Technik

Möglich, aber teuer Wie Blinde im Internet surfen

Das Internet ist eine Ansammlung farbenfroher, blinkender Texte und Bilder, die einem sehenden Nutzer mitunter volle Konzentration abverlangen. Sehbehinderte und blinde Menschen dagegen haben bei schlecht strukturierten Seiten nahezu keine Chance, die Inhalte in ihrem Kopf zu sortieren.

"Den Überblick zu bekommen, ist oft das größte Problem", sagt Simon Janatzek. Der 28-Jährige aus Bochum ist selbst blind und berät Firmen in Sachen barrierefreier Bildung, zu der Sehbehinderte und Blinde das Internet nach seiner Meinung bestens nutzen können.

"Grundsätzlich ist das Internet für uns eine tolle Errungenschaft", sagt er. Es gibt weit mehr als 100 E-Mail-Listen, die sich mit Blindenthemen befassen - von finanziellen Fragen bis hin zum Blindenhund. "Auch die Kommunikation ist stark gewachsen, weil die Entfernungen keine Rolle mehr spielen."

Allerdings erweisen sich zahlreiche Features, die das Internet für Sehende erst richtig interessant machen, als Problem. "Seiten, die in Flash und Java programmiert sind, sind sehr schwer zu erkennen", sagt Janatzek. "Auch wenn die Schrift als Grafik dargestellt ist, gibt es oft Probleme", sagt Karsten Warnke aus Hamburg, der das Projekt "Barrierefrei informieren und kommunizieren" (BIK) koordiniert und schwer sehbehindert ist. Grund ist, dass die Hilfsmittel diese Formate nicht auslesen und übersetzen können.

"Wir arbeiten mit einer Sprachausgabe oder einer Braille-Zeile", erklärt Warnke. Die so genannten Screenreader übersetzen die Seiteninhalte in lesbare Audiotexte, die dann über die Aneinanderreihung synthetischer Phoneme vorgelesen wird. "Das ist etwa so wie die Ansage der Auskunft", erklärt Janatzek. Alternative ist die Umwandlung in Braille-Schrift, die dann von der Zeile, die vor der Tastatur liegt, abgetastet werden kann. "Die meisten Braille-Zeilen sind nur horizontal zu bedienen, daher gibt es mit verschachtelten Tabellen immer wieder Probleme", erläutert Janatzek.

Außerdem sind die Kosten für die Ausstattung groß: "Wir haben zwar einen handelsüblichen Computer, aber das Zubehör geht ins Geld." Daher würden im Privatgebrauch eher die Sprachausgaben genutzt. "Eine Braille-Zeile mit 80 Zeichen kann bis zu 10.000 Euro kosten", sagt Warnke. Die Krankenkassen helfen meist mit einem Vorlesesystem, das nach Janatzeks Erfahrung "so aufgerüstet werden kann, dass es auch im Internet funktioniert." Ein guter Screenreader schlägt mit bis zu 2.500 Euro zu Buche. Sehbehinderte, die eine spezielle Software brauchen, um die Schriftart in Großschrift anzuzeigen, müssen rund 600 Euro zahlen.

Für behördliche Seiten gibt es zahlreiche Verordnungen, die die Barrierefreiheit des weltweiten Netzes sicherstellen sollen. Auch die Web Accessibility Initiative (WAI), ein Organ des World Wide Web Konsortiums (W3C), legt sehr umfassend die Kriterien für Barrierefreiheit im Internet fest. Der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband hat eigens eine "Arbeitsgruppe IT" eingerichtet. Allerdings hapert es mitunter noch an der Umsetzung. "Der Wille ist aber eindeutig da", meint Janatzek. Dabei ist es für jeden Webmaster ein leichtes, einige Grundsätze zu beachten, die Blinden und Sehbehinderten das Surfen einfacher machen.

"Die am häufigsten vorkommende Barriere liegt in der farblichen Gestaltung von Seiten, Grafiken und Buttons", erläutert Jan Eric Hellbusch, BIK-Berater aus Gießen. Damit haben auch Sehende ein Problem, denn viele können Rot und Grün nicht unterscheiden. Zudem sollten Schrift und Grafiken kontrastreich und angemessen groß gestaltet werden. "Format und Layout sollten grundsätzlich getrennt sein, die Schrift skalierbar, und Webmaster sollten es den Nutzern überlassen, die Farben selbst einzustellen", sagt Warnke.

Da die Nutzer von Screenreadern Bilder und Grafiken nicht betrachten können, ist es sinnvoll, sie mit einem Alternativtext oder einer Audiodeskription zu hinterlegen. "Das ist besonders wichtig, wenn sich dahinter ein Link verbirgt", sagt Hellbusch.

Um zu überprüfen, ob eine programmierte Seite zumindest in die Nähe der Barrierefreiheit kommt, bietet sich zunächst die Möglichkeit, die Grafiken im Browser auszuschalten. "Wenn sich die Webseiten auch dann ohne Informationsverlust lesen lassen, können sie auch von blinden und sehbehinderten Menschen genutzt werden", erläutert Hellbusch. Zusätzlich gibt es im Netz so genannte HTML-Checker, die die Zugänglichkeit einer Seite überprüfen.

Quelle: ntv.de

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