US-Ermittler ohne Antworten? VW erwartet den Jones-Day-Bericht
15.04.2016, 11:44 Uhr
Ingenieursdenken aus Deutschland: Der Jones-Day-Bericht entlastet angeblich den früheren VW-Chef Martin Winterkorn.
(Foto: dpa)
Bei der internen Aufarbeitung des Abgas-Skandals zeichnen sich für VW neue Probleme ab: Der eigens in Auftrag gegebene Untersuchungsbericht einer US-Kanzlei fördert angeblich keinen Schuldigen zutage. Noch ist unklar, was genau in dem Bericht steht.
Trotz monatelanger Untersuchungen in der Abgas-Affäre bei Volkswagen können die internen Ermittler nach Informationen der dpa vorerst keine Antworten auf die eigentliche Schuldfrage liefern. Den Angaben der Nachrichtenagentur zufolge konnte die vom VW-Aufsichtsrat eingesetzte US-Kanzlei Jones Day den Ursprung der Betrugs-Software bisher nur auf Abteilungen und verschiedene Personen eingegrenzen. Doch wer genau den Anstoß für die Manipulationen gab, sei noch nicht rekonstruiert, heißt es. Ein Konzernsprecher erklärte dazu: "Wir können uns nicht zu den Untersuchungen von Jones Day äußern."
Der genaue Ablauf der Geschehnisse sei in dem Untersuchungsbericht noch nicht restlos aufgeklärt, berichtete die dpa unter Berufung auf "mehrere voneinander unabhängigen Quellen". Ausschließen könnten die US-Ermittler von Jones Day bislang eine Mitschuld des Vorstands um Ex-Chef Martin Winterkorn.
Teure Prüfer aus den USA
Wenn die dpa-Angaben zutreffen, könnten sich die Ausgaben für Jones Day als Schlag ins Wasser erweisen. Volkswagen steht nicht nur in Deutschland, sondern insbesondere auch in den USA unter Druck, glaubwürdige Fortschritte bei der Aufarbeitung des Abgas-Skandals vorzuweisen. Dazu gehört nach Einschätzung vieler Beobachter auch die klare Benennung der Verantwortlichen.
Offen ist trotz der umfangreichen internen Ermittlungen noch immer, ob nun einzelne VW-Entwickler aus eigenem Antrieb heraus den fatalen Fehler mit der Manipulationssoftware begingen - etwa weil sie ihren Ingenieurstolz verletzt sahen - oder ob sie womöglich doch auf direkte Anweisung handelten.
Stichtag 22. April
Ob die Öffentlichkeit Einblick in die Ermittlungen von Jones Day erhält, ist noch offen. Wann und in welchem Umfang die Erkenntnisse aus dem Untersuchungsbericht veröffentlicht werden sollen, will die Konzernführung in Wolfsburg früheren Angaben zufolge erst Ende kommender Woche entscheiden. Am 22. April sollen die Ergebnisse aus dem Jones-Day-Bericht zunächst in der nächsten Sitzung im VW-Aufsichtsrat vorgestellt werden, wie Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil erklärte.
"In diesem Zusammenhang wird dann auch über Art und Weise einer Unterrichtung der Öffentlichkeit zu befinden sein", kündigte er an. Weil ist in seiner Funktion als Regierungschef von Niedersachsen auch mit Sitz und Stimme im VW-Aufsichtsrat vertreten. Das Bundesland ist mit 20 Prozent der stimmberechtigten Stammaktien an Europas größtem Automobilkonzern beteiligt.
Aufsichtsrat statt Diesel-Ausschuss
Die US-Kanzlei wollte dem sogenannten Diesel-Ausschuss des Aufsichtsrats ihren umfangreichen Zwischenbericht eigentlich bereits am vergangenen Sonntag (10. April) vorlegen. Das Treffen fiel jedoch aus. Inzwischen hat der Diesel-Ausschuss die Zuständigkeit für den Stand der Aufklärungen verloren. Der Jones-Day-Bericht ist als zentrales Thema wieder im erweiterten Kreis der VW-Kontrolleure angekommen.
Volkswagen hatte wiederholt erklärt, sich bis spätestens Ende April zur Schuldfrage zu äußern. Dieser "substanzielle Bericht" sollte darlegen, wie die Ereignisse um den Einsatz des Betrugsprogramms abliefen und welche Abteilungen und Hierarchien eingebunden waren.
Wie ernst die Lage bei Volkswagen wirklich ist, lässt sich nach Ansicht von Branchenkennern auch an den jüngsten Absatzzahlen ablesen. Die Kernmarke VW bekommt die Folgen des Dieselskandals - und der regionalen Konjunkturschwächen - demnach immer stärker zu spüren.
Im März lieferte Europas größer Autohersteller weltweit 543.700 Fahrzeuge der Marke mit dem VW-Logo aus. Das sind 2,7 Prozent weniger als vor Jahresfrist, wie der VW-Konzern mitteilte. Das Absatzplus von 3,6 Prozent im weltgrößten Pkw-Markt China konnte dabei den Rückgang um 10,4 Prozent in den USA und von rund 2 Prozent in Westeuropa nicht ausgleichen. Konzernweit erzielte Volkswagen bei den Neuzulassungen innerhalb der EU ein Plus von 2,6 Prozent.
Quartalszahlen Ende Mai
In Brasilien schrumpften die Auslieferungen dagegen wegen der anhaltenden Wirtschaftskrise um mehr als 35 Prozent. Der Rückgang in Russland fiel nach hohen Einbußen in vergangenen Monaten mit minus zwei Prozent geringer aus. Auch auf dem Heimatmarkt in Deutschland konnte die Marke VW im März weniger Autos verkaufen. Hierzulande belief sich das Minus auf 8,2 Prozent.
Konkrete Zahlen zur Geschäftsentwicklung will Volkswagen am 31. Mai veröffentlichen. Wegen des Abgas-Skandals und offener Bewertungsfragen hatte der Konzern seine Jahresbilanz für 2015 auf den 28. April verschieben müssen und daher auch die Hauptversammlung von ursprünglich Ende April auf den 22. Juni verlegt. Da der Quartalsbericht in vielen Kennzahlen wie etwa bei der Prognose auf der Jahresbilanz 2015 aufbaut, musste der VW-Konzern auch für die Vorlage des Zwischenberichts zum Startquartal 2016 einen späteren Termin finden.
Quelle: ntv.de, mmo/dpa