Wirtschaft

"Wahre Preise" bei Penny "Milch, Butter und Würstchen sind zu billig"

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Der Discounter Penny verlangt diese Woche für 9 seiner mehr als 3000 Produkte die "wahren Preise" - also den Betrag, der bei Berücksichtigung aller durch die Produktion verursachten Umweltschäden immer berechnet werden müsste. Die Mehreinnahmen will die zur Rewe-Gruppe gehörende Kette für Projekte zum Klimaschutz spenden.

Stephan Rüschen, Professor für Lebensmittelhandel an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, glaubt nicht, dass bei der Aktion viel Geld zusammenkommt. Trotzdem geht die Aktion, "wahre Preise" auszuzeichnen, aus seiner Sicht in die richtige Richtung, wie er im Interview mit ntv.de sagt. Um kein Tropfen auf dem heißen Stein zu bleiben, müsse die Aktion aber im Handel Schule machen. Eine "richtig ehrliche und authentische Aktion" wäre gewesen, "wenn es eine Initiative aller Händler gäbe, die sich zumindest bei einigen Produkten mit besonders hohen externen Kosten darauf verständigen könnten, 'wahre Preise' zu verlangen". Auch der Staat sollte aus seiner Sicht mehr Initiative zeigen.

ntv.de: Penny hat die Woche der "wahren Preise" eingeläutet. Wiener Würstchen kosten 6,01 Euro statt 3,19 Euro. Das ist ein gewaltiger Preisaufschlag. Was glauben Sie, wie sich das auf die Einnahmen von Penny auswirkt?

Stephan Rüschen: Penny wird von den neun Produkten mit "wahrem Preis" deutlich weniger verkaufen, weil sie durch den Preisaufschlag einfach sehr teuer geworden sind. Die Kunden und Kundinnen werden das erstaunt wahrnehmen, wahrscheinlich entsteht auch ein gewisses Problembewusstsein. Aber selbst wenn Penny sagt, der Gewinn aus diesen Verkäufen kommt ökologischen Zwecken zugute, glaube ich nicht, dass die Kundschaft dafür "spenden" wird. Unterm Strich wird weniger verkauft.

Wie viel schätzen Sie?

Ich schätze mal, dass Penny vielleicht 30 Prozent vom normalen Absatz verkaufen wird, wenn überhaupt. Da wird nicht viel zusammenkommen.

Wegen der hohen Inflation, bei Energie, aber eben auch bei Lebensmitteln versuchen Menschen derzeit eher zu sparen, wo es geht. Wer knapp bei Kasse ist, geht zum Discounter. Da scheint die Idee irgendwie nicht mit der Käuferschaft zusammenzupassen. Was ist die Idee dahinter?

Auf der einen Seite haben Sie recht, dass das nicht zusammenpasst. Auf der anderen Seite geht Nachhaltigkeit aber alle an. Die Discounter haben Nachhaltigkeit tatsächlich schon sehr lange für sich entdeckt, es gibt viele Maßnahmen. Auch die aktuelle Aktion von Penny ist nicht neu. Penny hat in einem Markt in Berlin schon vor über zwei Jahren einige Artikel mit "wahren Preisen" ausgezeichnet. Bezahlt haben die Käufer an der Kasse dann aber trotzdem den billigeren Preis. Jetzt probiert man eben etwas mehr.

Sie haben es angesprochen: Die Penny-Aktion mit den "wahren Preisen" ist nicht ganz neu und sie hat schon vorher keine Nachahmer gefunden. Braucht es nicht eine viel größere Kraftanstrengung, als neun Artikel teurer zu machen?

Es wäre natürlich wirkungsvoller gewesen, wenn es nicht nur neun Artikel gewesen wären. An den Würstchen und dem Mozzarella kann man auch leicht vorbeigehen, ohne sie zu realisieren, vor allem, wenn man sie nicht kaufen will. Eine breitere Aktion hätte die Konsumenten da eher wachgerüttelt und zum Verständnis beigetragen, was da am Markt passiert. Aber man will bei den Kunden natürlich auch erstmal das Verständnis dafür wecken, was "wahre Preise" eigentlich bedeuten. Viele kennen den Begriff gar nicht und müssen erstmal lernen, was eigentlich damit gemeint ist und welchen Schaden er oder sie durch Konsum verursacht - bei einem Produkt ist das natürlich mehr, bei einem anderen weniger.

Aber warum nicht konsequent zumindest eine Woche lang "wahre Preise" auf alles im Sortiment?

Stephan Rüschen, Professor für Lebensmittelhandel an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg.

Stephan Rüschen, Professor für Lebensmittelhandel an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg.

Was man hätte machen können, wäre, für alle die Produkte mit besonders hohen externen Kosten, wie wir das in der Wissenschaft nennen, die "wahren Preise" zu nehmen - und zwar dauerhaft und nicht nur im Rahmen so einer Kampagne für eine Woche. So etwas kann Penny aber nicht allein. Wenn es eine Initiative aller Händler gäbe, die sich zumindest bei einigen Produkten gemeinsam darauf verständigen könnten, hier die "wahren Preise" zu verlangen, dann wäre das aus meiner Sicht eine richtig ehrliche und authentische Aktion gewesen. Dann würde sie jetzt nicht bei manchen wie ein Marketing-Gag rüberkommen, der nach einer Woche wieder verpufft ist.

Also ist das doch eher eine Marketingstrategie?

Das kann man Penny unterstellen, weil der Discounter damit diese Woche in allen Medien ist. Aber zugutehalten muss man dem Discounter, dass er ein Problembewusstsein schafft. Wir richten mit unserem Kaufverhalten einfach viel mehr Schaden an, als am Preis zu erkennen ist. Das ist das Konzept der "wahren Preise": das, was zusätzlich an Kosten entsteht, was aber kein Hersteller, kein Händler und damit auch kein Kunde bezahlen muss. Das auszuweisen, macht auf jeden Fall Sinn.

Warum ausgerechnet diese neun Produkte, die Penny ausgewählt hat? Was daran zahlen wir an der Kasse nicht?

Das sind schon relevante Produkte, die man da ausgewählt hat. Die höheren "wahren" Kosten gelten tatsächlich aber immer auch für das gesamte Milch- oder Fleischsortiment und nicht wie jetzt in der Kampagne für einen einzelnen Joghurt oder die speziellen Wiener Würstchen. Milch, Butter und andere Würstchen oder Schnitzel sind ebenfalls zu billig. Die höheren Kosten entstehen vor allem durch die CO2-Emissionen bei der Herstellung und Produktion. Man kann die Kosten des Schadens fürs Klima berechnen und überlegen, wie man den mit Geld kompensiert. Warenpreise machen Sinn, weil die Gesellschaft als Ganzes für den Schaden zahlt. Der Staat könnte das gut regeln, indem er eine sehr massive CO2-Steuererhebung in Betracht zieht.

Der Begriff Nachhaltigkeit ist nicht neu, das Problembewusstsein bei Konsumenten doch eigentlich auch längst da. Nur an dem entsprechenden Einkaufsverhalten mangelt es in der Breite. Ist Nachhaltigkeit eine "Mission Impossible"?

Es ist unheimlich schwierig, das Kundenverhalten nur durch Bewusstsein zu ändern. Extrem gesagt, ja, es ist eine "Mission Impossible". Das bedeutet in dem Fall aber nur, dass man nicht aufgeben sollte, dafür ist das Thema Nachhaltigkeit zu wichtig. Man darf nicht aufgeben, Verhalten zu ändern und über Kennzeichnung aufzuklären. Deshalb sollte man auch Dinge so verteuern, dass sie dadurch unattraktiv werden.

Wie sieht eine fiktive Zukunft mit "wahren Preisen" aus? Gibt es da nicht ein großes Problem: die soziale Ungerechtigkeit?

In der Tat entsteht eine soziale Ungerechtigkeit, wenn nur noch diejenigen Fleisch kaufen und essen können, die es sich leisten können, weil sie viel Geld haben. Aber nehmen wir mal das Beispiel Zigaretten: Da wurde ja auch ein Problembewusstsein geschaffen, sogar in sehr extremer Form. Die Preise sind um ein Vielfaches gestiegen. Auf jeder Schachtel ist zu sehen, welche Kosten dem Gesundheitssystem durch Rauchen entstehen. Die Menschen haben die höheren Preise kapiert. Am Ende brauchen wir aber mehr als eine Einsicht in diese Zusammenhänge. Wir brauchen nicht nur höhere, akzeptierte Preise bei Fleisch, wir brauchen auch weniger Konsum. Die Leute müssen auf Fleisch verzichten. Was uns nicht weiterbringt, ist, dass die Leute einfach doppelt so viel für Fleisch zahlen.

Mit Stephan Rüschen sprach Diana Dittmer

Quelle: ntv.de

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