Marktwirtschaft nicht anerkannt Merkel und Li wollen Handelskrieg abwenden
13.06.2016, 12:00 Uhr
In Peking wurden eine ganze Reihe von Wirtschaftsvereinbarungen getroffen.
(Foto: dpa)
China pocht darauf, von der EU als Marktwirtschaft eingestuft zu werden. Doch in Europa fürchtet man sich davor, von Chinas Billigprodukten womöglich schutzlos überschwemmt zu werden. Bei ihrem Besuch in Peking bietet Merkel in dem Streit nun ihre Hilfe an.
Bundeskanzlerin Angela Merkel will im Konflikt um die Einstufung Chinas als Markwirtschaft zwischen Brüssel und Peking vermitteln. Sie werde nach ihrer China-Reise mit EU-Kommissionspräsident Jean Claude Juncker sprechen, kündigte Merkel in Peking an. Vor dem Sommer werde es noch einen EU-China-Gipfel geben. "Dann haben wir immer noch ein paar Monate Zeit, um rechtzeitig die Beschlüsse fällen zu können." Beide Seiten waren sich einig, dass bis Ende des Jahres eine Lösung gefunden werden muss.
Chinas Ministerpräsident Li Keqiang kritisierte die EU scharf. Bei der Aufnahme in die Welthandelsorganisation (WTO) 2001 war China bis Ende dieses Jahres der Marktwirtschaftstatus in Aussicht gestellt worden. Danach dürfte die Verhängung etwa von Schutzzöllen gegen das Land schwieriger werden, weshalb die Regierung in Peking an dieser EU-Zusage interessiert ist.
Die EU hingegen möchte aber weiter Schutzmechanismen gegen Billigprodukte aus China schaffen können. Zudem wird befürchtet, dass China Sanktionen gegen Firmen in der EU verhängen könnte, wenn es nicht als Marktwirtschaft anerkannt wird.
Keiner will Anti-Dumping-Klagen
Der Status als Marktwirtschaft würde China zum Beispiel vor teuren Anti-Dumping-Klagen bewahren - also Beschwerden, dass es seine Produkte unter Preis anbiete. Li sagte, wenn eine Lösung erwünscht sei, müssten beide Seiten grundsätzlich ihre Pflichten erfüllen. "China hat das getan." Bei der EU müsse das erst noch geschehen. Er betonte: "Wir wollen keinen Handelskrieg." Davon würde niemand profitieren, erst recht nicht bei der gegenwärtigen Konjunkturschwäche. Indes mahnte Merkel erneut chinesische Maßnahmen gegen die Überkapazitäten für Stahl an.
"Es tut uns nicht gut, das Ganze zu sehr zu emotionalisieren", warnte Merkel. Die Erfahrung sei, "dass es uns (...) insgesamt nicht gut tut, wenn wir uns gegenseitig mit Anti-Dumping- Verfahren überziehen". Am besten sei, man brauche sie gar nicht, sagte sie.
Eine Lösung könnte Regierungskreisen zufolge so aussehen, dass China zwar den Marktwirtschaftsstatus erhält, aber eine ganze Reihe von Sektoren aufgeführt wird, in denen China noch Hausaufgaben machen muss. "Ich bin der Überzeugung, dass das gelingen kann - auf der Linie dessen, was wir vor 15 Jahren zugesagt haben", sagte Merkel.
Zugleich bekräftigte sie, dass Deutschland offen als Investitionsstandort auch für chinesische Firmen sei. Man erwarte aber, dass China im Gegenzug ausländische Unternehmen in China gleich behandele und die Wirtschaft weiter liberalisiere. "Ein qualitativer neuer Ansatz ist, dass wir auch in einer Vielzahl von Drittlandprojekten aktiv sind", sagte Merkel mit Hinweis auf mehrere Vertragsabschlüsse wie den gemeinsamen Aufbau einer Bergbauausbildung und eines Katastrophenschutzes in Afghanistan.
Gemeinsame Projekte vereinbart
Vorgesehen sind auch deutsch-chinesische Entwicklungshilfeprojekte in Afrika. Siemens möchte zudem zusammen mit chinesischen Partnern Infrastrukturprojekte in Asien bauen. "Das ist eine Dimension, die es bisher so nicht gab und die durchaus eine große Zukunft hat", sagte Merkel. Sie betonte auch die Bedeutung eines sicheren Rechtsumfelds in China. Deshalb sei Deutschland der Rechtsstaats- und Menschenrechtsdialog mit China sehr wichtig. Wenn es Probleme für die Arbeit von Handelskammern, politischen Stiftungen oder Wissenschaftsorganisationen durch das neue Gesetz für Nichtregierungsorganisationen in China gebe, werde man dies eng mit Peking besprechen.
Merkel und sechs ihrer Minister sind zu dreitägigen Regierungskonsultationen in Peking. Die Politiker werden von einer Wirtschaftsdelegation begleitet. Bei den Konsultationen wurden 24 Vereinbarungen geschlossen, darunter Wirtschaftsabkommen mit einem Wert von 2,73 Milliarden Euro.
Quelle: ntv.de, hul/rts/dpa