Google, Verlage und die große Finte Der Streit ums Leistungsschutzrecht
27.11.2012, 13:24 Uhr
Inhalte im Web - dafür wollen Verlage zusätzliches Geld.
(Foto: dapd)
Das Ringen von Presse und Politik geht in die Endphase. Nun startet Google eine Gegenkampagne unter dem großspurigen Namen "Verteidige Dein Netz". Das geplante Gesetz schade der Wirtschaft und der Informationsvielfalt im Internet. Stimmt das?
Bundestag und Bundesrat müssen noch zustimmen, aber das geplante Leistungsschutzrecht ist höchst umstritten. Wem hilft es, wem schadet es? Und worum geht es überhaupt? Am Donnerstagabend findet die erste Lesung des Gesetzestextes im Bundestag statt.
Was ist das Leistungsschutzrecht?
Seit die Piraten auf der politischen Bühne stehen, lautet ein Pauschalurteil: Das ist doch diese Partei, die will, dass alle urheberrechtlich geschützten Inhalte im Netz gratis sind. Das funktioniere aber nicht, Leistung müsse sich lohnen, so das Gegenargument. Das Leistungsschutzrecht zielt auf eben jenen Punkt ab; allerdings nicht im Bereich Film und Musik, sondern im Bereich der Presseerzeugnisse, also etwa auf Texte, die von Journalisten geschrieben und über ihren Verlag verbreitet werden. Das hört sich einleuchtend an. Ist es aber eigentlich nicht.
Was ist das Problem?
Weil das Internet ein Tohuwabohu an Daten ist, gibt es Suchmaschinen und sogenannte Nachrichten-Aggregatoren. Einer davon ist Google mit seinem Newsdienst. Die Seite zeigt nur kurze Einleitungen oder Auszüge von Artikeln und Inhalten an. Das Leistungsschutzrecht würde die rechtliche Grundlage dafür schaffen, dies zu unterbinden. Das Gesetz sieht eine einjährige Schutzfrist vor, in der Auszüge von Verlagsinhalten nicht von fremden Seiten in gewerblichem Rahmen genutzt werden dürfen.
Wie ist die politische Situation?
Die Bundesregierung hat den Gesetzentwurf verabschiedet. Nun müssen Bundestag und Bundesrat zustimmen. Die Opposition aus Grünen, SPD und Linke kritisieren den derzeitigen Text, alle in unterschiedlicher Stärke. Während das Gesetz mit Stimmen von Union und FDP durch den Bundestag kommen kann – das Leistungsschutzrecht ist Teil des Koalitionsvertrages –, ist die Situation im Bundesrat undurchsichtig.
Welche Interessen stehen hinter dem Gesetz?
Vermutlich wollen die Verlage – vornehmlich große Unternehmen, die eine Verbreitungsschranke für ihre Inhalte begrüßen würden – dass Texte weiterhin bei Suchmaschinen auftauchen. Ein Großteil aller Klicks auf Verlagsseiten kommt so zustande. Google gibt 100.000 Klicks weltweit und pro Minute an, insgesamt vier Milliarden pro Monat. Machen große Verlage ihre Drohungen wahr und untersagen die Nutzung von Auszügen, könnten kleinere Verleger profitieren, würden sie auf eine Vergütung verzichten. Das will bei Springer & Co. aber vermutlich niemand. Deshalb ist klar: Es geht um zusätzliche Einnahmen, die Drohung ist eine große Finte.
Christoph Keese vom Axel-Springer-Verlag ist beim Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger und dem Verband Deutscher Zeitschriftenverleger für das Leistungsschutzrecht zuständig und hatte sich über den Beschluss der Bundesregierung erfreut gezeigt: "Das ist ein guter Weg, der hier gefunden worden ist", sagte er n-tv.de.
Natürlich, der US-Konzern hat durch die Reihenfolge bei der Anzeige große Macht, was die Gewichtung von Nachrichten angeht. Besonders deshalb ist es wichtig, dass potenziell alles auffindbar ist.
Was hätten Unternehmen und Beschäftigte davon?
Der Begriff Leistungsschutzrecht ist etwas irreführend, denn es schützt nicht direkt die Leistung der Urheber, also der Autoren von Texten, sondern ihrer Verleger. Was bei der Rechnung beim Verfasser herauskommt, kann niemand sagen. Bereits jetzt haben Autoren die Möglichkeit, sich bei der Verwertungsgesellschaft Wort anzumelden. Sie bekommen dann jährlich eine Ausschüttung für ihre Texte, die im Internet publiziert wurden – die Höhe richtet sich nach Anzahl der Klicks. Dass die Verleger eventuelle Mehreinnahmen durch das Leistungsschutzrecht in Form von Vergütung weitergeben, ist unwahrscheinlich. Vielmehr wird die Gründung einer weiteren Verwertungsgesellschaft angestrebt, die die Interessen der Verleger vertreten soll.
Inwiefern betrifft das den Nutzer selbst?
Weigern sich die Nachrichten-Aggregatoren, den Verlagen eine Nutzungsgebühr für die Textauszüge zu zahlen, würden die Inhalte wohl verschwinden. Google besitzt hier nahezu ein Monopol, bei manch einer großen Nachrichtenseite greifen bis zu 50 Prozent der Besucher über den Umweg der Suchmaschine auf die Texte zu. Bereits jetzt gibt es eine simple technische Möglichkeit, wie Verlage ihre Seiten für Google sperren können.
Angaben aus dem Bundesjustizministerium zufolge wären auch bloße Überschriften betroffen, wenn sie auf den Originaltext führt. Damit wären auch Verlinkungen in sozialen Netzwerken wie Facebook ein Vergehen gegen das Leistungsschutzrecht. Suchmaschinenbetreiber müssten ihren Nutzern bestimmte Inhalte möglicherweise komplett vorenthalten, andere ihre Arbeitsweise umstellen oder aufwändig umprogrammieren. Der technische Aufwand ist nicht abzusehen. Vermutlich käme es zu einer Abmahnwelle – und Bookmarks wie RSS-Feeds würden ungeahnte Popularität erlangen.
Was sagen die Gegner?
Google als größte Suchmaschine und Nachrichten-Aggregator startet nun eine Kampagne unter dem Namen "Verteidige Dein Netz" gegen das Gesetz. Auf der Seite gibt es ein Video zu sehen, zudem hat der Konzern Argumente gegen ein Leistungsschutzrecht gesammelt und bietet einen Newsletter zum Thema an.
Ralf Bremer, Sprecher von Google Berlin, umriss in einem Gastkommentar bei n-tv.de bereits im August: "Jeder Link mit einem kurzen Textabschnitt steht künftig unter Verbots- und Kostenvorbehalt, die Medienvielfalt im deutschen Internet sinkt dramatisch." Der Eingriff in das Prinzip des Internets bedeute "weniger Informationen, höhere Kosten und massive Rechtsunsicherheit", mahnte Bremer. Neben Google selbst haben sich auch der Bundesverband Deutsche Industrie (BDI) sowie eine Vielzahl von Blogs unter der "Initiative gegen ein Leistungsschutzrecht" (Igel) gegen die Bundesregierung positioniert.
Quelle: ntv.de