
VR-Brillen sollen fester Bestandteil des Metaversums werden - darüber definieren lässt es sich aber nicht.
(Foto: imago images/SNA)
Die Namensänderung von Facebook begründet der Konzern mit einer Vision, die auf den ersten Blick wenig greifbar ist: dem Metaversum. Um zu verstehen, was der virtuelle Markt der Zukunft eigentlich ist, hilft ein Blick auf die Geschichte des iPhones.
Techgiganten investieren jährlich Milliardensummen in neue Technologien und Strukturen. Angetrieben werden sie dabei zurzeit unter anderem von einer Idee, die es schon seit Jahrzehnten gibt: dem Metaversum oder Metaverse. Eine Ebene, in der virtuelle und physische Welt miteinander verschmelzen. Aus dem Konzept wird irgendwann Realität. Zu denken, dafür in Zukunft einfach eine Virtual-Reality-Brille aufzusetzen, ist allerdings falsch. Das Metaversum ist viel mehr als das.
Der Begriff "Metaverse" wurde erstmals 1991 im Roman "Snow Crash" von Neal Stephenson verwendet. Im Buch taucht die Bevölkerung in eine virtuelle Welt ab und trifft sich in Form von Avataren, also Abbildern ihrer selbst. Das Gleiche geschieht leicht abgewandelt im Science-Fiction-Roman "Ready Player One" von Ernest Cline (2011). In den Romanvorlagen liegt die reale, die physische Welt, wie wir sie kennen, in Trümmern. Den Ausweg suchen die Protagonisten in der virtuellen Welt. Im Metaversum, wie es sich die großen Tech-Konzerne vorstellen, sollen sich beide Welten gegenseitig befruchten und nicht ersetzen.
Das soll sich dann im privaten wie auch im beruflichen Alltag widerspiegeln. Virtuelle Abbilder unserer selbst sitzen mit Verwandten oder Arbeitskollegen am Mittags- oder Konferenztisch. Eine vorgespielte Nähe, aber greifbarer als jeder Videocall oder jedes Telefonat. Dazu soll ein virtueller Arbeitsmarkt entstehen, ebenso wie ein eigenes Konsumklima.
Zwischen VR, Krypto und Videospielen
Um zu verstehen, was mit dem Begriff Metaversum gemeint ist, genügt der Blick auf das eigene Smartphone. Die letzten 15 Jahre wurden in Sachen Technologie vor allem von Handys bestimmt. Der leistungsstarke Computer für die Hosentasche - diese Idee gab es ebenfalls schon vor Jahrzehnten. Der große Durchbruch war 2007 das iPhone. Mit einem integrierten Webbrowser ausgestattet wurde der Weg ins mobile Internet geebnet.
Erfolgreich war das iPhone aber nur, weil dutzende technologische Visionen bereits vorher umgesetzt wurden. Fortschritte beim Display machten es strapazierfähig, App-Entwickler vielseitig, immer schnellere Chips und immer länger haltende Batterien alltagstauglich. Apple stellte eine physische Plattform bereit, die alles zum richtigen Zeitpunkt zusammen und zum Funktionieren gebracht hat. Dieser iPhone-Moment hat eine ganze Branche angetrieben, andere Bereiche der Tech-Industrie, wie beispielsweise Kryptowährungen, warten noch darauf.
Trends und Technologien vereinen. Das soll auch Metaversum schaffen - allerdings mit Entwicklungen wie VR, Kryptowährungen oder Online-Videospielen und unabhängig von einem großen Konzern. Dazu spielt sich alles in Echtzeit, ohne Pause und Begrenzung der Teilnehmer ab. Wann das Metaversum seinen iPhone-Moment hat, lässt sich nicht vorhersagen.
Im Gegensatz zum Smartphone wird das Metaversum nicht greifbar sein, auch wenn das bei einzelnen Technologien bereits der Fall ist. Mit VR- oder AR-Brillen können Nutzer schon jetzt die physische Welt gedanklich verlassen. Aber genau in diesem Hardware-Bereich sind die Hürden enorm hoch. Experten gehen davon aus, dass das Erleben des virtuellen Raumes erst eine eindringliche Erfahrung wird, sobald zwei stabile 4K-Streams mit mindestens 120 Bildern pro Sekunde an die VR-Brillen übertragen werden. Derzeit arbeiten aber vor allem die kabellosen Geräte noch mit Prozessoren, die üblicherweise in Smartphones verbaut werden. Die Internetverbindung müsste entsprechend ebenfalls deutlich zulegen, um solchen Datenmengen übertragen zu können.
Vision für die nächsten 20 Jahre
Und dennoch entsteht derzeit viel Wirbel um das Metaversum. Der Schritt von Facebook, seinen Namen in Meta umzubenennen, wird in der Öffentlichkeit eher als Imagepolitur wahrgenommen. Das Unternehmen will allerdings im Metaversum eine tragende Rolle spielen und seine Facebook-Nutzer einbinden. Mehrere Milliarden Dollar investiert der Konzern bereits jährlich in Projekte, die einen Bezug zum Metaversum haben. Und das soll die nächsten Jahre so weitergehen. "Der Namenswechsel dreht sich zu 100 Prozent darum, eine neue Vision für unsere Arbeit aufzuzeigen. Der alte Name hat in den ersten 15 bis 20 Jahren gut zu uns gepasst. Jetzt haben wir eine Vision, die uns die nächsten 15 bis 20 Jahre antreiben wird", sagte der künftige Chief Technology Officer des Zuckerberg-Konzerns, Andrew Bosworth, der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".
Die Aufgabe des Unternehmens sei es nun, die Skeptiker vom Metaversum zu überzeugen. "Viele Sachen fangen in Nischen oder als Spiele an und gewinnen dann an Bedeutung. Ich erinnere mich, wie wir einmal gesagt haben, es muss einen Grund und eine Ausrede geben, um einen Computer zu kaufen. Der Grund waren Videospiele, die Ausrede Excel. Ich denke, mit dem Metaversum wird das ähnlich sein." Laut Bosworth könne es aber Generationen dauern, bis sich Normen ändern und die Akzeptanz für neue Dinge steigt. "Früher wurden Technologien einfach auf den Markt geworfen. Mit dem Metaversum haben wir jetzt die Gelegenheit, es zu formen und über damit verbundene Normen nachzudenken."
Fortnite macht es vor
Und nicht nur Facebook will das Metaversum mitformen. Vor allem die Videospielbranche mischt munter mit, schließlich sind Avatare dort schon der Standard. Fortnite-Entwickler Epic Games bildet zurzeit die Spitze. Das Unternehmen ist dafür bekannt, mit virtuellen Konzerten und Events bereits die Grenzen der eigenen Spielewelt auszuweiten. CEO Tom Sweeney ist ohnehin ein Gegner von monopolartigen Strukturen wie bei Apple oder Google und will unbedingt, dass das Metaversum ein Ort wird, an dem alle teilnehmen.
Unternehmen wie Microsoft, Amazon oder große Chiphersteller wie Nvidia wollen ebenfalls ins Metaversum eintauchen - denn dadurch werden neue Märkte und neue Vertriebsmöglichkeiten entstehen. Der Blick richtet sich dabei vor allem auf die Non-Fungible Token (NFT). Damit werden bereits jetzt Millionensummen umgesetzt. Es handelt sich um Echtheitszertifikate, die virtuellen Besitz als Einzelstück kennzeichnen. Bezahlt wird für NFTs in der Regel mit Kryptowährungen. Und die könnten ebenfalls eine tragende Säule des Metaversums werden. Das lässt sich auf alle Ebenen ausweiten. Von Inhalten in Videospielen bis zu Immobilien oder Kunstwerken. Erst im Juni wurde ein NFT für den Quellcode des Internets für 5,4 Millionen Dollar bei Sotheby's versteigert.
Laut dem Risikokapitalisten Matthew Ball wird das Metaversum ein billionenschwerer Markt werden. Kein Wunder, dass große Unternehmen sogar ihren Namen ändern, um dort eine tragende Rolle zu spielen. Ohne technische Fortschritte bleibt das Metaversum aber zunächst nur eine Nische, ein Buzzword, das keine exakte oder allgemein anerkannte Definition hat.
Quelle: ntv.de