: "Ich hätte jetzt eine Menge zu tun."
Für den Weltmeister von 1990 gab es in diesen Tagen eigentlich nur einen legitimen Nachfolger für ihn selbst bei den Bayern: Jens Jeremies. Doch da der gebürtige Görlitzer nach einer Verletzungsmisere zumeist nur Ersatz war, konnte er die geforderte Rolle noch nicht wieder ausfüllen. Die Medien hatten die Hoffnung damals in einen anderen Mann gesetzt, doch Michael Ballack hatte im Herbst 2003 Probleme sein Können aufs Spielfeld zu bringen. Matthäus war dennoch ein Fan des Mannes mit der Trikotnummer 13, bemängelte aber die geringe Konstanz in seinen Leistungen: "Manchmal taucht er unter, dann erstrahlt er plötzlich."
Lothar Matthäus als Prophet, der von Bayern-Wut viel versteht
Die Bayern hatten damals Anfang November 2003 gerade eine Krise zu überstehen. Auswärts hatten sie sich beim 2:0 für Schalke von den Königsblauen abkochen lassen und unter der Woche hatten sie gar zu Hause gegen Olympique Lyon in der Champions-League mit 1:2 verloren. Die Stimmung an der Säbener Straße war dementsprechend. Uli Hoeneß forderte, dass "alles, was nicht dem FC Bayern dient, hinten angestellt wird". Doch Lothar Matthäus, der erst drei Jahre vorher seine Münchener ("Irgendwie schlägt mein Herz doch noch bayerisch") verlassen hatte, war sich sicher: "Trotz Krisengerede - das wird ein klarer Sieg am Sonntag. Die Bayern-Wut wird Dortmund zu spüren bekommen!"
Beim BVB war die Lage im Herbst 2003 etwas besser. Den HSV hatte man am Wochenende vorher nach einem 0:2-Rückstand noch mit 3:2 besiegen können. Doch unter der Woche gelang im UEFA-Pokal nur ein 2:2 gegen den FC Souchaux. Immerhin hatte man sich der Tabelle durch den Erfolg gegen Hamburg einen Platz vor die Bayern schieben können. Doch beide Teams rangierten zu diesem Zeitpunkt der Saison nur auf den Rängen vier und fünf. Ganz oben standen, ähnlich wie heute, der VfB Stuttgart und Bayer Leverkusen - und dazu noch der SV Werder Bremen. BVB-Manager Michael Meier zeigte sich dennoch vorsichtig optimistisch, endlich mal wieder etwas im Olympiastadion mitnehmen zu können: "Natürlich können wir momentan nicht den Ball aufreißen und sagen, dass wir die Bayern vom Platz fegen werden. Doch unsere junge Mannschaft hat durchaus das Zeug, sich zu behaupten."
Schönes Spiel, aber Bremen wird Meister
Daraus wurde allerdings nichts. Der "Kicker" schrieb nach dem Spiel, das die Münchener mit 4:1 deutlich für sich entscheiden konnten: "Der FC Bayern gewinnt hoch verdient gegen stark ersatzgeschwächte Dortmunder, die zudem Debütant Brzenska bereits nach 43 Minuten mit Gelb-Rot verloren." Matthäus` Vermutung, dass die Bayern-Wut zuschlagen würde, hatte sich also bestätigt. Und ganz besonders ein Mann hatte sich an diesem Tag von seiner besonders wütigen Seite gezeigt: Michael Ballack.
Schon nach drei Minuten hatte der Mittelfeld-Stratege erstmals direkten Kontakt zum BVB-Tor gesucht, als er mit einem Freistoß nur den linken Pfosten traf. Doch die ganze Diskussion um seine Person hatte sich spätestens dann erledigt, als er in der 27. Minute zum 1:0 für die Bayern traf. Hinterher bewertete der "Kicker" Ballacks Leistung mit der Note 1 und resümierte: "Er forderte jeden Ball, er bekam jeden Ball, er traf einmal an den Pfosten und einmal ins Tor und war nur mit Fouls zu bremsen." Neben Ballack schossen aufseiten der Bayern noch Willy Sagnol, Hasan Salihamidžić und Claudio Pizarro ein Tor, bei einem Gegentreffer des BVB von Jan Koller. Der FC Bayern war wieder zurück in der Spur. Seine ganze aufgestaute Wut hatte der Rekordmeister an der jungen Truppe von Borussia Dortmund ausgelassen.
Am Ende der Saison hatten allerdings beide Teams das Nachsehen im Meisterschaftsrennen. Doch nicht der VfB Stuttgart oder Bayer Leverkusen, die nach dem 11. Spieltag noch auf der ersten beiden Tabellenrängen gestanden hatten, sondern der (lachende) Dritte, der SV Werder Bremen, wurde schließlich Meister der Saison 2003/04. Übrigens: Mit einem spektakulären Sieg der Bremer ("Champagne, Wasser, Bier brasilian. Muss heute alles. Alles", Ailton) am 32. Spieltag in München. Doch das ist wieder eine ganz andere Geschichte!
Quelle: ntv.de