Fußball-WM 2018

"Mannschaft war selbstherrlich" Matthäus und Co. feuern gegen DFB-Team

Nach dem historischen Vorrunden-Aus des DFB-Teams bei der WM hagelt es Kritik von Ex-Nationalspielern.

Nach dem historischen Vorrunden-Aus des DFB-Teams bei der WM hagelt es Kritik von Ex-Nationalspielern.

(Foto: imago/ITAR-TASS)

Die WM-Teilnahme der deutschen Fußball-Nationalmannschaft ist vorzeitig beendet. Bundestrainer Joachim Löw reist mit einer Vielzahl an Problemen aus Russland ab. Nun gilt es diese zu analysieren. Damit haben ehemalige Nationalspieler bereits begonnen.

Zum ersten Mal in der Geschichte des Fußballs ist die deutsche Nationalmannschaft bei einer Weltmeisterschaft in der Vorrunde gescheitert. Nach dem blamablen 0:2 gegen Südkorea im letzten Gruppenspiel und dem vorzeitigen Turnier-Aus hat Bundestrainer Joachim Löw eine Vielzahl an Problemen aufzuarbeiten und zu analysieren. Damit haben einige Ex-Nationalspieler bereits begonnen - allen voran Lothar Matthäus.

Der frühere Weltmeister-Kapitän ist mit dem DFB-Team nach dem WM-K.o. hart ins Gericht gegangen. "Die Mannschaft hat nie funktioniert und war keine Einheit. Sie hat keine Leidenschaft gezeigt. Und viel schlimmer: Sie war selbstherrlich", schrieb Matthäus in der "Fußball-Bild. Das enttäuschende Vorrunden-Aus der Mannschaft von Bundestrainer Joachim Löw bezeichnete der 57-Jährige als "die größte Blamage in der deutschen Fußball-Geschichte".

Trotz grundsätzlicher Sympathien für Löw warf der Spielführer der deutschen Weltmeister-Elf von 1990 dem Trainer Fehler vor: "Die Personalplanung von Löw muss infrage gestellt werden. Der Mannschaft fehlten Typen mit Ecken und Kanten." Ausdrücklich nannte Matthäus dabei Löws Verzicht auf eine WM-Nominierung von Sandro Wagner und Leroy Sané als Beispiel für Fehlentscheidungen des Bundestrainers. Für den 150-maligen Nationalspieler steht Löw "ab sofort zu Recht in der Kritik". Als Konsequenz aus der WM-Pleite forderte der frühere Weltfußballer, dass die DFB-Elf "rund um die Führungsspieler Manuel Neuer und Toni Kroos mit neuen Gesichtern aufgebaut werden muss".

Vogts: "Das war alles viel zu langsam"

Auch Löws Vor-Vor-Vor-Vorgänger Berti Vogts forderte Konsequenzen. "Ich gehe davon aus, dass sich der Deutsche Fußball-Bund von vielen Spielern trennen wird. Sie haben es nicht verdient, weiter für unsere Nationalmannschaft zu spielen", sagte der Trainer der deutschen Europameister-Elf von 1996 bei einer Veranstaltung des Fußball-Weltverbandes Fifa in Köln. "Das war einer deutschen Elf nicht würdig", erklärte der Weltmeister von 1974. Ihm habe zudem auch missfallen, dass "Deutschland keinen Willen gezeigt hat. Das war alles viel zu langsam".

Für die Zukunft fordert Vogts einen Umbruch innerhalb der Mannschaft. "Wir müssen ein neues Team aufbauen", sagte der 71-Jährige, der dem Trainerteam um Joachim Löw diese Aufgabe zutraut: "Die Verantwortlichen kennen sich aus im Fußball. Sie haben hoffentlich gesehen, wer nicht mehr dazu dazugehören darf." Vogts empfahl, noch verstärkter auf junge Spieler zu setzen.

Breitner wettert gegen Kroos

Neben Vogts stand unter anderem Paul Breitner im Weltmeister-Team von 1974 - und auch er kritisierte die Einstellung der Nationalspieler von heute. "Das lässt sich der Fan nicht bieten. Die Diskussion über satte Profis, die es nicht mehr nötig haben, wird jetzt gnadenlos aufgetischt", sagte der 66-Jährige im Interview mit der "tz". Die Leistungen des DFB-Teams in Russland seien "eine Katastrophe" gewesen, wetterte Breitner: "Das war Altherrenfußball, was wir in den drei Spielen gesehen haben. Es war ja kein Plan da. Es plätschert dahin. Ich habe niemanden gesehen, der versucht hat, die Mannschaft aus ihrer Lethargie zu führen."

Insbesondere die Turnierleistung von Toni Kroos hat Breitner demnach missfallen. "Wissen sie, ich verzichte gerne auf den 15.000. Pass von Toni Kroos, wenn er nicht ein einziges Mal den Raum ausnutzt, den er sich schafft. Nicht einmal ist er durch das Mittelfeld marschiert", moserte der frühere Münchner: "Da verzichte ich gerne auf die 99 Prozent Passgenauigkeit." Bundestrainer Löw müsse er "den Vorwurf machen", so Breitner, "dass er keine feste Mannschaft und keinen Plan hatte. Er hat gewechselt, umgestellt - und das in einer Art und Weise, die ich nicht verstehe."

Seeler verständnislos, Infantino lächelt mit Putin

Ebenfalls bitter enttäuscht äußerte sich DFB-Ehrenspielführer Uwe Seeler. "Nur immer die Bälle hin und her spielen, damit gewinnt man kein Spiel. Wenn ich den Ball habe, muss ich ihn auch reinhauen", sagte der 81-Jährige den "Lübecker Nachrichten". Selbst die Unterstützung des Unparteiischen, so der Vizeweltmeister von 1966 weiter, habe die DFB-Elf nicht nutzen können: "Der Schiedsrichter hat ja mitgeholfen, mehr geht nicht. Woher der die Nachspielzeit (von neun Minuten, Anm.d.R.) genommen hat, weiß ich nicht."

Für Dietmar Hamann sind mangelnde Führung und Disziplinlosigkeit die Gründe für das blamable Ausscheiden bei der WM. "Wenn man sich die drei Spiele anschaut, hat die Mannschaft es nicht verdient. Wir hatten zu wenig Spieler, die Verantwortung übernommen und geführt haben", sagte der Vizeweltmeister von 2002. Besondere Kritik übte er am DFB-Kapitän: "Was für mich alles auf den Punkt gebracht hat, ist das Verhalten von Manuel Neuer in den letzten fünf Minuten, als er als elfter Feldspieler mitspielt und beim Ballverlust fünf Feldspieler hinter sich hat. Ich glaube nicht, dass er sich das beim FC Bayern erlaubt hätte", sagte Hamann.

Weniger wortgewaltige kommentierte Fifa-Präsident Gianni Infantino das vorzeitige Scheitern des Titelverteidigers bei der WM. "So ist Fußball", sagte er lächelnd und mit erhobenem Daumen im Fußball-Park auf dem Roten Platz von Moskau. Weiter äußerte sich der 48-Jährige zum ersten Gruppen-Aus der deutschen Nationalmannschaft nicht. An der Veranstaltung in Sichtweite des Kremls nahm auch der russische Präsident Wladimir Putin teil. Statt das DFB-Debakel näher zu analysieren, lobte Infantino bei dem Termin die Organisation der WM: "Wundervoll, unglaublich, großartige Feier, großartige Spiele, großartige Organisation, gastfreundliches Land." Soll heißen: Das Turnier geht weiter - nur eben ohne Deutschland.

Quelle: ntv.de, cri/dpa/sid

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