"Etwas anderes wird passieren" Entwickler wehren sich gegen Apokalypse
16.08.2014, 08:41 Uhr
"Elite: Dangerous" von Frontier soll noch in diesem Jahr erscheinen.
(Foto: Frontier Developments)
Die Menschheit geht auf der Gamescom unter. Eine Riege altgedienter Spieleentwickler will sich damit nicht abgeben. Sid Meier, Chris Roberts, David Braben waren einst Weltraumpioniere - und sind es derzeit wieder.
Die Erde hat den Menschen lange genug ertragen müssen. Nach und nach machen sich Raumschiffe auf die Reise, um einen anderen Planeten zu besiedeln. Sie haben kaum eine andere Wahl. Ihre Interessen bleiben verschieden, und so konkurrieren sie auch in der neuen Welt miteinander. Dort, wo schwierige Lebensbedingungen herrschen und die Natur sich gegen die neuen Siedler wehrt, mit Wesen wie der Riesenkrake im Wasser, und dem Riesenwurm zu Lande.
Es ist die Geschichte von "Beyond Earth", dem kommenden Rundenstrategietitel der "Civilization"-Reihe; eines dieser Spiele, das auf der Gamescom nicht nur die Augen von älteren Enthusiasten aufleuchten lässt. Science Fiction fasziniert, und dass spielerische Blicke in die mögliche Zukunft ein kleines Comeback feiern, hat auch mit alten Branchengrößen zu tun. Die sind deshalb so bekannt, weil ihre Ideen vor 20 oder 30 Jahren nicht im gleichen Maße von riesigen Entwicklerteams abhängig war wie heute.
Der vielleicht bekannteste von ihnen ist Sid Meier, der Vater von "Civilization". Meier hatte in den 1990er Jahren mit "Alpha Centauri" einen ersten Siedlerausflug ins All unternommen. Nach "Civilization 5" auf der Erde wagt er nun erneut die Reise in eine fremde Welt. Und leitet dabei junge Entwickler wie Will Miller an. Der gehört zu einer der Generationen, für die Ereignisse wie die Mondlandung 1968 nur Geschichte ist. Und der dem positiven Ansatz Meiers nacheifert: Es mag diplomatische Verstrickungen, Revolutionen und Kriege geben, in deren Folge Zivilisationen untergehen, aber die Menschheit noch lange nicht. Die Erzählung vieler anderer Spiele wie "Dying Light" oder "The Last of Us" ist dagegen lediglich eine Antwort auf die Frage, wie das Ende kommen könnte, nicht ob.
Freiheit für Spieler, nicht die Prinzessin
"Civilization" ist in der Branche der Dinosaurier der Rundenstrategie, während "Freelancer" im Jahr 2003 nach einer erfolgreichen Zeit der vorerst letzte große Vertreter von Weltraumsimulationen war: Spieler fliegen darin mit ihrem Raumschiff durch die Schwärze des Alls. Chris Roberts, Vater der legendären "Wing Commander"-Titel, war in das Projekt involviert. Doch "Freelancer" war teuer und zudem nicht so erfolgreich wie erhofft. Der Eindruck bei den Publishern, den Verlagen der Spieleindustrie: Mit Weltraum ist kein Geld zu verdienen. Also investierten sie nicht mehr.
"Wir brauchen einen Charakter für die Werbung, wir brauchen eine Geschichte", sagten Publisher etwa zu David Braben, als dieser vor wenigen Jahren anfing, mit möglichen Geldgebern über seine Vision einer Weltraumsimulation zu sprechen. Braben wusste, wovon er sprach. Der Brite hatte vor 30 Jahren mit dem Genretitel "Elite" und dessen revolutionärer 3D-Grafik unter Spielefans ein kleines Erdbeben ausgelöst. Diese Grafik, diese Weite des Raumes und diese Zeitlosigkeit hatte zu den großen Zeiten von Arcade-Automaten mit Münzeinwurf noch niemand erlebt.
Dieses Gefühl belebt Braben nun wieder. "Elite: Dangerous" sollte nicht in einer festgeschriebenen Geschichte gefangen sein: "Es schränkt die Freiheit des Spielers ein, es ist wie auf Schienen", sagt er im Gespräch mit n-tv.de. "Im Grunde wird über jedes Spiel ein 'Rette die Prinzessin'-Geschichte gestülpt." Der Chef der Frontier-Studios entschied sich stattdessen für Crowdfunding, sammelte damit rund zwei Millionen Euro ein und erwarb die Rechte an der Marke "Elite". Noch in diesem Jahr soll das Spiel in seiner Endfassung erscheinen.
Geldregen von Spielefans
Diese Freiheit im Weltall, die schiere Unendlichkeit und Autonomie, machte Simulationen wie Brabens Pionierarbeit im Jahr 1984 so attraktiv - und sind es offenbar noch heute. Nun bilden sie den Gegenpol zu all den Spielen, die auf Helden oder filmreif inszenierte Geschichten mit festen Rollen und Abläufen setzen. Auch dieser Gegensatz sei ein Grund, weshalb es ein wiedererwecktes Interesse am Genre gibt, sagt der Entwickler. 70.000 Lichtjahre können Spieler in "Elite: Dangerous" im Raumschiff durchqueren, wenn sie wollen. Alle verfügbaren realen Daten über die Galaxie haben Braben und sein Team eingearbeitet. Jedes Raumschiff kann im Mehrspielermodus theoretisch jedem anderen begegnen, denn alle fliegen auf denselben Servern durchs All. "Nur das Reisen mit Überlichtgeschwindigkeit ist nicht ganz real", sagt Braben grinsend.
Zu dem freiheitlichen Gegenpol aus dem Bereich der Science Fiction gehört auch "Star Citizen": Chris Roberts' Projekt hat bislang die riesige Summe von fast 50 Millionen US-Dollar eingesammelt, komplett per Crowdfunding und ohne einen klassischen Publisher. Roberts und Braben kennen sich - und unterstützten sich sogar gegenseitig bei ihren Finanzierungskampagnen.
Doch sind diese Spiele nur Unterhaltung, oder ein Blick in die ferne Zukunft? Andere Spiele und Filme zeigen zumeist das Fehlverhalten und den daraus folgenden Untergang der Menschheit; spielen mit Ängsten, durch Viren, Naturkatastrophen und militärische Eskalationen. Will Miller zumindest, der Lead Designer von "Civilization: Beyond Earth", glaubt nicht daran, dass ein apokalyptisches Szenario eintreten wird: "Etwas anderes wird passieren. So wie etwa das Foto 'Earthrise', das William Anders auf der Apollo-8-Mission gemacht hat. Es zeigte das erste Mal, wie die Erde vom Mond aus gesehen aufgeht. Dieses Bild hat alles geändert und der Umweltbewegung einen gewaltigen Schub gegeben. Wir haben uns plötzlich anders gesehen."
Quelle: ntv.de