Forderungen der Gläubiger Tsipras bittet zur Dringlichkeitssitzung
04.06.2015, 16:23 Uhr
Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras.
(Foto: REUTERS)
Die Forderungen der Gläubiger sorgen in Griechenland für Verärgerung. Ministerpräsident Tsipras will nun herausfinden, wie weit er den Geldgebern entgegenkommen kann. Viel Spielraum hat er offenbar nicht.
Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras wird noch heute mit seinem Kabinett über den von den Gläubigern präsentierten Forderungskatalog beraten. Das berichtet die Korrespondentin des britischen "Guardian" in Athen. Dabei wolle der Premier herausfinden, zu welchen Bedingungen sein Syriza-Bündnis eine Einigung mit den Gläubigern mittragen würde.
Negative Reaktionen auf den Lösungsvorschlag der Europäer und des Internationalen Währungsfonds schüren Spekulationen, dass der Konflikt zwischen dem äußersten linken Flügel und der Parteiführung um Tsipras an Schärfe gewinnt. Womöglich könnte der Regierungschef sich sogar gezwungen sehen, Neuwahlen auszurufen.
Gerade, als "alle hofften, dass eine Einigung" bevorstehe, habe EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker den "vulgärsten, mörderischsten und härtesten Plan" vorgelegt, schimpfte etwa der hochrangige Syriza-Politiker Alexis Mitropoulos. Ähnlich äußerte sich der stellvertretende Schifffahrtsminister Thodoris Dritsas: Was Juncker unterbreitet habe, liege "in jeder Beziehung unter unseren Erwartungen", sagte er im Fernsehen. Sollten sich die Berichte über die Vorschläge der Geldgeber als wahr herausstellen, "können wir sie natürlich nicht akzeptieren". Griechenland werde sich niemals Bedingungen beugen, die in den Augen der Syriza eine Beleidigung seien.
"Beharren auf Wahrheit, Vernunft, Legitimität. Mäßigung und grundlegende Menschlichkeit mag eine effektive Antwort sein auf absolute, brutale und scheinheilige Macht", twitterte Dimitris Yannopoulos, Pressesprecher von Finanzminister Yanis Varoufakis.
Wie angespannt die Lage innerhalb der Partei ist, zeigte sich bereits im vergangenen Monat. Nur mit Mühe und viel Krach konnte das Zentralkomitee der Syriza einen Antrag des linken Flügels abwehren, als Druckmittel in den Verhandlungen mit den Gläubigern Rückzahlungen an den IWF zu stoppen.
Renten sollen gekürzt werden
Was die Gläubiger der griechischen Seite genau vorgeschlagen haben, ist öffentlich nicht bekannt. Der Nachrichtenagentur Reuters zufolge fordern sie Einschnitte im Rentensystem und die Zusage zu zahlreichen Privatisierungen. Die verlangten Rentenkürzungen sollen sich auf ein Prozent der Wirtschaftsleistung (BIP) belaufen. Zudem sollen 800 Millionen Euro durch Einschnitte bei Renten für Geringverdiener eingespart werden. Die Regierung solle außerdem auf die Rücknahme der Rentenreform und auf eigenmächtige Schritte bei der Arbeitsmarktreform verzichten. Darüber hinaus soll die Mehrwertsteuer im Volumen von einem Prozent des BIP angehoben werden.
Die Geldgeber bestehen den Insidern zufolge zudem auf der Privatisierung der Häfen in Piräus und Thessaloniki, von Ölkonzernen und Netzbetreibern sowie des Telefon-Unternehmens OTE. Einige der Forderungen hatte Tsipras zuvor als rote Linien bezeichnet, die er nicht überschreiten werde.
Im Gegenzug würde Athen Zugriff auf die 10,9 Milliarden Euro erhalten, die beim Euro-Rettungsfonds EFSF liegen, hieß es. Der Betrag war ursprünglich zur Stabilisierung maroder griechischer Banken vorgesehen. Mit dem Geld soll der griechische Finanzbedarf im Juli und August abgedeckt werden, wenn Rückzahlungen an die Europäische Zentralbank in Höhe von insgesamt rund 6,7 Milliarden Euro fällig werden.
Weiteres Entgegenkommen
Außerdem sollen die Gläubiger einen geringeren Primärüberschuss (das ist der Haushaltssaldo ohne Zinszahlungen und Schuldentilgung) fordern als bisher. Dem "Wall Street Journal" zufolge soll Griechenland in diesem Jahr einen Primärüberschuss von einem Prozent erreichen und im kommenden Jahr von zwei Prozent. 2017 sollen es drei Prozent sein.
Bislang verlangten die Gläubiger, dass Athen in diesem Jahr einen Überschuss von 3,5 Prozent und im kommenden Jahr von 4,5 Prozent erwirtschaftet. Diese Vorgaben gelten angesichts der wieder herrschenden Rezession seit Monaten als nicht mehr erreichbar. Aber auch um die neuen Ziele zu erfüllen, müsste die Regierung weitere harte Einschnitte vornehmen und sie womöglich zwingen, Wahlkampfversprechen zu kassieren.
Der frühere griechische Regierungschef Antonis Samaras sagte, die Maßnahmen, die die internationalen Gläubiger jetzt von Griechenland verlangten, seien schlimmer als die Sparauflagen während seiner Amtszeit. Er war seinem Nachfolger Tsipras dennoch vor, mit seiner Verhandlungsstrategie im griechischen Schuldendrama gescheitert zu sein. Forderungen mehrerer Minister der Regierung Tsipras nach Neuwahlen nannte Samaras "Unsinn". Sie würden unter "wilden Bedingungen" stattfinden, sollten Bürger ihre Konten plündern.
Quelle: ntv.de, jga/rts/dpa