Fußball-WM 2018

Südkoreas mögliches WM-Wunder "Herr Shin mag das Abenteuer, er ist kreativ"

"Herr Shin" ist der südkoreanische Joachim Löw.

"Herr Shin" ist der südkoreanische Joachim Löw.

(Foto: REUTERS)

Deutsche WM-Blamage, südkoreanische Sensation – vor dem Gruppenfinale zwischen Joachim Löws DFB-Elf und Südkorea um Sturmstar Heung-min Son ist noch alles möglich. Mit seinem Geniestreich gegen Schweden hat Toni Kroos auch den Südkoreanern etwas Resthoffnung aufs Achtelfinale geschenkt. Nur: "Traurigerweise glauben die Leute nicht an ein Wunder, weil der Gegner Deutschland ist", sagt der Sportjournalist Ki-hwan Lim im Gespräch mit n-tv.de. Er berichtet für das Magazin "Best Eleven" von der Weltmeisterschaft in Russland und sieht zwischen Südkoreas Coach Tae-Young Shin und Bundestrainer Löw nicht nur modische Gemeinsamkeiten. Überhaupt kein gutes Haar lässt er an Shins deutschem Vorgänger Uli Stielike. Neben Kroos zittert er vor zwei weiteren "beeindruckenden Spielern" im deutschen Angriff – und vor Südkoreas Wackelabwehr.

Vor der WM hat Südkoreas Rekordtorschütze Bum-Kun Cha im "Kicker" gesagt, Südkorea sei das schwächste Team in Gruppe F und der Fußball in seiner Heimat in der Krise. Wie bewerten Sie die bisherigen Turnierleistungen gegen Schweden (0:1) und Mexiko (1:2)?

Ki-hwan Lim: Ich muss Bum-Kun Cha zustimmen. Der südkoreanische Fußball befindet sich seit dem Scheitern bei der WM 2014 in Brasilien in der Krise. Das wurzelt in chronischen und strukturellen Problemen. Wenn man sich die letzten beiden WM-Partien in Russland anschaut, war das Spiel gegen Schweden nicht gut. Wir haben sehr tief gestanden und das bis zum Schluss beibehalten. Die Mannschaft hatte keine Power für Konter oder um die Schweden zu überlaufen. Selbst Heung-min Son war als eine Art stürmender Außenverteidiger sehr weit zurückgezogen.

Und gegen Mexiko?

Im Vergleich zum Schweden-Spiel war das gut. Die Leistung war wesentlich besser. Wir hatten im ganzen Spiel den Willen anzugreifen, die Spieler sind gerannt und gerannt. Ich würde sagen, das erste Spiel waren 60 von 100 Punkten, die zweite Partie aber 80 von 100.

Trotz der beiden Niederlagen könnte sich Südkorea noch fürs Achtelfinale qualifizieren. Nationaltrainer Tae-Young Shin beziffert die Chancen auf ein Prozent. Wie groß ist der Glaube ans Wunder in Südkorea?

Traurigerweise glauben die Leute nicht an ein Wunder, weil der Gegner Deutschland ist, der Weltmeister. Das ist einfach ein sehr starkes Team.

Ki-hwan Lim ist für den südkoreanischen "Kicker" zur WM nach Russland gereist.

Ki-hwan Lim ist für den südkoreanischen "Kicker" zur WM nach Russland gereist.

Deutschland hat sein WM-Wunder schon vollbracht mit dem Last-Minute-Traumtor von Toni Kroos gegen Schweden. Wie kam das in Südkorea an?

Kroos hat uns wieder ein bisschen Hoffnung geschenkt, ohne das Tor wären wir ausgeschieden gewesen. Viele meiner südkoreanischen Kollegen haben im Mediencenter in Rostow gejubelt, als sie Kroos‘ Wundertor gesehen haben.

Bevor Tae-Young Shin als Nationaltrainer übernommen hat, wurde Südkorea vom Deutschen Uli Stielike trainiert. Welchen Einfluss hatte er auf Spielweise und Entwicklung der Mannschaft?

Stielike war zwei Jahre lang Trainer, aber es ist nichts besser geworden. Er war berühmt als Spieler, aber als Coach hat er keinerlei Leistung gezeigt. Ich glaube, er ist an seine Grenzen gestoßen.

Der neue Coach Shin wird oft als südkoreanischer Joachim Löw bezeichnet wegen seines Haarschnitts und Kleidungsstils. Gibt es auch sportliche Gemeinsamkeiten zwischen beiden?

Herr Shin mag das Abenteuer und ist sehr kreativ. Es ist ja bekannt, dass Joachim Löw auch Gefallen an Experimenten auf dem Platz findet. Vielleicht nicht im Moment, während der laufenden WM. Aber er hat in der Vergangenheit zum Beispiel Mario Götze als falsche Neun eingesetzt und Innenverteidiger Benedikt Höwedes als Außenverteidiger. Shin genießt solche Experimente auch.

Welche deutschen Spieler wird Südkorea am meisten fürchten?

Das ist rein subjektiv, aber ich fürchte Kroos am meisten. Er ist der typische Vertreter des neuen deutschen Spielstils und hat die Kreativität, die den Deutschen manchmal etwas fehlt. Aber auch die erfahrenen Thomas Müller und Mario Gomez sind beeindruckende Spieler, die uns immer große Probleme bereiten können.

Die deutsche Abwehr wirkt immer noch anfällig für Konter. Wird Südkorea das mit seiner schnellen Offensive um Heung-min Son ausnutzen können?

Ich denke, die deutsche Abwehr wird unserer Mannschaft das Leben sehr schwer machen. Sie sind einfach zu aggressiv. Son ist natürlich eine gefährliche Option, aber er ist zu isoliert.

Was wird Südkoreas größte Problemstelle gegen Deutschland sein?

Nun, wenn Sie die letzten beiden Spiele gesehen haben, wissen Sie doch genug. Unsere Schwachstelle ist die Abwehr, vor allem die linke Seite mit Min-woo Kim. Er hat keine Erfahrung bei Weltmeisterschaften und ist außerdem ziemlich klein.

Wie geht das Spiel aus?

Es ist unglücklich für uns, aber ich denke, Deutschland wird gewinnen. Es ist einfach kaum vorstellbar, dass eine deutsche Mannschaft in der Gruppenphase ausscheidet.

Mit Ki-hwan Lim sprach Christoph Wolf

Quelle: ntv.de

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