"Wir haben ein Mahnmal erschaffen" Auf der Suche nach dem Lobby-Plagiat
07.05.2013, 18:02 Uhr
"Die re.publica" wird seit 2007 jährlich in Berlin veranstaltet. Hier dreht sich alles um das Web 2.0, speziell soziale Medien, Webblogs und die digitale Gesellschaft.
(Foto: picture alliance / dpa)
Bis zu 25.000 Lobbyisten kreisen die EU-Parlamentarier ein, seit Februar wirft das Projekt Lobbyplag ein wachsames Auge auf sie. Nachdem seine Detektive erste Einflussnahmen auf Politiker nachweisen können, will das kleine Team nun automatisiert weitaus mehr Dokumente durchleuchten.
Ihr erster Erfolg war durchschlagend: Hunderte Male erwähnten Medien das Projekt Lobbyplag. Marco Maas hatte es Ende Februar in einer Nacht-und-Nebel-Aktion aus der Taufe gehoben, um Lobbyisten bei ihrer Einflussnahme auf die Arbeit von EU-Parlamentariern auf die Finger zu schauen. Ausruhen will sich Maas deshalb aber nicht.
Zwei Monate nach den ersten Ergebnissen hat Maas neue Pläne in der Schublade - und schickt bei der Internetkonferenz "re:publica" in Berlin eine Warnung gen Brüssel: "Wir haben ein Mahnmal erschaffen, das Politikern und Lobbyisten zeigt: Da könnte sich jemand mit euch beschäftigen." Maas und der Programmierer Sebastian Vollnhals wollen mehr Offenheit im politischen Prozess. "Was wir erreichen wollen, ist nicht die Abschaffung von Lobbyarbeit, sondern den Prozess transparenter zu machen", sagt Maas.
Mit dem Beipackzettel Einfluss nachweisen
Sie selbst möchten Einfluss nehmen auf die Politik, indem sie die Gesetzgebung verändern. "Wir möchten eine Art Beipackzettel für Gesetze haben nach dem Motto: 'Dieses Gesetz kann Spuren von Lobbyarbeit der Gruppen x und y enthalten.'" Nur so werde den Bürgern klar, wie einzelne mächtige Gruppen Einfluss auf ihren Alltag nehmen.

Die Macher von LobbyPlag vergleichen die Texte von Lobbyisten mit fertigen Gesetzestexten.
(Foto: picture alliance / dpa)
Lobbyplag veröffentlichte seine ersten Ergebnisse im Blog von Richard Gutjahr. In mühevoller Kleinarbeit hatten sie das Entstehen der Datenschutzrichtlinie nachvollzogen und an einzelnen Beispielen aufgezeigt, wie Lobby-Vertreter es schafften, ihre Formulierungsvorschläge in die Stellungnahmen einzelner Abgeordneter einzuschleusen.
Künftig sollen vermehrt Computer die Überprüfung übernehmen und die Texte nach Plagiaten durchforsten. Nur noch in bestimmten Fällen muss dann Maas selber zwei Seiten nebeneinanderlegen und manuell nach Dopplungen suchen, so der Plan. Der Hamburger und seine Kollegen wollen im Netz veröffentlichte Entwürfe, die auf das Portal EUR-Lex eingestellt werden, besser maschinenlesbar machen. Maas' Kollege Sebastian Vollnhals arbeitet an entsprechenden technischen Lösungen.
Kritiker fürchten mehr Hinterzimmer-Lobbyismus
Die Detektivarbeit stößt jedoch auch auf Kritik. Jan Mönikes aus dem Vorstand der deutschen Internet Society meldet sich bei Maas' Vortrag auf der Republica zu Wort. Wie er sagt, sind es nicht immer die "bösen Lobbyisten", die Politiker belagern. Häufig bitten ihm zufolge auch Abgeordnete einen Lobbyisten, dessen Meinung sie richtig finden, nach einem konkreten Formulierungsvorschlag. Mit dem gehen sie dann in die Sitzungen von Ausschüssen - manchmal schaffen es dann ganze Lobbyisten-Sätze in europäisches Recht. Dies sei immer schon so gemacht worden innerhalb des EU-Apparates, gibt Mönikes zu bedenken. Er fragt deshalb, ob es zu mehr Hinterzimmer-Lobbyismus führen könnte, wenn jeder Vorgang durch das Lobbyplag einzeln ins Netz kommen würde.
Dies streitet Marco Maas ab und stellt klar: "Eine Lobby an sich ist ja nichts Schlimmes." Doch alle müssten sich auf einen Transparenz-Standard einigen. Einzig und allein um die Transparenz gehe es ihm und seinen Mitstreitern - und nicht etwa um ein Negativ-Ranking der Politiker: "Wir können nicht sagen, wer der schlimmste Kopierer ist. Uns liegen einfach noch zu wenig Lobbypapiere vor."
Projekt will von kleinen Spenden leben
Woran es wie bei fast allen jungen Projekten im Internet mangelt: dem Geld. Jüngst sammelten Maas und Kollegen Geld durch Crowdfunding. Bei dieser Art von Schwarmfinanzierung sammeln viele Menschen kleine Beträge. Auf der Plattform "Krautreporter" kamen so fast 8000 Euro für das Lobbyplag zusammen. Diese Summe werde jedoch nicht lange reichen, prophezeit Maas. Eine Lösung des Geldproblems ist nicht in Sicht.
Er könnte das Projekt natürlich an die Lobby verkaufen - als Mittel der Erfolgskontrolle für die eigene Einflussnahme könnten sie die Idee nutzen. Doch sich von der Lobby unterstützen lassen, sei wirklich der letzte Weg. Von Anfang, sagt Maas, an lautete die Devise: "nicht mit der Atomlobby, nicht mit der Rüstungslobby und nicht mit dem Springer-Konzern zusammenarbeiten".
Quelle: ntv.de