Nie mehr ein Wembley-Tor Elektronischer Schiri im Test
29.04.2003, 14:43 UhrMit Minisendern in den Schienbeinschonern der Spieler und im Ball soll das hoch-dynamische und komplexe System Fußball transparenter gemacht werden. Das Erlanger Fraunhofer Institut für integrierte Schaltungen und die Karlsbad/Baden Cairos Technologies AG stellten im Nürnberger Frankenstadion ihre Wireless-Tracking-Technologie (drahtloses Ortungssystem) für präzisere Schiedsrichter-Entscheidungen und fundiertere Spielanalysen vor.
"Unser Ziel ist es, präzise, kontinuierliche und dreidimensionale Positionsdaten aller 22 Spieler und des Balles sowie aller Spielsituationen in Echtzeit zu gewinnen und auszuwerten", sagte Hochfrequenz- und Mikrowellentechniker Thomas von der Grün vom Fraunhofer-Institut. Die E-Jugend des SV Tennenlohe unterzog das Funkortungssystem einem Praxistext.
Paradebeispiel Wembley-Tor
"Bei Schwalben oder Fouls kann das System nicht helfen. Da ist nach wie vor der Schiedsrichter gefragt", kommentierte Sportreporter Günther Koch. "Wenn aber der Ball wie beim berühmten Wembley-Tor oder -Nicht-Tor von der Latte nach unten springt, kann der Schiri oder der Reporter auch mit der besten Zeitlupe nicht erkennen, ob der Ball im Flug hinter der Torlinie war oder nicht."
Die Idee wurde bei einem Altherren-Spiel mit dem Chef der Cairos Technologies AG, Hartmut Braun, geboren. Sein Unternehmen versorgt die Medien schon bislang mit Sportanalysesystemen. "Nicht gegebene Tore können im Fußball oft Millionenverluste bedeuten oder den Ausgang einer Weltmeisterschaft entscheidend beeinflussen", erinnerte auch Braun an das legendäre WM-Endspiel zwischen England und Deutschland im Jahr 1966 in London.
Kein Ersatz für den Schiri
Trotz der elektronischen Entscheidungshilfe soll der Schiedsrichter aber auch in Zukunft der wichtigste Mann auf dem grünen Rasen sein. Die Minisender geben bis zu 2.000 Signale in der Sekunde ab, die von bis zu zehn Antennen am Spielfeldrand und an den Flutlichtmasten aufgenommen werden. Durch die unterschiedliche Laufzeit der Signale lässt sich jede Position exakt bestimmen. Vom Computer erhält der Schiedsrichter in Realzeit optisch, akustisch oder per Vibration Signale, ob beispielsweise der Ball die Tor- oder die Außenlinie überschritten hat oder ein Spieler beim Freistoß nicht den nötigen Abstand einhält.
Bereits in zwei Jahren soll das Positionssystem Ausschnitte eines Spiels automatisch analysieren können. "Die professionelle Nachbereitung eines Fußballspiels ist gleichzeitig die strategische Vorbereitung für kommende Spiele und die Grundlage für den spielerischen Erfolg", erläutert Bernd Radig vom Institut für Informatik der Technischen Universität München die Ausgangsüberlegungen für das Projekt.
Die Wireless-Tracking-Technologie bietet Trainern alle Möglichkeiten, ihre Trainingsmethoden zu optimieren und ihre strategische Spielplanung zu verbessern. Diese reichen von der momentanen Geschwindigkeit eines Spielers über seine Laufleistung während eines gesamten Spiels, über die Zahl der Ballkontakte und Zuspiele bis hin zur Geschwindigkeit des letzten Torschusses. Ziel der Beteiligten ist es, das so genannte Cairos-System bei der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland einzusetzen.
Manfred Präcklein, dpa
Quelle: ntv.de