Wie wird das Börsenjahr 2024? Die "Magnificent Seven" - und zwei Unsicherheitsfaktoren


Weiter rauf, oder doch runter? Das Börsenjahr 2024 wird spannend.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
2023 ist ein hervorragendes Jahr für Anleger gewesen - trotz aller externen Störfaktoren wie Ukraine- und Nahost-Krieg. Der DAX springt gut 20 Prozent nach oben. Wird die Luft nun dünner oder geht die Rally in die nächste Runde und wird die 20.000er-Marke geknackt?
Nach dem sehr durchwachsenen Börsenjahr 2022 beginnt 2023 verheißungsvoll. Doch schon im Frühjahr droht die gute Stimmung zu kippen, die Kurse purzeln und es werden Erinnerungen an die Finanzkrise vor fast 15 Jahren wach: In der US-Bankenlandschaft brodelt es, mehrere regionale Geldhäuser geraten in Schieflage. Die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) muss eingreifen, tut das - und beruhigt die nervös gewordenen Märkte. Im Sommer kommt sie dann mit dem ersten Hoffnungsschimmer in Sachen Zinswende um die Ecke und lässt die Anleger im weiteren Jahresverlauf von ersten Zinssenkungen fantasieren. Am Ende des Börsenjahres 2023 stehen bei DAX und S&P-500 jeweils rund 20 Prozent Gewinn in den Handelsbüchern.
"Das Vertrauen in die Fed ist enorm, ganz nach dem Motto: Die Fed wird's schon richten", blickt Finanzmarktexperte Benjamin Feingold von Feingold Research zurück und gleichermaßen voraus: "Bislang sieht es so aus, als ob die US-Notenbank alles richtig gemacht hat", sagt er mit Verweis auf die Zinspolitik der Fed. "Bleibt es dabei, dürften wir vor einem positiven Börsenjahr 2024 stehen."
Dieser Meinung ist auch der Geschäftsführer der Fiduka-Depotverwaltung, Marco Herrmann: "Nach dem Abverkauf in 2022 hat auch die Zinspolitik der Fed dafür gesorgt, dass das zurückliegende Jahr Balsam auf die Wunden der Anleger gewesen ist", erklärt er. "Es ist besser gelaufen, als wir gedacht haben. Wir glauben aber auch, dass noch nicht Schluss ist und die Märkte weiter steigen können", gibt er sich optimistisch für das Börsenjahr 2024. "Wir sind in einer Phase, wo die Geldpolitik weniger restriktiv werden sollte und die Inflation noch etwas zurückkommt: Das ist schon einmal eine gute Kombination", unterstreicht Herrmann. Er schränkt aber ein: "Wirtschaftswachstum muss aber vorhanden sein."
"Das ist der Knackpunkt in meinen Augen", sagt der geschäftsführende Gesellschafter der Vermögensverwaltung Albrecht, Kitta & Co., Carsten Riehemann: "Gleitet die US-Wirtschaft in eine Rezession ab, wird es Probleme geben. Wir gehen davon aber absolut nicht aus", hebt er hervor. "Ein moderates Wachstum der größten Volkswirtschaft der Welt dürfte für ein grundsätzlich positives Umfeld für Aktien ausreichend sein."
Mögliche Störfaktoren bereits in Sicht
Riehemann räumt aber ein, dass auch 2024 externe Störfaktoren "zumindest kurzzeitig für Schwankungen" sorgen könnten. Er verweist auf die bereits im Januar anstehenden Wahlen in Taiwan und die US-Präsidentschaftswahl zum Jahresende. Auch Herrmann und Feingold raten Anlegern, diese beiden politischen Ereignisse im Blick zu haben: "Wir haben ein Super-Wahljahr vor der Brust", so Herrmann. "Je nach Wahlausgang in Taiwan könnte Chinas Regierung sich dazu veranlasst fühlen, politische, wirtschaftliche, vielleicht sogar militärische Schritte einzuleiten - auch wenn Letzteres sehr unwahrscheinlich sein dürfte."
"Die wirkliche große Unbekannte ist die US-Präsidentschaftswahl im November", ist auch Börsenexperte Feingold sicher. "Die Beliebtheitswerte von Amtsinhaber Joe Biden sind im Keller. Derzeit deutet einiges auf Donald Trump als republikanischen Herausforderer hin. Seine Chancen zum US-Präsidenten gewählt zu werden, sind Umfragen zufolge derzeit groß", erläutert er. "Zurückblickend konnten sich die Anleger zumindest nicht über den Präsidenten Trump beklagen. Geopolitisch sieht es da schon anders aus: America First, Handelsauseinandersetzungen mit Europa und China. Da wurde viel Porzellan zerbrochen", führt Feingold aus: "Trump ist die große Unbekannte."
Vorsicht ist laut Fiduka-Geschäftsführer Herrmann auch bei den Kriegen in der Ukraine und im Nahen Osten geboten: "Im Nahen Osten kann die Krise auf andere Länder übergreifen, was wiederum die Öl- und Gasproduktion belasten und die Weltwirtschaft in Mitleidenschaft ziehen könnte." Dazu sei der Ukraine-Krieg festgefahren, "was durchaus Eskalationspotenzial bieten könne."
Dauerthemen Inflation und Zinsen
Großes Eskalationspotenzial sieht keiner der drei Experten, wenn es um die Dauerbrennerthemen Zinsen und Inflation geht. "Die Teuerung bleibt zwar auch 2024 ein Thema, allerdings in deutlich abgeschwächter Form", sagt etwa Depotverwalter Herrmann. "Wir gehen von zwei bis vier Prozent aus, in dem sich die Euro-Teuerung bewegen wird. Das dann aber über Jahre und wohl auch eher im oberen Drittel der Spanne." Riehemann spricht in der Eurozone von einer "hohen Zwei oder niedrigen Drei". In den USA sieht er die Inflationsrate "eher tendenziell rund um die Zwei-Prozent-Marke".
Zinssenkungen wird es 2024 in den USA den Experten zufolge mehrere geben. "Drei bis vier werden vom Markt derzeit erwartet", so Feingold. "Das spricht für eine erste Absenkung bereits im Frühjahr. Kommt diese allerdings nicht, birgt das Enttäuschungspotenzial", erklärt er. "Anleger sollten vor allem die Zinspolitik der Notenbanken 2024 im Auge behalten - und sie sollten diversifizieren", sagt Albrecht, Kitta & Co.-Gesellschafter Riehemann.
Wieviel ist denn nun drin?
"Technologie insgesamt bleibt weiterhin interessant, in allen möglichen Ausprägungen", führt Riehemann aus. "Die Magnificent Seven spielen dabei allein schon ob ihrer hohen Gewichtung eine große Rolle", sagt er mit Blick auf Alphabet, Amazon, Apple, Meta, Microsoft, Nvidia und Tesla. "Immer wenn ein Indexkauf auf den S&P-500 oder den MSCI World stattfindet, profitieren diese Titel überproportional zu anderen Werten. Dadurch klettern deren Bewertungen weiter."
"Halbleiter werden nahezu überall gebraucht, die Chipwerte dürften deshalb auch 2024 im Anlegerfokus stehen", sagt auch Fiduka-Geschäftsführer Herrmann und spricht von einem "Super-Zyklus" im Chipbereich. "Im DAX könnte das Infineon befeuern. Zudem könnten klassische Wachstumswerte wieder verstärkt in den Blick rücken."
Neben dem Halbleitersektor wird auch der Bereich rund um Anwendungen der Künstlichen Intelligenz (KI) weiterhin gefragt bleiben, wie Börsenmarktfachmann Feingold erklärt. "Daneben gibt es vor allem im Gesundheitsbereich Nachholbedarf. Auch Nebenwerte und Zykliker könnten 2024 gefragt sein", so Feingold. "Ganz allgemein werden die Marktgewinne aber in der Breite zulegen." Er hält beim DAX "acht bis zehn Prozent" Zuwachs für möglich und liegt so mit Herrmann auf einer Wellenlinie. Beide Experten sagen aber auch, dass "klare Vorhersagen schwierig sind". Wer weiß, vielleicht fällt 2024 auch schon die 20.000er-Marke im DAX?
Quelle: ntv.de