Ohne Google und Windows Aquaris M10 ist Linux-Tablet und PC in einem
20.05.2016, 09:38 Uhr
Das BQ Aquaris M10 kommt mit der Linux-Software Ubuntu.
(Foto: jwa)
Ein Tablet, das sich per Schieberegler zum PC machen lässt und mit Apple, Google oder Microsoft nichts am Hut hat - klingt verlockend. Kann das BQ Aquaris M10 mit Ubuntu im Praxistest die Erwartungen erfüllen?
Für PC- und Tablet-Nutzer, die Alternativen zu Google, Microsoft oder Apple suchen, ist die Open-Source-Plattform Linux die erste Wahl. Eine der bekanntesten Distributionen ist Ubuntu. Der spanische Hersteller BQ, der bei seinen Smartphones in der Vergangenheit nicht nur auf Android, sondern auch auf die Custom-ROM-Alternative Cyanogen setzte, fährt auch mit dem Tablet Aquaris M10 zweigleisig: Neben einem Modell mit Android-Oberfläche gibt es auch eine Ubuntu-Variante, die bei gleicher Hardware auf eine von Canonical entwickelte Benutzeroberfläche setzt.
Gutes Bedienkonzept, ...
Der Clou beim M10 ist die konvergente Benutzeroberfläche. Konvergenz bedeutet in diesem Fall, dass aus dem Tablet ein Desktop-PC wird, sobald man einen Schieberegler bewegt und Maus und Tastatur via Bluetooth anschließt. Der Ansatz ist ähnlich wie bei Microsofts Continuum, doch BQ und Canonical versprechen einen flüssigeren Wechsel, der ohne Brüche auskommt. Apps, die ans Convergence-Prinzip angepasst sind, wechseln nahtlos von der Tablet- in die Desktop-Darstellung und wieder zurück.
Bestechend ist auch das Bedienkonzept, das auf kurzen und langen Wischgesten vom linken und rechten Rand aus basiert. Die Navigation durch die Benutzeroberfläche ist zu Anfang gewöhnungsbedürftig, erschließt sich aber schnell und macht im Tablet-Modus Spaß, da man meist nicht mehr als die Wischgesten benötigt. An die Stelle von Homescreen oder Desktop treten die sogenannten Scopes, die Inhalte thematisch bündeln. Ein interessantes Konzept, denn die einzelnen Scopes vereinen zum Beispiel Informationen zum Wetter und zu Sehenswürdigkeiten in der Nähe des Nutzers ("NearBy"), eine App-Übersicht mit Link zum Ubuntu-Store, oder sie listen Inhalte aus mehreren Quellen thematisch geordnet, zum Beispiel Nachrichten, Musik, Videos oder Fotos.
... frustrierendes Nutzererlebnis
Interessant ist das Aquaris M10 damit allemal, doch es scheitert im Praxiseinsatz am schlechten Nutzererlebnis. Die Verarbeitung der Hardware ist in Ordnung, die Benutzeroberfläche ist aufgeräumt und innovativ, doch die Schwächen in der Software, die schon auf den Demo-Geräten beim Mobile World Congress in Barcelona auftraten, sind auch beim Testgerät noch da. Das System reagiert quälend langsam, die Bedienung ist nur mit viel Geduld und Toleranz für Ruckeln, Denkpausen und Aussetzer möglich. Manchmal reagiert der Touchscreen erst nach mehreren Versuchen, manchmal gar nicht. Im Test fror der Bildschirm wiederholt ganz ein, sodass nur ein beherzter langer Druck auf den Ausschalter und ein Neustart helfen konnten.
Eine derart schlechte Leistung schon bei oberflächlichen Tests der grundlegenden Funktionen ist nicht akzeptabel. Kaum verwundernd ist es da, dass sich auch bei genauerem Hinsehen kein anderes Bild einstellen will. Die Tester von "Golem.de" bemängeln zum Beispiel, dass ein externer Monitor kein Bild anzeigt und dass bei angeschlossenen Bluetooth-Tastaturen das deutsche Tastatur-Layout nicht unterstützt wird und die Alt-Gr-Taste praktisch keine Funktion hat. Ein @-Zeichen lässt sich also nicht eintippen.
Für den Alltagseinsatz taugt das Aquaris M10 nicht, es ist bislang nicht mehr als eine hinkende Demonstration einer guten Idee, die mit viel Feinschliff zu einem wirklich überzeugenden Produkt heranreifen könnte. Zu wünschen wäre das, doch bis auf weiteres lautet die Devise: Finger weg.
Quelle: ntv.de