Wirtschaft

"Tesla ohne Musk ist denkbar" Tesla-Aktionäre stemmen sich gegen Billionen-Vergütung für Elon Musk

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Wird Elon Musk der erste Billionär der Welt? Die Telsa-Aktionäre entscheiden darüber am Donnerstag, den 6. November.

Wird Elon Musk der erste Billionär der Welt? Die Telsa-Aktionäre entscheiden darüber am Donnerstag, den 6. November.

(Foto: REUTERS)

Wie viel sind "Zeit, Talent und Vision" des Tesla-Chefs wert? Elon Musk und sein Verwaltungsrat meinen, eine Billion Dollar für zehn Jahre seien angemessen. Musk droht: Bekommt er nicht, was er will, wirft er hin. Die Aktionäre stimmen über das wohl kühnste Vergütungsmodell der Wirtschaftsgeschichte ab.

Es ist ein Showdown, wie ihn die Finanzwelt selten erlebt hat: An diesem Donnerstag stimmen die Tesla-Aktionäre über ein Aktienpaket ab, das Elon Musk potenziell zur bestbezahlten Führungskraft der Geschichte machen könnte. Das Paket ist bis zu einer Billion US-Dollar wert – vorausgesetzt, der Börsenwert des E-Autobauers steigt in den kommenden Jahren auf 8,5 Billionen Dollar.

Die Abstimmung wird kein Durchmarsch, denn nicht nur der norwegische Staatsfonds Norges Bank Investment Management (NBIM), der 1,2 Prozent der Tesla-Aktien hält und damit einer der größten Anteilseigner ist, kündigte an, gegen das Paket zu stimmen. "Wir schätzen den erheblichen Wert, der unter der visionären Führung von Herrn Musk geschaffen wurde, sind jedoch besorgt über die Gesamtgröße der Prämie, die Verwässerung und das Fehlen einer Absicherung gegen das Risiko der Abhängigkeit von einer einzelnen Schlüsselfigur", heißt es dazu in der Erklärung.

Auch der größte öffentliche Pensionsfonds in den USA, das California Public Employees' Retirement System (CalPERS), wird sein Veto einlegen. Er stimmte bereits im vergangenen Jahr gegen Elon Musks 46 Milliarden Dollar schweren Vergütungsplan. Ebenfalls dagegen sind die zweitgrößte Lehrergewerkschaft des Landes und der staatliche Pensionsfonds von New York. Ferner empfehlen auch die beiden weltweit einflussreichsten Stimmrechtsberater ISS und Glass Lewis, der Argumentation zu folgen und gegen Musks Plan zu votieren. In einem hitzigen Schlusswort in der Telefonkonferenz zu den jüngsten Quartalszahlen bezeichnete Musk die Aktionärsschützer deshalb als "Unternehmensterroristen".

Trotzdem gilt die mehrheitliche Zustimmung der Aktionäre als wahrscheinlich. Nicht zuletzt, weil Musk selbst rund zwölf Prozent der Anteile hält, und ein texanisches Gesetz es ihm erlaubt, bei der Abstimmung mit eigener Stimme zu votieren. Dazu hat er mächtige Verbündete: Unterstützung ist ihm beispielsweise von Cathie Wood, CEO von ARK Invest, gewiss. Tesla ist die größte Position im Portfolio. Das Unternehmen hält Aktien im Wert von rund einer Milliarde Dollar. Auch die Vermögensverwaltungssparte der US-Bank Charles Schwab veröffentlichte am Dienstag eine Erklärung, in der sie mitteilte, für Musks Vergütungspaket zu stimmen. Schwab Asset Management besitzt 0,56 Prozent der Tesla-Aktien und rangiert damit laut dem Portal Business Insider auf Platz 15 der größten Investoren des Unternehmens.

Ungeachtet des Ausgangs der Abstimmung wird aber deutlich, dass sich erstmals nicht nur ein globales Schwergewicht unter den Tesla-Investoren offen gegen den wohl polarisierendsten CEO der Welt stellt – und damit den wunden Punkt des Unternehmens trifft. Es formiert sich ein ganzes Bollwerk gegen ihn.

Ein Jahrhundert-Deal mit Bedingungen

Im Detail sieht das zur Abstimmung stehende Aktienpaket vor, dass Musk über einen Zeitraum von zehn Jahren bis zu 423 Millionen neue Tesla-Aktien erhält. Sie sollen in Tranchen ausgegeben werden, die an ambitionierte Wachstumsziele geknüpft sind. So soll Tesla unter anderem eine Marktkapitalisierung von 8,5 Billionen Dollar, eine Produktion von 20 Millionen Fahrzeugen pro Jahr sowie den Aufbau einer Flotte von einer Million Robotaxis und einer Million humanoider KI-Roboter erreichen.

Sowohl das Volumen des Aktienpakets als auch die angepeilte Börsenbewertung sind ein Novum in der amerikanischen Wirtschaft. Eine Marktkapitalisierung von 8,5 Billionen Dollar wäre mehr als doppelt so hoch wie die von Nvidia, dem aktuell wertvollsten Unternehmen der Welt. Der E-Autopionier erreichte Ende des vergangenen Jahres mit etwa 1,5 Billionen Dollar seinen Höchststand.

Tatsächlich geht es bei der Vergütung um mehr als Geld. Es geht auch um Kontrolle: Sollte das Paket vollständig umgesetzt werden, würde Musks Anteil an Tesla auf rund 25 Prozent steigen - eine Schwelle, die er selbst als notwendig bezeichnet, um "die Richtung des Unternehmens sichern" zu können.

Druck aus der Chefetage

Die Zukunft von Elon Musk im Unternehmen hängt vom Ausgang der Abstimmung ab, warnt Teslas Verwaltungsratsvorsitzende Robyn Denholm. "Es besteht für mich kein Zweifel, dass er sich zurückziehen oder weniger engagieren würde, wenn dieses Paket nicht verabschiedet wird", sagte sie im Interview mit Bloomberg. Im US-Sender CNBC fügte sie hinzu, dass Tesla ohne das Vergütungspaket Gefahr laufe, "den Zugang zu Zeit, Talent und Vision des Firmenchefs zu verlieren". Hinter dieser Drohung steckt eine doppelte Botschaft: Tesla braucht Musk – und Musk weiß das.

Ascan Iredi, Leiter des Portfoliomanagements bei der Plutos Vermögensverwaltung, ist die Lage ernst, aber nicht neu. "Der norwegische Staatsfonds hatte bereits in früheren Fällen gegen die hohen Vergütungspakete gestimmt", sagt Iredi im Gespräch mit ntv.de. "Da der NBIM nur gut 1,1 Prozent Anteile hält, bleibt der tatsächliche Einfluss auf die Entscheidung gering."

Gleichzeitig kritisiert der Vermögensverwalter Musks Anspruch aber als überzogen: "Die hohe Vergütung ist schon deshalb nicht notwendig, da Musk auch über den Börsenwertzuwachs verdient. Er versucht, doppelt zu partizipieren – was nicht einer Gleichbehandlung der Aktionäre entspricht."

Auch Hendrik Leber, Gründer und Geschäftsführer des Vermögensverwalters Acatis Investment, findet im Gespräch mit ntv.de deutliche Worte: "Ich bin froh, dass sich der norwegische Staatsfonds nicht von Musk erpressen lässt. Der mögliche Bonus wäre in der Größenordnung des Börsenwerts. Das darf doch einfach nicht wahr sein." Für Leber zeigt die Forderung, wie problematisch die Unternehmensführung bei Tesla ist. "Die Governance scheint nicht zu funktionieren. Der Aufsichtsrat steht offenbar unter Musks Kontrolle, gegen alle Prinzipien guter Unternehmensführung. Für mich ist das ein klares Verkaufssignal," sagt Leber ntv.de.

Und er geht sogar noch weiter: "Norwegen müsste im Falle eines Misserfolgs seine Anteile verkaufen und wird es mit großer Wahrscheinlichkeit auch tun. Wenn ich Portfoliomanager wäre und eine solche rote Flagge sähe, könnte ich nicht rechtfertigen, investiert zu bleiben."

Der norwegische Ölfonds – ein moralischer Kompass

Der NBIM-Fonds verwaltet ein Vermögen von mehr als 1,8 Billionen Euro, investiert in über 9000 Unternehmen weltweit und unterliegt strengen ethischen Richtlinien. Bei jeder Anlageentscheidung spielen Menschenrechte, Umwelt- und Governance-Kriterien eine zentrale Rolle. "Der Fonds nimmt seine Rechte im Rahmen seiner Beteiligung wahr", sagt Iredi. "Diese Einflussnahme ist vom Gesetzgeber gewünscht und führt in der Regel zu einer dauerhaften Steigerung der Effizienz."

Dass der Fonds sich nun gegen Tesla stellt, folgt dieser Linie – auch wenn dieser Schritt riskant ist. Ein Nein könnte als Signal an andere Großinvestoren wirken, sich stärker gegen überzogene CEO-Boni auszusprechen. Die Debatte fällt zudem in eine Phase, in der Musks Aufmerksamkeit ohnehin zersplittert ist. Laut "Wall Street Journal" hat der Unternehmer den Großteil des Sommers damit verbracht, sein KI-Startup xAI und die dort entwickelte Chat-KI Grok voranzubringen. Mitarbeiter berichteten von Nachtschichten bis in die frühen Morgenstunden. Teslas Vorstand versucht, diesen Spagat zu rechtfertigen. "Andere CEOs spielen vielleicht gerne Golf", sagte Denholm. "Er gründet lieber Unternehmen." Die implizite Botschaft lautet: Musk mag zwar abgelenkt sein, doch sein Fokus auf KI soll sich für Tesla am Ende auszahlen.

... und wenn Musk geht?

Ein Scheitern des Vergütungspakets wäre nicht nur symbolisch ein Risiko. "Das Dilemma ist, dass Teslas Wachstumskurs mit Musks Person gleichgesetzt wird", so Iredi. Für die freien Aktionäre wäre es besser, wenn mehr Planbarkeit hergestellt und Musk sich auf seine Rolle als CEO und Minderheitsaktionär beschränken würde.

"Kurzfristig ist im Falle eines Abgangs mit einem Kursrückgang zu rechnen", sagt der Vermögensverwalter. "Tesla ohne Musk ist vorstellbar und wird wohl auch weiterhin ein wichtiger Hersteller bleiben. Ob Robotaxis oder KI-Roboter dann tatsächlich noch zur Produktpalette gehören, ist jedoch fraglich."

Die Tesla-Aktie gab im unmittelbaren Vorfeld der Abstimmung leicht nach, liegt seit Jahresbeginn aber weiterhin im Plus. An der Börse scheint man weder Panik noch Euphorie zu verspüren. Viele Investoren glauben weiterhin, dass Musk und Tesla einander brauchen. Gleichzeitig ist die Abstimmung aber auch ein Lackmustest für die Machtbalance bei Tesla. "Das Paket soll Musks Aufmerksamkeit auf Tesla lenken", heißt es im Aktionärsbrief. Für viele Beobachter ist es jedoch längst zum Symbol eines gefährlichen Kults um den CEO geworden.

Quelle: ntv.de

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