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E-Mobilität mal anders Ist das Verbrenner-Aus ein schwerer Fehler?

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Das Verbrennerverbot polarisiert. Sind Benziner und Diesel auch klimaneutral möglich?

Das Verbrennerverbot polarisiert. Sind Benziner und Diesel auch klimaneutral möglich?

(Foto: picture alliance/dpa)

Das Verbrenner-Aus in der EU steht, es kommt 2035. Oder doch nicht? Es werden immer mehr Stimmen laut, die das Verbot kritisieren. Was spricht dafür, was dagegen?

Um nachfolgend nicht missverstanden zu werden, sei gleich zu Beginn festgehalten: Ein Ausstieg aus der fossilen Verbrennung in Otto- und Dieselmotoren im Verkehr zu Land, zu Wasser und in der Luft ist aus Klimagründen unumgänglich. Der Verkehrssektor insgesamt trägt etwa 20 Prozent der schädlichen CO2-Emissionen. Die müssen nach dem Pariser Klimaabkommen bis 2050 auf null gebracht werden - wenn es schlimmer kommt mit der "global warming", auch früher.

Zur Erinnerung: Im Sommer 2023 hatte die EU nach langem Ringen beschlossen, dass in den EU-Staaten ab 2035 nur noch Neuwagen zugelassen werden, die ohne klimaschädliche CO2-Emissionen fahren können. Das bedeutete Autos ohne Auspuff, sprich reine Batterie-Elektroautos (BEV). Wie hoch die dabei anfallenden schädlichen Klimaabgase der dazu notwendigen Stromproduktion oder Speicherbatterieherstellung sein würden, danach wurde nicht gefragt. Die Technologie der Abgasvermeidung war damit "einspurig" gesetzlich vorherbestimmt. Das Elektroauto wurde für politische Umweltideologen zum alleinigen Klima-Heilsbringer im Verkehr. Ein Irrweg!

Die herkömmlichen Verbrennermotoren waren mit der EU-Entscheidung faktisch verboten, das "Verbrenner-Aus" ab 2035 politisch besiegelt. In der EU war damit schwerpunktmäßig der Motor der deutschen Wirtschaft, die Autoindustrie, betroffen. Das Aus für den Verbrennermotor bedeutet für sie das Ende ihres seit über 100 Jahren erfolgreichen Geschäftsmodells. Selbst bei einer friktionslosen Eins-zu-eins-Transformation gingen etwa 40 Prozent der heutigen Wertschöpfung verloren.

Kritik wächst

Ökonomen, Ingenieure und Wissenschaftler warnten vor dem einseitigen Aus des Verbrenners und dem Setzen auf reine Elektroenergie. Vergeblich. Es wurde lediglich noch ein Verbots-Türspalt offen gehalten - für Verbrennermotoren, die ab 2035 ausschließlich mit zumindest klimaneutralen, nicht-reinfossilen E-Fuels betankt werden könnten. Eine Überprüfung des Verbots sollte 2026 erfolgen.

Inzwischen regt sich auf breiter Front, auch aus der Politik selber, Widerstand gegen das Verbrenner-Aus. So sprechen sich beispielsweise Manfred Weber, Vorsitzender der EVP, und auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für eine zeitnahe kritische Überprüfung des Verbrennerverbots aus. Schwere Geschütze fährt das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) auf, hält das Verbot für eine schlechte Entscheidung und nennt die EU-Institutionen "inkompetent".

Politischer Weckruf

Das wirft natürlich die Frage auf: War das Verbrenner-Aus 2035 ein Fehler? Was spricht dafür, was dagegen?

Für das rigide Verbrennerverbot spricht vor allem ein übergeordnetes politisches Argument: Der Verkehr muss in Zukunft CO2-ärmer als bisher betrieben werden. Automobile Mobilität für (fast) jedermann, sprich 1,6 Milliarden Verbrenner-Fahrzeuge weltweit, überfordern laut Wissenschaft das globale Klimasystem. Da muss also was passieren: entweder weniger Autos oder weniger Emissionen je Auto. Die EU-Kommission hat sich für den zweiten Weg entschieden. Und das auch aus gutem Grund: Ohne einen kraftvollen und lautstarken Weckruf lassen sich in verkrusteten Systemen wie dem Individualverkehr mit eigenen Automobilen auf demokratischem Wege fundamentale Strukturveränderungen kaum politisch durchsetzen. Das Verbrennerverbot ist ein Weckruf, mehr aber auch nicht.

Das Pferd von hinten aufgezäumt

Das Verbrenner-Aus ist widersinnig. Die Politik will auf den Sack hauen, trifft aber den Esel. Um das Übel an der Wurzel zu packen, reicht es nicht, am Ende der Wertschöpfungskette mit Verboten zu hantieren. Vielmehr sollte das Augenmerk auf den Ursprung der Wertschöpfungskette gelenkt werden: die Erdölförderung und -verarbeitung. Da der EU-Gesetzgeber sich an die Erdölproduzenten und vor allem an die etwa 350 Millionen Treibstoff-Konsumenten in der Union nicht heranwagt, muss als "Hilfsmittel" der Verbrennermotor als Sündenbock herhalten.

Wenn der Patient mit empfindlichem Magen keinen Bohnenkaffee verträgt, empfiehlt ihm der Arzt Malzkaffee oder ähnliche Surrogate. Aber er rät nicht zur Zerschlagung der Kaffeemühle oder -maschine. Nicht der Motor verursacht die Klimaschäden, sondern die Verbrennung fossiler Treibstoffe Benzin oder Diesel.

Zwischenlösung einbeziehen

Die Politik hat mit dem Verbrenner-Aus den zweiten Schritt vor dem ersten gemacht. Richtig wäre es gewesen, als Erstes die Voraussetzungen für eine geordnete, wirklich umweltfreundliche Überführung der Massenmobilität zum reinen Elektromotor zu schaffen. Also: "grüner" Strom und ausreichende Lademöglichkeiten. Das Ganze dann so gestaltet, dass auch Otto Normalverbraucher freiwillig auf die Elektromobilität setzt und umsteigt. Bezahlbar muss das Vehikel sein, alltagstauglich. Ein Verbrennerverbot wäre dann gar nicht nötig gewesen. Frei nach Charles Darwin: Alles, was gegen die Natur (den Markt) ist, hat auf Dauer keinen Bestand!

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Fazit: Das rigide Brüsseler Verbrenner-Aus war und ist von Anfang an eine ideologische Fehlgeburt. Elektromobilität wäre dann die klimafreundlichste, ideale Form der individuellen Mobilität, wenn alle E-Autos mit CO2-freiem "Grün-Strom" betrieben werden könnten, preiswert sind wie Verbrenner und wenn es möglich wäre, die Weltflotte von 1,6 Milliarden Verbrennerautos wenigstens zum überwiegenden Teil auf E-Mobilität umzurüsten. Und das auch noch in angemessener Zeit.

Bei realistischer Sicht ist weder das eine noch das andere auch unter größten Anstrengungen zu erwarten. Bleibt die Suche und das Finden einer Zwischenlösung, die es eigentlich schon gibt, zumindest in Ansätzen: Biokraftstoffe und E-Fuels. Die Politik muss nur wollen.

Quelle: ntv.de

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