Auf dem Weg in die Hochkonjunktur? Forscher uneins über Wirtschaftsentwicklung
10.09.2015, 14:31 Uhr
Forscher sind uneins, wie sich die deutsche Wirtschaft entwickeln wird.
(Foto: picture alliance / dpa)
Dreieinhalb Monate vor dem Jahresende herrscht bei Ökonomen zum Wirtschaftswachstum 2015 Einigkeit. Doch für die kommenden Jahre gehen die Prognosen erheblich auseinander. Sicher ist nur: Es geht weiter aufwärts.
Die deutsche Wirtschaft wird nach Einschätzung der Bundesregierung in diesem Jahr wie geplant um 1,8 Prozent wachsen. "Die deutsche Wirtschaft ist auf einem soliden Wachstumspfad", sagte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel im Bundestag. Das Wachstum werde von einer robusten Binnenkonjunktur getragen. Dabei lobte der SPD-Chef auch die hohen Lohnabschlüsse der jüngsten Zeit. "Das ist gut und muss weitergehen." Ebenfalls mit 1,8 Prozent Wachstum rechnen das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) sowie das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) und auch das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI).
Die Wirtschaftsforscher in Halle sehen die deutsche Wirtschaft in diesem und im kommenden Jahr "in einem verhaltenen Aufschwung". Deutlich optimistischer äußern sich dagegen die Kieler Forscher. Deutschland befinde sich auf dem Weg in die Hochkonjunktur, hieß es. Sowohl die Exporte wie auch der private Konsum dürften nach Einschätzung des Instituts kräftig wachsen. Und so prognostizieren die Kieler für kommendes Jahr mit einem BIP-Plus von 2,1 Prozent deutlich mehr als ihre ostdeutschen Kollegen, die Deutschland nur 1,7 Prozent zutrauen. Die Essener Forscher vom RWI sehen immerhin 1,8 Prozent - weniger als bislang von ihnen angenommen.
Für 2017 erwartet das IfW in Kiel dann sogar 2,3 Prozent. Dabei verwiesen sie auf die "anhaltend anregenden monetären Rahmenbedingungen" sowie die günstige Entwicklung am Arbeitsmarkt.
Wie entwickelt sich der Export?
Die Hallenser begründen ihre vergleichsweise moderaten Erwartungen mit einer wieder leicht sinkenden Kapazitätsauslastung, die aber nur auf Normalmaß zurückgeht. "Dabei dürfte sich ein Wechsel in den Triebkräften einstellen", hieß es. Während die schwächere Nachfrage der Schwellenländer auf ein leichtes Abflachen der Exporte im späteren Jahresverlauf hindeute, dürfte die inländische Nachfrage nach ihrer Einschätzung wieder stärker zulegen.
Deutlich wird dies in den Exporterwartungen: Während die Ausfuhren - wohl auch getrieben vom schwachen Euro - um 6,2 Prozent in diesem Jahr zulegen, werden die Auslandsverkäufe 2016 nur noch um 3,6 Prozent steigen. Die anders bewerten die Kieler den Export: Während sie für dieses Jahr ein Plus von 6,6 Prozent erwarten, prognostizieren sie für 2016 sogar 6,8 Prozent und damit eine Beschleunigung des Wachstums. 2017 soll sich der Anstieg dann auf 6,4 Prozent belaufen. Das RWI erwartet in diesem Jahr 6,5 und im nächsten Jahr 5,3 Prozent mehr.
Ähnlich zuversichtlich blicken die Kieler zudem auf den privaten Konsum. Dank weiter steigender Einkommen bleibt die Kauflaune bestens. Auch die Investitionen in Anlegen sollen steigen. Dies alles sollte dann mit wieder steigenden Ölpreisen auch die Inflationsrate von ihrer derzeitigen Nähe zur Nulllinie entfernen. Ähnlich sieht Verbraucherpreisentwicklung das RWI. Für die Essener markiert ein steigender Ölpreis aber zugleich das Ende einer stimulierenden Wirkung auf die Kaufkraft.
Fallhöhe steigt
Doch gänzlich positiv lassen die Kieler Ökonomen ihre Prognosen nicht: Die außenwirtschaftlichen Risiken hätten sich zuletzt regional verschoben und lägen derzeit vor allem in einer harten Landung der chinesischen Wirtschaft. Die binnenwirtschaftlichen Risiken dürften sich zusehends erhöhen, "da auf dem Weg in die Hochkonjunktur die Wahrscheinlichkeit zunimmt, dass es zu Übertreibungen kommt und sich das Rückschlagpotenzial für die deutsche Wirtschaft erhöht".
Für das RWI ist China eines der größten Risiken für die internationale Konjunktur. Sie bleibe anfällig für Schocks, "wobei im gegenwärtigen Umfeld die negativen Risiken überwiegen".
Quelle: ntv.de, jwu/DJ/rts